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Biotech als Querschnittstechnologie – das Beispiel SÜDPACK

SÜDPACK Verpackungen ist qualifizierter Folien-Zulieferer für die biopharmazeutische Industrie. Der europaweit führende Hersteller von Verpackungsmitteln für die Lebensmittelbranche hat seine Kompetenzen auch für die biopharmazeutische Industrie bewiesen. Eine seit 2011 laufende, exklusive Kooperationspartnerschaft mit Sartorius Stedim Biotech, einem weltweit tätigen Technologieanbieter für die Pharma-Biotech-Industrie, ist inzwischen vorzeitig verlängert worden.

Diese Kurzmeldung lässt sich auch als Geschichte erzählen. Der fehlt zwar das Spektakuläre und Großsprecherische, dafür aber gibt sie einen kleinen Einblick in die Zukunftsvorsorge erfolgreicher mittelständischer Unternehmen, wie sie typisch für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg ist. Und sie zeigt, wie sich Biotechnologie als Querschnittstechnologie mit neuen Branchen vernetzt.

Kunststoff statt Edelstahl für Fermenter

Ingo Schnellenbach, Direktor bei SÜDPACK Medica © SÜDPACK Medica

Wurden Biologicals noch vor rund zehn Jahren meist in Bioreaktoren aus Edelstahl produziert, haben seither vermehrt kunststoffbasierte Single-Use-Systeme (SUS) in die biopharmazeutische Entwicklung und Produktion Einzug gehalten. Für große Fermenter ab 2.000 Liter gilt Edelstahl weiterhin als Regelfall.

Warum Einweg-Kunststoffe statt Mehrweg-Edelstahl? Sie sind kostengünstiger, haben ein geringeres Kontaminationsrisiko, lassen sich schneller implementieren und machen den Herstellprozess flexibler. Damit hat jüngst (04.11.2016) der Auftragsfertiger Rentschler Biotechnologie begründet, warum er seine Produktion um eine weitere Single-Use-Anlage erweitert hat.

Zurück in die Zeit, als Kunststoffe als Alternativmaterial für die biopharmazeutische Herstellung in den Fokus rückten, zurück in die Jahre vor 2000. Damals schon, so schildert es Ingo Schnellenbach, Direktor bei SÜDPACK Medica, suchten die technologieaffinen Eigentümer der SÜDPACK-Gruppe, die Familie Remmele, nach einem „neuen Standbein“. Bei CDP Laboratoires, Hersteller für medizinische Sterilgutverpackungen, eröffnete sich die Möglichkeit, in ein komplett anderes Geschäft einzusteigen. 2003 wurde diese Firma übernommen und in die SÜDPACK Medica integriert.

SÜDPACK-Eigentümer schlagen 2007 neuen Weg ein

Eingehauste Produktionsstätte am Standort Ochsenhausen © SÜDPACK

Damit öffneten sich Türen zu neuen Geschäftspartnern wie Sartorius, zu diesem Zeitpunkt als Abnehmer von Sekundärpackstoffen. „Was zunächst in kleinen Projekten startete, wurde 2011 langfristig vertraglich fixiert“, erinnert sich Schnellenbach. Die Eigentümerfamilie entschied sich, diesen neuen Weg zu gehen und in das überaus anspruchsvolle Biopharma-Geschäft einzusteigen. 2007 hatte Sartorius seine Biotechnologie-Sparte mit dem französischen Biotech-Zulieferer Stedim zusammengelegt. Mit dem „Vorreiter und führenden Anbieter von Einwegbehältern (Bag-Technologien) für biopharmazeutische Anwendungen“ (Sartorius über Stedim) wollte der Konzern zu einem weltweit führenden Technologieanbieter für die biopharmazeutische Industrie avancieren.

Danach intensivierten sich die Kontakte, erste Entwicklungs-„Gehversuche“ begannen. 2011 wurde die exklusive Kooperation über die Entwicklung, Herstellung und Belieferung von Folien aus Polymer-Kunststoffen für den biopharmazeutischen Markt publik gemacht. Aus diesen Folien werden Einwegbeutel und -systeme verarbeitet, die in der biopharmazeutischen Produktion für die Zellkultivierung, den Transport und die Lagerung biopharmazeutischer Flüssigkeiten verwendet werden. Inzwischen liefert Ochsenhausen das Rohmaterial, das Sartorius Stedim Biotech für die Herstellung und Konfektionierung von 2D- und 3D-Bags und Bioreaktoren verwendet.

Folienproduktion unter Pharma-Bedingungen

Am Standort Ochsenhausen wurde eine höhere einstellige Millionen-Summe in die Pharma-Folienproduktion investiert. Heute werden bei SÜDPACK Folien, die in der Pharmaindustrie verwendet werden, in speziell dafür geschaffenen Einhausungen unter kontrollierten Bedingungen gefertigt. Bei Überdruck und unter klimatisierten Bedingungen, in Schutzkleidung und mit einem überproportional hohen Reinigungs- und Kontrollaufwand werden die Folienexperten so den außergewöhnlich hohen Anforderungen dieser Branche gerecht. Damit bleibt die biologische Belastung eines Materials (Partikel, Keime, Mikroorganismen) möglichst gering. „Das ist der größte Wechsel im Vergleich zur klassischen Fertigung von Folien im Lebensmittelbereich: das stetige, immer wiederkehrende Garantieren und Überprüfen von Prozess- und Produktsicherheit", erläutert SÜDPACK-Manager Schnellenbach.

Prinzip der kontrollierten Fertigung

Single-Use-Biofermenter © Sartorius Stedim Biotech

Im Prinzip lässt sich der Prozess der Folienherstellung für biopharmazeutische Anwendungen mit dem für Lebensmittelverpackungen vergleichen. Pharma-Zulieferer, ergänzt Schnellenbach, sind darüber hinaus zur kontrollierten Fertigung verpflichtet, die Prozesse sind präzise festgeschrieben und unterliegen einer festgelegten Änderungskontrolle. Dies gilt auch für die Rezepturen des Granulats, aus dem in Ochsenhausen Folien extrudiert werden. Auch die Lieferkette und die sichere Versorgung mit den gleichen Granulaten, sowie die Dokumentation, das Freigabe-Prozedere und die begleitenden Messungen im Zuge der kontrollierten Fertigung müssen den Standards der Pharmazeutischen Industrie genügen.

Sicherheit ist das A und O in der biopharmazeutischen Entwicklung und Produktion. Als größte Risiken gelten Extractables und Leachables, die aus dem Polymer-Material in den Wirkstoff wandern können. Extractables sind Bestandteile, die bei überhöhter Zeit, Temperatur oder bei Verwendung von Lösemitteln aus Kunststoffen migrieren können. Leachables gelten als größere Gefahr, weil sie bei normalen Prozessbedingungen auftreten. Hauptquelle der Leachables sind Additive, die bei der Extrusion in der Beutelherstellung oder der Gamma-Sterilisation entstehen und als wasserlösliche Bestandteile aus dem Polymer austreten können. Sie können die Zellkultivierung stören, die Proteinaggregation fördern und bei parenteraler Verabreichung auch den Patienten gefährden. (Dechema, Recommendation, S. 6f.)

Potenziellen Risiken, die sich aus dem Ursprung des Polymermaterials ergeben, beugt SÜDPACK vor: Das für Single-Use-Anlagen verwendete Material darf so wenig wie möglich mit dem biologischen Material oder dem Prozessmedium wechselwirken. Diese unerwünschten Wechselwirkungen können Extractables und Leachables, Adsorption, Neben- oder Abbauprodukte sein.

Das Risikomanagement beginnt frühestmöglich, nicht erst in Ochsenhausen, sondern schon beim Granulatzulieferer, erläutert Schnellenbach. Hier wird verständlich, wie die beiden Entwicklungspartner voneinander profitieren, wenn sie auch sonst verständlicherweise nicht in Details schwelgen. Mit SÜDPACK hat die Pharma-Branche einen kompetenten Partner in der Kunststoffindustrie gefunden. Hieraus erwachsen wohl weitere Entwicklungen für die Konfektion von Einweg-Bioreaktoren. Die jahrzehntelange Erfahrung des Partners Sartorius Stedim Biotech im Umgang mit Leachables und Extractables wird der Entwicklung biopharmazeutisch tauglicher Polymere sicherlich zugutekommen.

„Die exzellente technisch-wissenschaftliche Kooperation beider Firmen hat nicht nur zu neuen Filmen und Anwendungen für die biopharmazeutische Industrie geführt, sondern legt auch die Basis für weitere Entwicklungen von neuen Folien mit verbesserten Eigenschaften, wie zum Beispiel in Bezug auf Robustheit, Biokompatibilität und Reinheit,“ sagt Prof. Oscar-Werner Reif, Forschungs- und Entwicklungsvorstand bei Sartorius Stedim Biotech.

Kleiner, feiner Markt mit langfristigem Potenzial

Folien für die Biopharmazie sind kein Massenmarkt. Es handelt sich hierbei nicht um ein Volumengeschäft. SÜDPACK legt den Fokus in diesem Geschäft auf das Entwicklungs- und Produktions-Know-how. „Wir beliefern hier eine Hightech-Branche, deren Markt seit Jahren wächst. Die Verantwortung, aber auch die Chance, die sich für das Unternehmen dahinter verbirgt, ist den Mitarbeitern, die diese Sparte bedienen, bewusst“, so Schnellenbach. Die Produktion bewegt sich bei Biopharmazie-Folien im Kilobereich. Verglichen mit den Tonnagen an Material, die SÜDPACK täglich an die Lebensmittelbranche liefert, handelt es sich mengenmäßig um ein kleines Geschäft.

Von den Erfolgen der Partnerschaft und einem guten gemeinsamen Weg ist man in Ochsenhausen überzeugt. Dass die Kooperationspartnerschaft vorzeitig verlängert wurde, darf wohl als Bestätigung des eingeschlagenen Weges gewertet werden. Den Eigentümerfamilien Remmele/Grimbacher und Ingo Schnellenbach war von Anfang klar, dass dieser Weg und das notwendige langfristige Engagement eines Tages erfolgreich sein wird: „das Ernten ist ein Prozess, der erst sehr viel später kommt“.

Hier, so ließe sich schlussfolgern, zeigt sich das unternehmerische Denken, das den Mut aufbringt, nicht irgendetwas Ähnliches, sondern etwas völlig Neues zu schaffen.

Literatur

Dechema (Hg.): Recommendation for a risk analysis for production processes with disposable bioreactors, Working Group Single-Use-Technology, Frankfurt/Main, October 2015.

Assuring film quality, in: European Biotechnology, Autumn Edition, Vol. 13, 2014, S. 70f.

Transkript 10/2014: Immer der gleiche Film. Interview mit Stefan Schlack, https://www.sartorius.de/fileadmin/media/global/company/2014_10_article_technical_press_transkript_interview_schlack.pdf

Jean-Marc Cappia, Magali Barbaroux, Elisabeth Vachette, Carole Langlois and Heiko Hackel: Enhanced Assurance of Supply for Single-Use Bags: Based on Material Science, Quality By Design, and Partnership with Suppliers, Bioprocess International, 23. September 2014, in: http://www.bioprocessintl.com/manufacturing/supply-chain/enhanced-assurance-supply-single-use-bags-based-material-science-quality-design-partnership-suppliers/

Dechema (Hg.): Empfehlung für Leachable-Studien. Standardisierter Zellkulturtest zur Identifizierung kritischer Filme, Arbeitskreis Single-Use-Technologie, Frankfurt/Main Januar 2014 (1. Auflage) http://dechema.de/dechema_media/SingleUse_Empfehlung_Leachables_2014-p-4692-view_image-1-called_by-dechema-original_site-dechema_eV-original_page-124930.pdf

Dechema (Hg.): Single-Use-Technologie in der biopharmazeutischen Produktion. Statuspapier des temporären Arbeitskreises , Frankfurt/Main 2012 (2. Auflage). http://dechema.de/dechema_media/StatPap_SingleUse_2011-p-4296-view_image-1-called_by-dechema-original_site-dechema_eV-original_page-124930.pdf

Sartorius Stedim Biotech und Südpack Medica AG unterzeichnen exklusiven Kooperationsvertrag, Pressemitteilung von Südpack und Sartorius Stedim Biotech, 14.6.2011.

Dechema (Hg.): Single-Use-Technologie von A bis Z, Frankfurt/Main Januar 2016, online unter: http://a-z-singleuse.org/

http://www.industrie.com/emballage/pharmacie/cdp-laboratoires-un-champion-cache-dans-l-orne.11398

Sartorius Stedim Biotech Launches New Generation of Single-Use Bags, Flexsafe, in: Biopharm International, 4.6.2014,

Extractables and Leachables Safety Information Exchange: Firmenkonsortium aus z. Zt. 18 Firmen aus Biotech, Pharma und Medizintechnik: http://www.elsiedata.org/

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/biotech-als-querschnittstechnologie-das-beispiel-suedpack