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Direktnachweis für epigenetische Modifikationen in der Krebsdiagnostik

Epigenetische DNA-Modifikationen spielen bei praktisch allen Krebserkrankungen eine Rolle und sind damit ein vielversprechendes Ziel für deren Früherkennung. An der Universität Konstanz hat nun Dr. Daniel Summerer mit seiner Arbeitsgruppe ein neues Verfahren entwickelt, mit dem solche Modifikationen direkt und zielgenau im Erbgut erkannt werden können. Die Methode stellt einen neuen Ansatz für die epigenetische Analytik sowie einen großen Schritt auf dem Weg zu einfacheren Ansätzen in der Krebsdiagnostik dar.

Da alle Zellen unseres Körpers praktisch über das gleiche Erbgut verfügen, entscheidet erst die Regulation der Genexpression über die unterschiedlichen Eigenschaften so verschiedener Zellen wie Nerven-, Haut- oder Immunzellen. Die typischen Genexpressionsmuster für bestimmte Zelltypen werden durch epigenetische Modifikationen der DNA mitbestimmt, die an die Tochterzellen weitervererbt werden. Die wichtigste dieser Modifikationen beim Menschen ist die Methylierung der DNA-Base Cytosin, wodurch 5-Methylcytosin (mC) entsteht. „mC spielt eine wichtige Rolle in der Kontrolle der Chromatinstruktur und damit der Zugänglichkeit der DNA für die Transkription, den ersten Schritt der Expression eines jeden Genes“, erklärt Dr. Daniel Summerer, Leiter der Arbeitsgruppe „Chemische Biologie des Genetischen Codes“ an der Universität Konstanz.

Die Methylierung kann somit ein Ablesen des Gens erschweren oder verhindern. Dies gilt auch für die Vielzahl an Genen, die an der Entstehung oder dem Wachstum von Tumorgewebe beteiligt sind. Wird beispielsweise die Expression von Tumorsuppressorgenen gehemmt, so kann es zu genetischen Veränderungen in der Zelle und in der Folge zur Entstehung von Krebs kommen. „Daher weisen Krebszellen oft charakteristische Muster an mC auf, die als Biomarker herangezogen und für die Krebsdiagnostik eingesetzt werden könnten“, erläutert Summerer. Bisherige Methoden für die Detektion dieser Methylierungsmuster in krebsrelevanten Genen waren allerdings nicht direkt selektiv für deren Ort im Genom (d.h. sequenzselektiv), was die Anwendung von mehrschrittigen Verfahren erfordert.

Keine Messung ohne das richtige Werkzeug

Dr. Daniel Summerer und seine Arbeitsgruppe an der Universität Konstanz haben einen neuen Ansatz zur zielgenauen Detektion von epigenetischen Modifikationen im Genom entwickelt. © Universität Konstanz

Lange Zeit waren Nukleinsäuren und ihre Analoga die einzigen Moleküle, die nach zuverlässigen Regeln für die Bindung fast jeder beliebigen DNA-Sequenz „programmiert“ werden konnten, um gezielt längere DNA-Sequenzen wie bestimmte Gene zu binden. Die Grundlage dafür stellt der Bindungsmechanismus der Watson-Crick-Basenpaarung dar, mit der die vier kanonischen Nukleobasen Adenin, Guanin, Thymin und Cytosin erkannt werden können. „Epigenetische DNA-Modifikationen wie die 5-Methylgruppe von mC haben aber keinen Einfluss auf die Basenpaarungseigenschaften; eine Unterscheidung von unmethyliertem und methyliertem Cytosin mittels Basenpaarung ist daher nicht möglich“, eklärt Daniel Summerer. Gegenwärtige Methoden für die Detektion von mC müssen daher verschiedene Umwege machen und über mehrere Schritte verlaufen. So werden zuerst Cytosin und mC unspezifisch voneinander differenziert, zum Beispiel durch selektive Bindung oder chemische Umwandlung, so dass in einem zweiten Schritt durch klassische, auf Basenpaarung beruhende Verfahren die Sequenz festgestellt werden kann. „Für eine direkte und ortsspezifische Erkennung wären dagegen Moleküle nötig, die ebenso wie Nukleinsäuren programmiert werden können, aber über eine ausgeprägte erweiterte Selektivität für mC verfügen“, erklärt Summerer.

DNA-Bindeproteine nach dem Baukastenprinzip

Vor zwei Jahren wurde Summerer bei seiner Arbeit auf die sogenannten TALEs (Transcription activator-like effectors) aufmerksam. „TALEs sind modular aufgebaute Proteine, die aus Ketten von einzelnen Wiederholungseinheiten bestehen. Diese erkennen jeweils selektiv eine der DNA-Basen und können in beliebiger Reihenfolge verkettet werden“, erläutert Summerer. Im Labor können gewünschte TALEs durch molekularbiologische Verkettung der Genfragmente dieser Einheiten generiert und anschließend in den gewünschten Zellen exprimiert werden. Sie sind somit voll programmierbar und werden vielfach eingesetzt, z.B. für das Genom-Engineering. Sie wurden aber bisher nicht für die In-vitro-Detektion von epigenetisch modifizierten Nukleobasen in Genomen verwendet.

Die Idee zur Verwendung der TALE-Proteine zu diesem Zweck konkretisierte sich, als zwei Veröffentlichungen in der Fachzeitschrift Science die ersten Kristallstrukturen von TALE-DNA-Komplexen zeigten. „Aus der Struktur wurde klar, dass TALEs die DNA genau über den Teil der DNA-Oberfläche erkennen, in der epigenetische Modifikationen wie die 5-Methylgruppe von mC sitzen, nämlich die sogenannte große Furche“, sagt Summerer. Damit war es auch denkbar, dass solche Modifikationen die Bindung von TALEs beeinflussen könnten. Um das zu überprüfen, begann Summerer daher mit seiner Arbeitsgruppe, die DNA-Bindungseigenschaften der TALEs zu untersuchen.

Modell eines TALE-DNA-Komplexes von oben (links) und von der Seite (rechts); grau/blau: TALE-Proteine, gelb: DNA (Bilder erstellt mit The PyMOL Molecular Graphics System, Version 1.5.0.4 Schrödinger, LLC) © Daniel Summerer

Neuer Impuls für die epigenetische Analytik

Tatsächlich stellten sich die TALEs als ideale Werkzeuge für die Erkennung von mC heraus. „Wir konnten feststellen, dass die Bindung von TALEs an DNA, selbst an lange Sequenzen durch die Anwesenheit schon einzelner mC sehr stark blockiert wird - für eine 17 Nukleotide lange Sequenz zum Beispiel 75-fach“, erklärt Grzegorz Kubik, Erstautor der Studie und Studierendensprecher der Konstanz Research School Chemical Biology, an die die Forschung gekoppelt war. Dieser Bindungsunterschied ist das grundlegende Merkmal für die Erkennung des mC-Gehalts einer Sequenz und könnte mit einer großen Bandbreite von DNA-Nachweisverfahren gekoppelt werden.

Die Möglichkeiten reichen dabei von quantitativer PCR über Microarrays bis zu Next-Generation-Sequencing. „Solche direkten Verfahren könnten wesentliche Vereinfachungen der Detektion ermöglichen und zum Beispiel auch dazu eingesetzt werden, epigenetisch modifizierte Nukleobasen direkt in lebenden Zellen an gewünschten Genorten zu erkennen“, erläutert Kubik. Hinweise für diese Möglichkeit ergaben sich aus Studien von Gruppen, die sich zur gleichen Zeit mit dem In-vivo-Genom-Engineering mittels TALEs befassten und von einer herabgesetzten Aktivität von TALEs in methylierten Regionen des Genoms berichteten.

Für die ersten Studien hat Summerer zunächst mit dem Genom des Zebrafisches als Modellorganismus gearbeitet. Mittlerweile setzt seine Arbeitsgruppe die Methode aber auch immer mehr bei Krebsgenen aus dem Humangenom ein.
Naheliegende Anwendungen für die epigenetische Forschung und für die Diagnostik sind beispielsweise die Detektion einzelner mC an bestimmten Genorten oder die Feststellung von mC-Mustern in größeren Genomabschnitten, sogenanntes „Typing“ und „Profiling“. „Der Einsatz der TALE-Proteine bedeutet damit einen großen Fortschritt auf dem Weg zu vereinfachten Analyseverfahren für Krebserkrankungen“, erklärt Summerer. Das Verfahren wurde auch zum Patent angemeldet und soll nun zur Erforschung biologischer Funktionen krankheitsrelevanter epigenetischer DNA-Modifikationen verwendet werden. „Dabei sind wir auf der Suche nach Industriepartnern für eine Weiterentwicklung der Methode, aber auch eine eigene Ausgründung ist denkbar“, so Summerer.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/direktnachweis-fuer-epigenetische-modifikationen-in-der-krebsdiagnostik