CureVac und Boehringer Ingelheim - zwei starke Partner im Kampf gegen Krebs
Eine deutsch-deutsche Partnerschaft treibt die Immuntherapie gegen Lungenkarzinome voran: Die Tübinger CureVac GmbH kooperiert mit dem Unternehmensverbund Boehringer Ingelheim. Ziel der Zusammenarbeit ist die Entwicklung einer Therapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms mit dem Impfstoff CV9202 von CureVac. Der Wirkstoff basiert auf Messenger-RNA und soll in Kombination mit anderen Therapieformen eingesetzt werden, um den Krebs zugleich an mehreren Fronten zu bekämpfen.
Dieser Teil der GMP-Anlage von CureVac ist die Abfüllanlage mit der höchsten Reinraumklasse A.
© CureVac GmbH
Die Chemie stimmt offensichtlich: CureVac und Boehringer hatten bereits seit Längerem partnerschaftliche Kontakte in Forschung und Entwicklung und damit Zeit, sich gegenseitig zu beschnuppern. Im September 2014 verkündeten die beiden Unternehmen ihre Kooperation im Kampf gegen das Lungenkarzinom. „Boehringer Ingelheim ist eines der Top-20-Pharmaunternehmen weltweit und damit ein attraktiver Partner. Zudem ist das Unternehmen offen für neue Technologien, und die therapeutischen CureVac-Vakzine passen gut zu deren Portfolio. Die Kooperation bedeutet für uns auch eine Validierung unseres Ansatzes und der gesamten RNActive-Plattform, was uns besonders freut", sagt Dr. Florian von der Mülbe, Mitgründer von und Chief Operating Officer bei CureVac.
Finanziell ist die Kooperation in jedem Fall ein Schwergewicht in der Branche und hat entsprechend für Aufsehen gesorgt. Mit der Vertragsunterzeichnung erhielt CureVac 35 Millionen Euro und kann im weiteren Verlauf der Kooperation mit dem Erreichen bestimmter Meilensteine bis zu 430 Millionen Euro zusätzlich erhalten. Hinzu kommen noch Lizenzgebühren im Fall der Markteinführung.
Die Produktion des therapeutischen Impfstoffes verbleibt bei CureVac, wie von der Mülbe erklärt: „Wir kooperieren zwar auf allen Ebenen, um das Produkt in die Klinik zu bringen, die Substanz selbst wird jedoch nicht verändert. Wir haben weiterhin die Verantwortung für die Produktion und geben sie als ‚Ready-to-use-Substanz' an Boehringer Ingelheim. In deren Händen liegen die Studien, der gesamte regulatorische Bereich rund um die Zulassung und die Vermarktung. Wir unterstützen unseren Partner dabei und bringen unsere eigene Expertise mit ein." Boehringer Ingelheim wird zunächst drei klinische Studien zur Immuntherapie mit CV9202 starten. Das Besondere daran: Es handelt sich um Kombinationstherapien. Damit wird der Tumor von mehreren Seiten aus in die Zange genommen, um die Behandlungschancen zu erhöhen.
Der Impfstoff im Glasgefäß - das fertige mRNA-Produkt ist ein feines weißes Pulver.
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Kombinierbarkeit ist eine große Stärke des CureVac-Ansatzes
In einer der kommenden Studien werden Patienten mit einem fortgeschrittenen oder metastasierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) sowohl mit CV9202 als auch mit Afatinib behandelt, einem von Boehringer Ingelheim selbst entwickelten Wirkstoff. Afatinib blockiert auf der Oberfläche von Tumorzellen bestimmte Rezeptoren, die für das Zellwachstum wichtig sind. An der Studie nehmen Patienten teil, deren Tumorzellen aufgrund einer Mutation besonders viele dieser Rezeptoren aufweisen. Dadurch stellen diese Zellen ein besonders attraktives Angriffsziel für Afatinib dar.
Durch die konzertierte Aktion aus Afatinib und CV9202 erhoffen sich die Unternehmen eine besonders effektive Tumorbekämpfung. „Es ist durchaus möglich, dass jeweils die gleichen Zielzellen involviert sind. Ob die Kombinationsbehandlung sogar synergistisch und nicht nur additiv wirkt, wird die Studie zeigen. In präklinischen Untersuchungen haben wir jedenfalls bei verschiedenen Kombinationen synergistische Effekte gesehen. Jede Verbesserung der bestehenden Therapien ist ein großer Erfolg für die Patienten", sagt von der Mülbe.
Eine weitere Studie richtet sich an Patienten mit einem inoperablen NSCLC im Stadium III, die als Standardtherapie eine Radiochemotherapie erhalten. Zusätzlich sollen diese Patienten im Rahmen der klinischen Studie mit CV9202 behandelt werden. Und es gibt noch eine dritte Option: Die Kombination von CV9202 mit einem „Checkpoint-Inhibitor", dessen Möglichkeiten das Ludwig Institute for Cancer Research in den USA erforscht. Checkpoint-Inhibitoren blockieren an entscheidenden Punkten (Checkpoints) Signalwege des Immunsystems, die durch Tumoreinwirkung so eingestellt sind, dass das Immunsystem keine T-Zellen aktiviert. Checkpoint-Inhibitoren heben diese Blockade auf, sodass T-Zellen zur Tumorbekämpfung antreten können. Auch hier soll die Kombination mit CV9202 eine besonders effektive und zielgerichtete Tumorbehandlung ermöglichen.
Typisches Labor von CureVac mit einer HPLC-Anlage, die zum Aufreinigen der RNA verwendet wird.
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In den bisherigen, von CureVac selbst durchgeführten Studien hat CV9202 bzw. das Vorgängerprodukt CV9201 bereits Potenzial gezeigt. Der Wirkstoff CV9202 (jetzt BI 1361849) besteht aus einem mRNA-Cocktail, der sechs tumorassoziierte Antigene kodiert. Diese richten sich zum Beispiel gegen Oberflächenproteine, die typischerweise auf den Tumorzellen des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms vorkommen.
Das Prinzip: Die mRNA liefert neben der Bauanleitung von Antigenen, die der Körper dann selbst produziert, auch ein aktivierendes Alarmsignal. Diese Kombination ist essenziell für ein wirksames Vakzin. Das Immunsystem erkennt die Antigene und reagiert darauf, indem es spezifische B- und T-Zellen produziert, die wiederum die Tumorzellen anhand der Tumormarker erkennen und bekämpfen können.
In ersten klinischen Studien zeigte CureVac bereits eine gerichtete Immunantwort und auch ein gutes Sicherheitsprofil der Substanz. „In den klinischen Phase-I- und -IIa-Studien sehen wir keine gravierenden Nebenwirkungen. An den Injektionsstellen traten höchstens leichte vorübergehende Rötungen auf und es kam zum Teil zu grippeähnlichen Symptomen – beides Dinge, die im Sinne der ‚Risk-Benefit-Betrachtung' für Krebspatienten vertretbar und entlang des Wirkprinzips der Reaktionen des Immunsystems sind. Damit unterscheiden sich die Nebenwirkungen sehr positiv von denen anderer Krebsmedikationen", so von der Mülbe.
Dr. Florian von der Mülbe ist Mitgründer und Chief Operating Officer bei CureVac.
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mRNA-Therapeutika – lange unterschätzt, jetzt vor dem therapeutischen Durchbruch?
Es wird zwar noch mehrere Jahre dauern, bis die mRNA-basierte Therapie gegen Lungenkrebs standardmäßig zur Anwendung kommen kann. Die heutigen Erkenntnisse sind jedoch bereits ein großer Schritt zu einer neuen Art der Krebsbekämpfung. „Wir sind Pioniere auf diesem Gebiet und stießen anfangs auf große Skepsis. Zunächst wollte kaum jemand glauben, dass wir mit RNA solche Effekte erzielen können", erinnert sich von der Mülbe. CureVac hat mRNA als Arzneimittel nutzbar gemacht, ohne dass es sich um ein klassisches Arzneimittel handelt, denn mit der mRNA wird „nur" Information übergeben. Im Fall der therapeutischen Impfstoffe besteht die Information darin, dass die mRNA die Bauanleitung für Proteine erhält, die als Antigene wirken und somit eine Abwehrreaktion des Immunsystems auslösen. „Über die Substanz selbst erreichen wir auch einen adjuvanten Effekt, sodass wir keine zusätzlichen Wirkstoff-Verstärker hinzugeben müssen", ergänzt von der Mülbe.
Inzwischen hat CureVac eine ganze Reihe von RNA-Impfstoffen in Arbeit, die außer bei Krebs zukünftig noch bei vielen anderen Erkrankungen eingesetzt werden könnten. Anfang des Jahres rückte CureVac mit den prophylaktischen Optionen seiner Wirkstoffe weltweit ins Rampenlicht: Die Bill & Melinda Gates Foundation investiert 46 Millionen Euro in das Unternehmen und finanziert zusätzlich die Entwicklung von CureVac-Impfstoffen gegen eine Reihe von viralen, bakteriellen und parasitären Infektionskrankheiten. Dies – und auch die Aufstockung des CureVac-Kapitals um 21 Millionen Euro durch CureVacs langjährigen Investor dievini Hopp BioTech holding – zeigt, wieviel Potenzial noch in der Technologie und dem Unternehmen steckt.
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