Andreas Marx: Enzym-Spezialfälle bei myPOLS
Hauptberuflich ist Prof. Dr. Andreas Marx Lehrstuhlinhaber für Organische Chemie / Zelluläre Chemie an der Universität Konstanz. Nebenbei hat er vor drei Jahren gemeinsam mit seinem ehemaligen Doktoranden Dr. Ramon Kranaster die Firma myPOLS Biotec GmbH gegründet – ein Anbieter für maßgeschneiderte DNA-Polymerasen. Neben dem Enzymverkauf wird in dem Spin-off auch Auftragsforschung betrieben. Dass sich dies alles nicht in einem „9-to-5-Job“ bewältigen lässt, stört den Chemiker und Spezialisten für Polymerasen überhaupt nicht.
Prof. Dr. Andreas Marx hat mit seinem ehemaligen Doktoranden Dr. Ramon Kranaster 2014 die myPOLS Biotec GmbH gegründet, die unter anderem spezielle DNA-Polymerasen nach Kundenwunsch entwickelt.
© myPOLS Biotec GmbH
Schon seit dem Studium liegen dem Chemiker Andreas Marx DNA-Polymerasen am Herzen – die Enzyme, die in der natürlichen Form als molekulare Maschinen einen Nukleinsäurestrang ablesen und kopieren können und damit eine entscheidende Rolle bei der Verdoppelung des Erbguts in der Zellteilung spielen. In den verschiedensten optimierten Formen spielt diese Enzymklasse heutzutage eine tragende Rolle in einer Vielzahl molekularbiologischer Verfahren und ist aus dem Labor- und Diagnostikalltag nicht mehr wegzudenken. Auch am Lehrstuhl für Organische Chemie / Zelluläre Chemie der Universität Konstanz, den Marx innehat, forscht er an den Prinzipien und der Veränderung dieser Proteine schon seit Jahren.
Dabei hatte der Professor schon immer gehofft, dass seine wissenschaftliche Arbeit an der Universität auch möglichst einmal in einem konkreten Produkt münden würde, wie er sagt: „Unsere Arbeit findet sowieso an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Anwendung statt, da war die praktische Verwertung der Ergebnisse schon immer im Hintergrund.“ So gründete Marx zusammen mit seinem ehemaligen Doktoranden Ramon Kranaster 2014 die myPOLS Biotec GmbH, eine Firma für maßgeschneiderte DNA-Polymerasen. Der Professor ist Gesellschafter und Kranaster führt die Geschäfte. Aber natürlich ist Marx mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Polymerasen-Experte in die Forschungsaktivitäten der Firma involviert.
Spezialgebiet: Polymerasen-Sonderwünsche
Ein Teil des myPOLS-Angebots sind Basisenzyme, die online geordert werden können. Für solche Polymerasen gibt es allerdings auch schon andere Anbieter. Die natürlichen Versionen dieser Enzyme sind aber oft ungeeignet, und hier liegt die Stärke der jungen Biotechfirma: Ihr Spezialgebiet sind Sonderwünsche – individuell angepasste Enzyme für vielerlei Anwendungsgebiete. Diese stammen entweder aus der firmeneigenen Enzymkollektion von rund einem halben Dutzend Polymerasen und zahlreichen Varianten davon oder werden speziell für den Kunden entwickelt. Dies geschieht mit Hilfe der gerichteten „Evolution im Reagenzglas“ und rationalem Design: Das natürliche Gen der Polymerase wird zum Beispiel in Anwesenheit von Mangan-Ionen amplifiziert. Hierdurch entstehen gewollt Produkte mit fehlerhafter Sequenz und nach und nach ganze Polymerase-Bibliotheken. „Polymerasen in den verschiedensten Formulierungen sind ein weiteres Spezialgebiet“, fügt Marx hinzu. „Es gibt beispielsweise auch unsere Enzyme in Kügelchenform, die ohne Kühlschrank auskommen, und die man deshalb überall mit hinnehmen kann. So können wir einerseits Kosten beim Versand einsparen, der Kunde aber auch andererseits Untersuchungen an entlegenen Orten durchführen – ganz ohne Kühlkette.“
Eine der myPOLS-Eigenentwicklungen sind Polymerasen in Kügelchenform, die ohne Kühlung gelagert werden können.
© myPOLS Biotec GmbH
Solche Erfolge sind das, was ihn antreibt, antwortet der Professor, auf die Frage, weshalb er neben seinem Job in der Forschung auch noch Firmengründer geworden ist: „Es macht einfach Spaß zu sehen, wie Grundlagenforschung einmal in einem Produkt landen kann. Und die dafür nötige Entwicklungsarbeit ist außerdem nochmal eine ganz andere Welt. Man kann mit einer Firmengründung etwas bewegen und lernt dabei tolle Leute kennen. Die Gründerszene ist ein ganz besonderer Menschenschlag – die haben den Drive, Risiko auf sich zu nehmen und sich durch den Bürokratiedschungel zu kämpfen. Solche Leute bringen Deutschland voran.“ Bei der Bürokratie und den Rahmenbedingungen half zunächst die Universität: „Außer den geeigneten Leuten braucht man ja auch ein Labor und den finanziellen Hintergrund für den Start. Da hat uns die Uni Konstanz mit ihrer Ausgründungsunterstützung sehr stark geholfen“, sagt Marx. „Hat man einmal begonnen, werden die Produkte immer weiter und weiter entwickelt – es entsteht mit der Zeit ein Innovationszyklus. Aber normalerweise dauert es schon ein bis eineinhalb Jahre bis ein Produkt marktreif ist. Hier hat uns auch unser lokales Netzwerk BioLAGO sehr unterstützt und beispielsweise Kontakte zu Anwendern ermöglicht.“
Doppelbelastung kann auch Spaß machen
Die junge Biotechfirma besitzt eine umfangreiche Enzymkollektion an Standard-Polymerasen und zahlreichen Varianten aus eigenen Entwicklungen.
© myPOLS Biotec GmbH
Die Vereinbarkeit mit seinem Beruf – den Verpflichtungen in Forschung und Lehre an der Uni – sei kein Problem, sagt der Wissenschaftler: „Es geht schon irgendwie. Aber es gibt immer viel zu tun, ein „9-to-5-Job“ ist das nicht. Manche Leute gehen ins Theater, ich eben in die Firma. Das kann man auch mal am Samstagabend um acht machen, mir macht das auch zu Unzeiten Spaß.“ Auch Patente und Publikationen würden sich nicht gegenseitig ausschließen, so Marx. „Da gab es noch nie ein Problem. Es ist aber natürlich auch nicht so, dass man jede Arbeitsstunde abrechnet. Darum geht es auch nicht – viel Geld zu verdienen, wenn man mit Herzblut dabei ist.“ Allerdings würden beide Tätigkeiten auch voneinander profitieren: „Es fließen natürlich Erkenntnisse aus der Uni-Forschung rein, aber auch wissenschaftliche Probleme und Bedürfnisse umgekehrt aus der Firma raus, und man kann dadurch immer wieder blanke Felder für neue anwendungsorientierte Grundlagenforschung finden“, sagt er.
Auch für den Biochemiker Kranaster ist Selbstständigkeit die perfekte Wahl. Vor allem die Arbeit mit Nukleinsäuren hat ihn schon immer fasziniert, wobei er natürlich auch das Risiko nicht unterschätzt: „Aber das ganze Leben ist ein Risiko“, meint er lapidar. Und fügt hinzu: „Manchmal bewegt mich das, manchmal auch nicht. Aber grundsätzlich komme ich schon gut damit klar, dass ich Verantwortung für Firma und Leute habe.“ Bei myPOLS gibt es derzeit drei festangestellte Mitarbeiter plus einer wechselnden Anzahl an Praktikanten. Hier würde der Geschäftsführer gerne noch wachsen: „Es gibt noch so viele interessante Themen, wir könnten locker 50 Leute beschäftigen, wenn uns jemand das Geld geben würde. Wir haben ja am Anfang gute Förderung genossen, sind aber jetzt komplett eigenständig. Da muss man sich schon bei jedem Experiment überlegen, ob sich das am Ende des Tages auch rechnet.“
Auftragsforschung bringt Geld für eigene Entwicklungen
Wünsche für Spezialpolymerasen gibt es an myPOLS einige, und das nicht nur aus Deutschland: Die meisten Aufträge kommen zwar aus der Nähe, aber Auftragsforschung wurde auch schon für Unternehmen aus den USA gemacht. „Dabei ist für die Forschungsarbeiten natürlich alles vertraglich geregelt“, berichtet Marx. „Wir geben das von uns in diesen Projekten generierte IP ab und bekommen dafür Geld, das wir wieder in eigene Entwicklungen stecken können. Natürlich kommen wir auch immer mal wieder an unsere Grenzen – je nach der Größe des Problems. Aber bisher waren alle unsere Kunden zufrieden, und das ist schön für uns.“ Und Kranaster ergänzt: „Unsere Beratung schlägt sich auch nicht im Preis nieder. Wir stecken in die Projekte schon viel Zeit rein, wenn der Kunde später auch ausreichende Mengen bei uns einkauft. Aber wir haben einige Kunden, die schon von vornherein für die Entwicklung bezahlen – das ist in etwa halb halb – wir hätten nicht gedacht, dass so viele an Auftragsforschung interessiert sind. Es gibt jedoch auch immer wieder Leute, die lediglich Standard-Polymerasen bei uns einkaufen, denn im Detail gibt es doch Qualitätsunterschiede, etwa in Reinheit, Aktivität oder der Formulierung. Wir haben beispielsweise einen Kunden, der seine Enzyme nur bei uns einkauft, weil er damit schnellere Reaktionen durchführen kann.“