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Der Pollenmonitor

Kann ich morgen Nachmittag wandern gehen? Im Frühling machen fliegende Gras- oder Baumpollen Allergikern das Leben schwer und vereiteln so manch einen Ausflugsplan. Wie schön wäre da eine exakte Vorhersage von pollenfreien Wochen- oder gar Tageszeiten? Mit dem Gerät zur Analyse von Bioaerosolen, an dessen Entwicklung das Fraunhofer-Institut für physikalische Messtechnik in Freiburg, die Universität Freiburg und der Deutsche Wetterdienst beteiligt waren, rücken solche genauen Vorhersagen in den Bereich des Möglichen.

Praktisch wäre es, nach der Wettervorhersage gleich noch etwas über die voraussichtliche Pollenbelastung am morgigen Vor- oder Nachmittag zu erfahren. Bisher sind solche Prognosen jedoch nicht sehr exakt. Sie basieren auf Daten über Pollenvorkommen in der Luft, die Experten manuell und mithilfe von Lichtmikroskopen ausgewertet haben. „Das Verfahren ist personal- und zeitaufwändig“, sagt Gerd Sulz, Projektleiter am Fraunhofer-Institut für physikalische Messtechnik (IPM) in Freiburg. „Für eine zeitnahe Benachrichtigung der Pollenallergiker kommen die Daten zu spät.“ In den Proben ist viel Schmutz, aus dem die Experten die relevanten Partikel aussortieren müssen. Und weil die Pollen meistens ausgetrocknet sind, ist eine genaue Bestimmung anhand morphologischer Details nicht leicht. Eine genaue Analyse dauert manchmal bis zu zwei Tage.

Ein Kühlschrank mit sensiblem Innenleben

Der Pollenmonitor (Foto: Deutscher Wetterdienst)
Damit aktuellere Analysen möglich werden, förderte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zwischen 2003 und 2006 das Projekt, in dessen Rahmen der Prototyp des Pollenmonitors entstand. Und dieses Gerät ermöglicht eine automatische und zeitlich hoch aufgelöste Analyse von Bioaerosolen in der Luft. An seiner Konstruktion beteiligten sich unter der Koordination von Gerd Sulz das IPM, das Institut für Informatik der Universität Freiburg, der Deutsche Wetterdienst (DWD) und Vertreter aus der Wirtschaft. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, auch wenn es von außen eher an einen großen Kühlschrank erinnert. Im Inneren des Pollenmonitors verbirgt sich nämlich eine komplizierte Technologie, die wesentlich genauer und schneller arbeitet als der beste Experte.
Der Pollenmonitor funktioniert vollautomatisch. Er sammelt seine Luftproben mithilfe einer Pumpe, die ein Luftvolumen von etwa 1.000 Litern pro Minute ansaugt. Alle in der Luftprobe vorkommenden Partikel setzen sich auf einem Probenträger ab, der aus einem speziellen Glyzerin-Gel besteht. Unter Erhöhung der Temperatur sinken sie in das Gel ein und die ausgetrockneten Pollen nehmen Wasser auf, sodass sie wieder in ihre ursprüngliche Form aufquellen. Jetzt sind sie optimal für die mikroskopische Analyse vorbereitet, die eine Meisterleistung an computerbasierter Bilderkennung darstellt. Denn das System muss nicht nur unwichtige Partikel wie Reifenabrieb oder Ruß aussortieren. Es muss auch die relevanten Pollen unabhängig von ihrer Lage im dreidimensionalen Gel erkennen und bestimmen können.

Lernfähige Bilderkennung

Im Inneren des klimatisierten und gegen Erschütterungen gesicherten Pollenmonitors befindet sich ein sensibles Mikroskop, das ein dreidimensionales Bild des Gels mitsamt der darin gefangenen Partikel anfertigt. Dabei ist es auch in der Lage, eine Fluoreszenz-Aufnahme zu machen. Weil biologische Partikel im UV-Bereich fluoreszieren, kann der an das Mikroskop angeschlossene Computer aus dem ganzen Chaos an Schmutz die leuchtenden Pollen herausfischen. Jetzt müssen sie den entsprechenden Bäumen oder Gräsern zugeordnet werden. Und das ist nicht gerade trivial.
Eine mikroskopische Aufnahme der verschiedenen Pollenarten, die der Pollenmonitor selbstständig bestimmen muss (Abbildung: Deutscher Wetterdienst)
„Die verschiedenen Pollenarten lassen sich anhand morphologischer Besonderheiten bestimmen“, sagt Sulz. „Die Herausforderung dabei ist, dass diese Eigenschaften unabhängig von der Lage der Pollen im Gel automatisch bestimmt werden müssen.“ Deshalb zerlegt der Rechner zunächst das Gesamtbild in viele Teilbilder der einzelnen Partikel (z. B. Pollen) und bestimmt für diese charakteristische Merkmale auf der Basis von Grauwerten. Das Resultat ist ein charakteristischer Fingerabdruck, der sich mit bereits bekannten Fingerabdrücken vergleichen lässt. Diese hat der Computer zuvor anhand von Musterpollen einer jeden Baum- oder Grasart gelernt. Der Abgleich mit den Mustern liefert schließlich eine einfache Tabelle, und die gibt Auskunft über das Vorkommen einzelner Pollenarten in der Luftprobe. Über das Internet übermittelt das Gerät sein Ergebnis an den Betreiber.

Frei kombinierbare Komponenten

„Der Pollenmonitor kann stündlich aktualisierte Messungen vornehmen“, sagt Sulz. „Ein dichtes Netz aus solchen Geräten in Deutschland würde die heutige Datenlage verbessern und unsere Vorhersagemodelle würden genauer werden.“ Noch ist der Pollenmonitor nicht in Betrieb, aber bis 2010 möchte der Deutsche Wetterdienst 15 bis 30 Exemplare in Einsatz bringen. Seine einzelnen Komponenten sind aber auch für andere Einsatzbereiche interessant. Sie könnten nach entsprechender Anpassung zum Beispiel die Luft in Operationssälen überwachen und Bakterien melden. Oder Schädlinge im landwirtschaftlichen Bereich, wie die Sporen von Getreidepilzen.

mn – 14.05.08
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen zum Beitrag:
Gerd Sulz
Projektleiter
Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM
Heidenhofstraße 8
79110 Freiburg
Tel.: +49(0)761/8857-293
E-Mail: gerd.sulz@ipm.fraunhofer.de
Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/der-pollenmonitor