Dreidimensionale Quantifizierung von Blutgefäßen
Mit „QuantVessel“, einem innovativen 3D-Verfahren zur präzisen Vermessung von Größe und Form der Blutgefäße, werden genauere Diagnosen von Gefäßerkrankungen und erfolgreichere Operationen ermöglicht. Das von Heidelberger Wissenschaftlern am BioQuant der Universität und am Deutschen Krebsforschungszentrum durchgeführte und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt wird in einer Ausstellung „Von der Idee zur Erkenntnis“ im Deutschen Bundestag vorgestellt.
PD Dr. Karl Rohr
© BioQuant; Universität Heidelberg
Krankhafte Erweiterungen der Hauptschlagader, sogenannte Aorten-Aneurysmen, sind oft lebensbedrohend, da die Gefäßwand der Aorta durch den Verlust der Gefäßmuskulatur und elastischen Fasern dünn und brüchig wird und plötzlich reißen kann. Mehr als eine Million Menschen, meist in höherem Alter, sind in Deutschland von dieser Krankheit, die einen chirurgischen Eingriff und das Einsetzen eines Stents, einer Gefäßstütze, häufig erforderlich macht, betroffen. Für die Operationsplanung in der Gefäßchirurgie benutzt man bildgebende Verfahren, um Größe und Form der Blutgefäße darzustellen, zum Beispiel die Computertomografie. Sie beruht auf horizontalen zweidimensionalen Schnittbildern durch den menschlichen Körper. Damit lassen sich die Krümmungen und unterschiedlichen Durchmesser der Gefäße in allen drei Dimensionen aber nur ungenau bestimmen.
3D-Bilder und mathematische Modelle
Ein von der Heidelberger Forschungsgruppe „Biomedical Computer Vision“ unter Leitung von Privatdozent Dr. Karl Rohr entwickeltes Verfahren zur dreidimensionalen Bildanalyse erlaubt nun die Größe und Form der Blutgefäße in beliebiger Orientierung präzise zu ermitteln. Dazu gehört auch die Bestimmung unterschiedlich starker Krümmungen, Verzweigungen und verschieden großer Durchmesser entlang von Gefäßen. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten für eine verbesserte minimalinvasive Therapie mit individuell angepassten Gefäßprothesen, sogenannten Stent Grafts.
3D-Segmentierung und Quantifizierung der Aorta aus einem 3D CTA-Bild.
© K. Rohr, Universität Heidelberg
In dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt „QuantVessel" haben die Wissenschaftler ein neues Verfahren der dreidimensionalen Bildanalyse entwickelt, in dem 3D-Intensitätsmodelle und mathematische Optimierungsmethoden miteinander kombiniert werden. In den Modellen wird die Variation der Grautöne in den Bildern der Blutgefäße durch eine mathematische Funktion beschrieben und das 3D-Bild mit den Bilddaten des Patienten individuell abgeglichen (optimiert). Durch den Prozess der „Segmentierung" lässt sich die Form der Aorta dreidimensional beschreiben und ihre Größe genau vermessen („Quantifizierung"). Weitere geometrische Parameter wie Länge und Krümmung des Außenbogens der Aorta sowie zeitlich aufgelöste dreidimensionale Bilder der Aorta in Abhängigkeit des Herzschlages können ebenfalls bestimmt und automatisch ausgewertet werden.
Kooperationen für die klinische Anwendung
Die Forschungsgruppe Biomedical Computer Vision von Dr. Rohr ist sowohl am BioQuant und Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie der Universität Heidelberg als auch in der Abteilung Theoretische Bioinformatik des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) tätig. Die Arbeiten am Projekt QuantVessel (Quantifizierung der Morphologie von menschlichen Gefäßen aus 3D-tomografischen Bilddaten) werden in enger Kooperation mit Ärzten am DKFZ und an der Universität durchgeführt, insbesondere mit Dr. Hendrik von Tengg-Kobligk, Oberarzt, und Professor Dr. Hans-Ulrich Kauczor, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, sowie Professor Dr. Dittmar Böckler, Ärztlicher Direktor der Abteilung Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg.
Softwareprogramm zur computerbasierten 3D-Bildanalyse von Blutgefäßen.
© K. Rohr, Universität Heidelberg
Ein Ziel der klinischen Anwendung ist es, für die Therapie von Aneurysmen die optimalen individuellen Stents auszuwählen und zu platzieren. So sollen die Patientenbelastung bei der Operation und danach verringert und Komplikationen vermieden werden. Eine klinische Studie für das neue Verfahren ist in der Planung.
Karl Rohr, der Elektrotechnik an der Universität Karlsruhe (jetzt KIT, Karlsruher Institut für Technologie) studiert hatte und an der Universität Hamburg in Informatik promovierte und sich dort habilitierte, leitet die Forschungsgruppe, die Informatik-Methoden zur automatischen Analyse medizinischer und biologischer Bilder entwickelt, seit 2004. Für seine Arbeiten wurde er mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. Die DFG-Förderung für das Projekt QuantVessel, an dem vor allem Dr. Stefan Wörz und Dipl.-Inf. Med. Andreas Biesdorf sowie M.Sc. Simon Eck und Dipl.-Inf. Wei Liao beteiligt sind, läuft seit 2008.
Ausstellung „Von der Idee zur Erkenntnis“
Logo der DFG-Ausstellung „Von der Idee zur Erkenntnis“.
© DFG
Aus Anlass ihres 60-jährigen Bestehens zeigt die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Deutschen Bundestag in Berlin eine Ausstellung mit dem Thema „Von der Idee zur Erkenntnis". Unter den rund 20.000 jährlich von der DFG unterstützten Projekten in der Einzelförderung wurden zehn herausragende Projekte ausgewählt, die den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess auf unterschiedlichsten Gebieten exemplarisch darstellen - von biologischer Grundlagenforschung bis zu Robotik und Nanotechnologie, und von ökologischen und meteorologischen Fragestellungen bis hin zu Medizintechnik und Politikwissenschaften. Unter dem Titel „Leben retten in 3D?" wird das Projekt QuantVessel mit Bildmaterial, erläuternden Texten und Videos vorgestellt. Auch das Softwareprogramm und ein 3D-Druck einer Aorta werden gezeigt.
Die Ausstellung, die am 6. März von Bundestagspräsident Professor Dr. Norbert Lammert und vom Präsidenten der DFG, Professor Dr.-Ing. Matthias Kleiner, eröffnet wurde, ist bis zum 30. März im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages für die Parlamentarier und - nach vorheriger Anmeldung - auch für die Öffentlichkeit zu besichtigen. Später wird die Ausstellung für ein bis zwei Jahre an wechselnden Orten in Deutschland zu sehen sein.