Crowdfunding: Neue Geldquelle für die Gesundheitsbranche?
Das neue Trend-Finanzierungsinstrument Crowdfunding ist derzeit in aller Munde, denn die sogenannte Schwarmfinanzierung eröffnet eine neue Möglichkeit, Geld zur Realisierung unterschiedlichster Projekte zu akquirieren. Das Finanzierungsmodell basiert auf der simplen Idee, mit dem Sammeln vieler Kleinbeträge die Summe für ein großes Projekt einzutreiben. Erstmals in Deutschland wird jetzt mit dem Wirkstoff RIBOXXIM eine klinische Studie über den Schwarm finanziert. Das Funding über die Crowdfunding-Plattform Seedmatch wurde Anfang 2015 abgeschlossen. Auch die aescuvest GmbH betreibt ein Crowdinvesting-Portal, das sich auf Projekte aus dem Gesundheitsmarkt spezialisiert. Doch ist die neue Finanzierungsform generell für die Life Sciences geeignet?
Die Internetplattform prüft das Projekt und regelt den Zahlungsverkehr zwischen den Parteien.
© BioLAGO
Das Konzept des Crowdfunding ist einfach: Viele Menschen erbringen einen kleinen Betrag, der zusammengenommen ausreicht, um ein großes Projekt zu finanzieren. Ermöglicht wird das vor allem durch entsprechende Plattformen im Internet, auf denen Einzelpersonen oder Unternehmen ihr Projekt vorstellen. Auf diese Weise sollen Interessierte gefunden werden, die bereit sind, Geld in Form einer stillen Beteiligung zu investieren.
Dieses Finanzierungsmodell ist vor allem für Start-ups interessant, die so die Chance erhalten, ihr Projekt schnell und unabhängig von großen Kreditgebern zu realisieren und so auch mit wenig Eigenkapital und ohne Bankkredite ihre Ideen umzusetzen. Im Idealfall bringt diese „Schwarmfinanzierung“ für beide Seiten Vorteile. Der Projekterfinder tritt über die Plattform in direkten Kontakt zu möglichen Investoren. Die Investoren bringen jeweils nur kleine Beträge in das Projekt ein, was das Risiko für den Einzelnen minimiert. So kommen Personen mit guten Ideen mit Menschen zusammen, die diese Ideen wertschätzen und bereit sind, sie zu unterstützen.
Crowdfunding-Plattform speziell für die Gesundheitsbranche
Webseiten, auf denen sich die unterschiedlichsten Geschäftsideen präsentieren können, gibt es mittlerweile unzählige. Diese haben aber nicht nur die Aufgabe, die beiden Partner zusammenzubringen. Sie treffen meist auch eine Vorauswahl an seriösen Projekten und regeln den Zahlungsverkehr zwischen den Parteien. Mit der aescuvest GmbH gibt es nun erstmals im deutschsprachigen Raum ein Crowdinvesting-Portal, das sich auf Projekte aus der Gesundheitsbranche spezialisiert hat.
Alle Geschäftsmodelle sollen hier zunächst von Experten auf ihre ethische, medizinische und rechtliche Vertretbarkeit hin geprüft werden. Weiter muss ein Businessplan die Wirtschaftlichkeit des Projekts belegen. Hat das Geschäftsmodell diese Prüfungen erfolgreich durchlaufen, wird der Betrag festgelegt, den das Projekt benötigt, um erfolgreich starten zu können. Ab hier entscheiden dann die potenziellen Investoren, ob die Idee in die Realität umgesetzt wird. Als Kleininvestor einbringen kann sich ab einem Betrag von 250 EUR jede natürliche Person, aber auch Unternehmen. Wenn bis zu einem vorher vereinbarten Stichtag nicht die volle Summe beisammen ist, geht das Geld an die Investoren zurück. Wird das Anlagevolumen allerdings erreicht, kann das Projekt starten. Erweist sich das Geschäftsmodell als erfolgreich, werden die Zinsen über die Plattform an die Investoren ausgeschüttet. Die Kleinanleger müssen für diesen Service nicht bezahlen, für die Unternehmer ist das Einstellen ihrer Idee hingegen mit einer Gebühr verbunden.
Finanzierung von klinischen Tests durch den Schwarm
Dr. Jacques Rohayem, Geschäftsführer der Riboxx GmbH, bringt sein Projekt mittels Crowdfunding erfolgreich in die nächste Phase.
© Riboxx GmbH
Doch auch vor aescuvest gab es in Deutschland Projekte der Gesundheitsbranche, die die neue Finanzierungsform für sich nutzten. Mit der Riboxx GmbH präsentierte sich 2014 erstmals in Deutschland ein Biotech-Unternehmen auf einer Crowdfunding-Plattform, um Finanziers für die Durchführung klinischer Tests zu suchen.
Die Firma, die 2009 als Spin-off aus der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden ausgegründet wurde, will mit Hilfe des neuen Trend-Finanzierungsinstruments die Entwicklung eines Medikaments umsetzen. Das Präparat soll dabei helfen, das Immunsystem anzukurbeln, um möglichen Rückfällen bei Krebspatienten vorzubeugen. Mittlerweile ist die Finanzierunsgsumme von 1 Million EUR zusammengekommen. Das bedeutet, dass das Projekt erfolgreich in die nächste Phase gehen kann.
„Das Crowdfunding hat eine unabhängige Finanzierung unseres Vorhabens ermöglicht. Denn als kleines Biotech-Unternehmen wären wir ohne die Schwarmfinanzierung auf die Zusammenarbeit mit einem großen Pharmakonzern angewiesen gewesen. So aber haben wir die Möglichkeit, unabhängig zu forschen“, erklärt Dr. Jacques Rohayem, Geschäftsführer der Riboxx GmbH. Weiter gibt die Trendfinanzierungsform dem Unternehmen auch die Möglichkeit, die Firma und ihre Technologien bekannt zu machen.
„Die Menschen, die uns durch Crowdfunding unterstützen, nenne ich Life-Investoren, denn sie investieren in den Kampf gegen Krebs und damit in das Leben“, so Rohayem. „Wer in Riboxx investiert, ist nicht in erster Linie am wirtschaftlichen Erfolg des Produkts interessiert, sondern möchte die Chance nutzen, an einer Innovation in der Krebsbekämpfung mitzuwirken“, erläutert er die Motivation seiner Investoren.
Wer gewinnt, wer verliert?
Während Crowdinvestoren den großen Vorteil haben, dass sie bereits ab einer geringen Investitionssumme Teil eines großen Projekts werden können, profitiert das Unternehmen durch die Unabhängigkeit, die das neue Finanzierungsinstrument gewährleistet. Doch kann es sich auch als Nachteil erweisen, ohne festen Geldgeber aufzutreten. Denn gerade junge Unternehmen profitieren von der Expertise und dem soliden Netzwerk eines erfahrenen Investors. Und auch für die Kleinanleger birgt das Crowdfunding einige Risiken. Oft wird versucht, Investoren durch vollmundige Versprechungen über das zu realisierende Produkt zu einem Investment zu verleiten. Doch gerade in der Biotech- und Gesundheitsbranche sind die Unternehmensziele für den Laien nicht immer nachvollziehbar. So kann es sein, dass in eine Idee investiert wird, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.
Die meisten Kleininvestoren beteiligen sich in Form eines Nachrangdarlehens. Das heißt, sie verleihen als Privatperson Geld an das durch Crowdfunding finanzierte Projekt. Diese Regelung ist wichtig, da eine Privatperson nach deutschem Recht kein konventionelles Darlehen vergeben darf. Das bedeutet aber auch, dass der Crowdinvestor sein Geld auch im Erfolgsfall erst dann erhält, wenn die Forderungen der anderen Gläubiger bedient worden sind. Im schlechtesten Fall kann es dadurch zu einem Totalausfall der eingezahlten Summe kommen.
Insgesamt ist Crowdfunding ein gutes Finanzierunginstrument für junge Unternehmen, die ihr Projekt zeitnah und unabhängig von einem großen Kreditgeber verwirklichen wollen. Aber das Finanzierungsmodell kann nur dann funktionieren, wenn ein guter Businessplan vorliegt und das Konzept für die Entwicklung und Vermarktung des neuen Produkts in der Realität umgesetzt werden kann. Sind all diese Faktoren gewährleistet, kann die Schwarmfinanzierung auch in der Gesundheitsbranche erfolgreich sein.