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Aufmerksamer Beobachter des Stoffwechsels

Der Physiker Dr. Jan-Bernd Hövener macht die Magnetresonanztomografie klein und schwach und möchte gerade dadurch krankhafte Stoffwechselvorgänge und Tumoren aufspüren. Die International Organization for Medical Physics hat den Freiburger am 9. Juni 2015 mit ihrem wichtigsten Preis für aufstrebende Wissenschaftler, dem "Young Scientist Award in Medical Physics", ausgezeichnet.

Die Magneten, mit denen Dr. Jan-Bernd Hövener an der Hyperpolarisierung arbeitet, sind nur einen Bruchteil so groß wie konventionelle Geräte (im Hintergrund). © J. Faber/Universitätsklinikum Freiburg

Jan-Bernd Höveners Forschung beginnt auf dem Dach des Neurozentrums des Universitätsklinikums Freiburg. In einem kleinen Verschlag stellt der Physiker das her, was später einmal helfen soll, den Stoffwechsel eines Organs zu messen und Tumoren früher zu finden: Es ist das Gas Parawasserstoff. „Die Anlage muss auf dem Dach stehen, damit sich der Wasserstoff bei einem Leck sofort verdünnt und nicht explodieren kann", erklärt Hövener, der nach Stationen in Nizza (Frankreich), Heidelberg, New York und Pasadena (USA) seit Mitte 2009 an der Klinik für Radiologie des Universitätsklinikums Freiburg tätig ist. Seit Mitte 2014 leitet er hier die Emmy-Noether-Forschungsgruppe "Metabolische und Molekulare MRT", die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wird. Mit seiner Arbeitsgruppe untersucht er ein Phänomen, das sich Hyperpolarisierung nennt und die klinische Bildgebung grundlegend verändern könnte.

Schon während seines Physik-Studiums entdeckte Hövener seine Begeisterung für die Medizin-Physik. „Mir war und ist wichtig, dass am Ende meiner Arbeit eine konkrete Anwendung steht. Etwas, das den Menschen oder der Gesellschaft wieder zu Gute kommt", sagt Hövener. Obwohl er erst 35 Jahre alt ist, forscht Hövener schon seit zehn Jahren an der Weiterentwicklung der Magnetresonanztomografie, kurz MRT. Für seine Studien erhielt Hövener kürzlich den "2014 IUPAP Young Scientist Award in Medical Physics " der von der International Union for Pure and Applied Physics (IUPAP) finanziert und von der International Organization for Medical Physics vergeben wird. IUPAP ist die weltweit größte Organisation für Medizin-Physik und zeichnet jährlich einen Wissenschaftler unter 45 Jahren für besondere Leistungen aus.

Bildgebung ohne Strahlenbelastung

Bereits Anfang der 1970er Jahre wurde entdeckt, dass mithilfe von magnetischen Wechselwirkungen Bilder aus dem Körperinnern erstellt werden können. Im Jahr 2003 wurde diese Erkenntnis sogar mit einem Nobelpreis gewürdigt. Seitdem ist die MRT eines der wichtigsten und am weitesten verbreiteten bildgebenden Verfahren in der Medizin. Mit den Tomografen der neuesten Generation, wie sie auch am Universitätsklinikum Freiburg eingesetzt werden, lassen sich Filmsequenzen erstellen, Gefäße genauestens darstellen und das Gehirn in Struktur und Funktion abbilden. Anders als beim Röntgen und der Computertomografie werden die Patienten dabei nicht durch schädliche Strahlung belastet.

Das MRT-Signal basiert auf den magnetischen Eigenschaften von Wasserstoff-Atomkernen. Diese Kerne besitzen einen sogenannten Kernspin, die sich in einem Magnetfeld ausrichten, ähnlich einer Kompassnadel im Erdmagnetfeld. Durch eine Anregung von außen werden diese ‚subatomaren Kompassnadeln' ausgelenkt. Nach Ende der Anregung senden sie selbst ein schwaches Signal aus, aus dem das MRT-Bild berechnet wird. Wie sich dieses Signal verhält, gibt Aufschluss über die Gewebestruktur.

Immer stärkere Magnete

Doch anders als beim Wanderkompass, der selbst im schwachen Erdmagnetfeld  stets nach Norden zeigt, sind die Kernspins nur sehr schwach magnetisch. Darum geht die Entwicklung zu immer stärkeren MRT-Magneten. „Die im Klinikalltag eingesetzten Magnete haben mittlerweile eine Stärke von 1.5 bis 3 Tesla. Ein Magnet auf dem Schrottplatz, der Autos anhebt, kommt nur auf ein Zehntel dieser Stärke", veranschaulicht es Hövener.

Doch selbst diese Hochleistungsmaschinen richten nur einen Bruchteil der vorhandenen Wasserstoff-Atome aus. „Wenn man jedem Freiburger einen Kompass in die Hand gibt, zeigen alle etwa 200.000 Nadeln nach Norden. Betrachten wir aber 200.000 Atome im MRT, bekommen wir nur von zwei Spins ein Signal - und das, obwohl das Magnetfeld fünfzigtausend Mal stärker ist als das der Erde. Nur diese beiden Spins können wir im MRT sehen. Diesen Bruchteil, zwei von 200.000, bezeichnen wir als thermische Polarisation", so Hövener.

Alternative Effektverstärkung durch Hyperpolarisierung

Mittlerweile kennen Wissenschaftler eine Reihe von Tricks, um Moleküle so zu behandeln, dass sich mehr Kernspins ausrichten lassen und damit im MRT besser sichtbar sind. Die Wissenschaftler sprechen von Hyperpolarisierung. Doch die bisherigen Ansätze haben Schwachstellen: Die Moleküle sind nur für kurze Zeit hyperpolarisiert, jede MRT-Messung zerstört einen Teil der Magnetisierung und eine Re-Magnetisierung der Zielmoleküle ist auch nicht möglich.

Bei einem normalen MRT (links) wird gerade einmal das Signal von wenigen Atomen aus einer Million verwertet werden (rot markierte Pfeile). Wurden die Atome vorher hyperpolarisiert (rechts), ist die Ausbeute um ein Vielfaches höher. © JB Hövener/Universitätsklinikum Freiburg

Hier kommt der Parawasserstoff ins Spiel, den Hövener hoch oben auf dem Neurozentrum erzeugt. In einer Flasche wird das Gas tief in den Keller des Neurozentrums gebracht, wo Hövener mit seinen Mitarbeitern an seinen Versuchsaufbauten schraubt und lötet. „Parawasserstoff kann über Katalysatormoleküle sehr viele Zielmoleküle magnetisieren. Zwar zerstört auch hier die Messung den Effekt, aber Parawasserstoff bleibt erhalten und polarisiert sofort wieder Moleküle, solange ein passendes Magnetfeld vorhanden ist", sagt Hövener.

Diesen Effekt, den Hövener als kontinuierliche Hyperpolarisierung bezeichnet, haben er und Kollegen aus York, Großbritannien, an dem Molekül Pyridin erstmals nachgewiesen und in der angesehenen Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Kürzlich gelang es ihnen, den Effekt auch theoretisch zu beschreiben. Zudem haben sie den Effekt an einem Biomolekül (Nikotinamid) wiederholt, das an vielen Vorgängen des Zellstoffwechsels, wie etwa der Atmungskette, beteiligt ist. Doch der neue Ansatz reicht weit über die Verwendung dieses Biomoleküls hinaus. „Wir haben die Hoffnung, dass sich das Verfahren auf andere Biomoleküle anwenden lassen kann, wie zum Beispiel Aminosäuren, die Grundbausteine der Proteine", sagt Hövener.

Kleinere und günstigere Geräte mit erweiterter Funktionalität

Speziell in der klinischen Verwendung könnte die neue Methode von großem Nutzen sein. „Für unsere Messungen brauchen wir ein Magnetfeld, das 300 mal schwächer ist als das heutiger MRT-Geräte. Für die Erzeugung genügt eine Autobatterie und der Magnet wiegt nicht mehrere Tonnen, sondern nur zwei Kilogramm. Aus technischer Sicht müsste ein solches Gerät vermutlich nicht viel größer als drei Schuhkartons sein", sagt Hövener. Aber neben geringerer Größe und damit niedrigeren Kosten könnten diese MRT-Geräte molekulare Vorgänge darstellen und so beispielsweise in der Tumorfrüherkennung eingesetzt werden. Denn Krebsgewebe hat einen deutlich veränderten Stoffwechsel und wäre mit der neuen Methode vermutlich früher erkennbar als bisher. Auch Patienten, die heute aufgrund von Herzschrittmachern oder Operationsschrauben im Körper für ein MRT nicht in Frage kommen, ließen sich wohl in einem solchen MRT untersuchen.

Ein scheinbarer Nachteil der Methode ist, dass in den Organismus ein Kontrastmittel eingebracht werden muss, das als Katalysatormolekül zwischen Parawasserstoff und Zielgewebe vermittelt und dadurch die Bildgebung erst ermöglicht. Doch dieser vermeintliche Nachteil könnte auch zum Vorteil gereichen: Denn auf diese Weise ließen sich spezifisch nur das entsprechende Gewebe oder Zellen mit bestimmten Eigenschaften darstellen.

Vom Reagenzglas in den Klinikalltag

Noch funktioniert die kontinuierliche Hyperpolarisierung bei Hövener nur im Reagenzglas. Doch auch wenn der Physiker derzeit nicht recht wagt, von einem Einsatz der Methode im Klinikalltag zu träumen: Seine Studien führen genau in diese Richtung. „Das Einatmen von Wasserstoff-Gas wird derzeit als therapeutische Maßnahme diskutiert. Sollte sich das als sicher herausstellen, könnten in Zukunft die Patienten ein Kontrastmittel gespritzt bekommen, das dann vom Parawasserstoffgas hyperpolarisiert wird. So könnten wir gezielt krankhafte Veränderungen erkennen", so Hövener.

Ersetzen wird Höveners Methode die klassische MRT nie. Denn dort, wo große Gewebeverbände untersucht werden sollen, wo anatomische Bilder ausreichen und wo Kontrastmittel nicht eingesetzt werden können, bleibt die normale MRT die Methode der Wahl. Dort aber, wo es darauf ankommt, Informationen über den Stoffwechsel zu erhalten oder bestimmte Zellen im Gewebe zu finden, könnte die Hyperpolarisierung eine wichtige Lücke schließen. Bis es so weit ist, forscht Hövener weiter - hoch oben und tief unten am Universitätsklinikum Freiburg.

Literatur

Hövener, J.-B. et al. A hyperpolarized equilibrium for magnetic resonance (2013). Nat. Commun, 4:2946. doi: 10.1038/ncomms3946.
http://www.nature.com/ncomms/2013/131216/ncomms3946/full/ncomms3946.html

Hövener, J.-B., Knecht, S., Schwaderlapp, N., Hennig, J. and von Elverfeldt, D. Continuous Re-hyperpolarization of Nuclear Spins Using Parahydrogen: Theory and Experiment (2014). ChemPhysChem, 15:2451–2457. doi: 10.1002/cphc.201402177.
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/cphc.201402177/abstract

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