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EHEC-Prävention: Mission sicherer Salat

Rohkost ist beliebt und gesund – solange sie nicht wie bei den Sprossen und Keimlingen beim EHEC-Ausbruch 2011 mit Krankheitserregern kontaminiert ist. Wie das Infektionsrisiko der Verbraucher durch verzehrfertiges Gemüse und Salate minimiert werden kann, untersuchen Forscher der Universität Hohenheim.

Der Ausbruch im Sommer 2011 war die bisher schlimmste, nachgewiesenermaßen von EHEC-Bakterien verursachte Epidemie in Deutschland und einer der größten Ausbrüche weltweit. In der Folge kam es zu 53 Toten, 3.850 Infizierte waren zum Teil schwer erkrankt. Die Verursacher des dramatischen Ausbruchs waren eigentlich keine Unbekannten: Enterohämorrhagische Escherichia coli, kurz EHEC, sind eine weltweit verbreitete, pathogene Variante des ganz normalen Darmbewohners E. coli. EHEC verursachen im Gegensatz zu ihren nützlichen Verwandten – E. coli sind ein wichtiger Bestandteil der verdauungsunterstützenden Darmflora – blutige Durchfälle (entero steht für Darm und hämorrhagisch für blutig). Seit der Bakterienstamm 1977 erstmals beschrieben wurde, gab es mehrere Ausbrüche. 1982 war in den USA zum Beispiel kontaminiertes Rindfleisch in zu gering erhitzten Hamburgern der Auslöser, in einem anderen Fall war es kontaminierter Spinat.

Prof. Dr. Herbert Schmidt forschte viele Jahre in der medizinischen Mikrobiologie und ist den EHEC-Bakterien schon seit rund 20 Jahren auf der Spur: „Neu an dem Ausbruch von 2011 war, wie aggressiv die Krankheit auftrat. Die Zahl der Infektionen mit schwerem Verlauf war besonders hoch“. Schmidt leitet heute das Fachgebiet „Lebensmittelmikrobiologie“ an der Universität Hohenheim und erforscht speziell, welche Rolle Lebensmittel bei EHEC-Infektionen spielen. „Möglicherweise“, so spekuliert der Wissenschaftler, „waren die Bakterien so aggressiv, weil ihre Umwelt auf den Sprossen sie besonders gut auf eine Infektion vorbereitet hat. Sie könnten durch Stressreaktionen bestimmte Substanzen gebildet haben, die ihre Infektiosität erhöhen.“

Was kann getan werden, wenn Abtöten durch Erhitzen keine Option ist?

Im Labor wird mithilfe von Ausstrichen das Vorkommen der Bakterien untersucht. © Universität Hohenheim

Aktuell untersucht Schmidt gemeinsam mit seinem Hohenheimer Kollegen Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhold Carle im Rahmen eines Verbundprojektes*, wie sich EHEC-Übertragungen durch Gemüse und verzehrfertige Salate verhindern lassen. Das Projekt startete im November 2012 als Vorhaben des FEI (Forschungskreis der Ernährungsindustrie e. V.) und wird bis Ende 2015 über die AiF (Allianz Industrie Forschung, Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" e.V.) vom BMWi gefördert. Carle leitet das Fachgebiet „Lebensmittel pflanzlicher Herkunft“ und entwickelt im Rahmen des EHEC-Projektes neue Technologien, mit denen sich die Übertragung von Bakterien während der Verarbeitung von Salat & Co reduzieren lässt. „Verzehrfertige Salate sind besonders gefährdet, weil das Ausgangsmaterial kleingeschnitten wird. Bakterien auf den Blättern können beim Schnitt in Kontakt mit austretendem Pflanzensaft kommen und mit diesem an den Messern haften bleiben. Auf diesem Weg werden Bakterien auf nachfolgendes Schnittgut verschleppt“, erklärt Schmidt.

Da bei der Verarbeitung Bandschneidemaschinen mit rotierenden Messern eingesetzt werden, ist eine Desinfektion der Messer nach jedem Schnitt prozesstechnisch nicht machbar. Deshalb wollen die Hohenheimer Forscher neue Methoden zur Zerkleinerung entwickeln. Besonders vielversprechend ist dabei die Wasserstrahltechnologie. „Damit sollen die Schnittkanten sauberer werden, denn je glatter sie sind, desto weniger Pflanzensaft tritt aus, der potenziell Bakterien verschleppt. Außerdem sollen die Bakterien an der Schnittkante durch den hohen Druck an der Schnittstelle zerstört werden“, erklärt Schmidt das Konzept. Wie gut es sich in der praktischen Anwendung tatsächlich bewährt, wird zurzeit untersucht.

Mit neuen Wasch- und Schneideverfahren Kontaminationen vermeiden

Blattsalate sind im Fokus des Hohenheimer Forscherteams beim Projekt zur EHEC-Prävention (von li nach re: Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhold Carle, Sabine Wulfkühler, Prof. Dr. Herbert Schmidt, Dr. Agnes Weiß). Foto: Universität Hohenheim © Universität Hohenheim

Generell bedeutet „verzehrfertig“, dass der Salat zwar nicht erhitzt werden muss, jedoch gewaschen werden sollte. Da Blattsalate nun einmal keine sterilen Lebensmittel sind, ist hier natürlicherweise immer mit Mikroorganismen zu rechnen. Das sagt aber noch nichts darüber aus, ob diese schädlich, unschädlich oder sogar nützlich sind. „Rund 10.000 Bakterien pro Gramm Blätter ist eine typische Besiedlungsdichte, das kann sich bei längerer Lagerung noch um mehrere Zehnerpotenzen erhöhen“, so Schmidt. Biosalate haben übrigens von vornherein eine höhere Besiedlungsdichte. Auch hier sagt das allein aber noch nichts über die Schädlichkeit. „Es ist unter mikrobiellen Ökologen durchaus ein Thema, ob nicht auch nützliche Bakterien auf Blattsalaten zu finden sind. Schließlich gibt es probiotische Bakterien, die zum Beispiel das Immunsystem unterstützen. Ich halte das für einen interessanten und untersuchenswerten Aspekt“, so Schmidt.

Trotzdem gilt natürlich, dass pathogene Bakterien wie EHEC zu vermeiden sind, und zwar am besten schon im Vorfeld der Rohstoff-Verarbeitung. Auch die Waschverfahren sind deshalb im Fokus der Forscher. „Werden Blattsalate bei 45 Grad Celsius, also handwarm, für maximal zwei Minuten gewaschen, lässt sich der Biofilm deutlich besser entfernen als mit kaltem Wasser. Das funktioniert auch ohne Verlust an Qualität, vorausgesetzt, der Salat wird anschließend sofort wieder gekühlt", sagt Schmidt und betont zugleich, dass man den Biofilm aber auch so nicht komplett los wird. Biofilme bestehen aus den Mikroorganismen selbst sowie aus Substanzen, die die Mikroorganismen ausscheiden und die eine Art Schutzhülle für die eingebetteten Bakterien bilden.

Klärungsbedarf: Wie leben und überleben EHEC-Bakterien auf Gemüse und Salat?

Prof. Dr. Herbert Schmidt leitet das Fachgebiet Lebensmittelmikrobiologie am Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie der Universität Hohenheim. © Universität Hohenheim

Die Hohenheimer Forscher gehen verschiedenen Ideen nach, wie sich die Salate im Verarbeitungsprozess noch besser von Bakterien säubern lassen. „Am einfachsten wäre es, wie in Frankreich chloriertes Waschwasser zu verwenden. Das wird in Deutschland jedoch nicht akzeptiert. Der Verbraucherwunsch geht hier zum „green label“, zu einfachen Lebensmitteln, die auch bei der Verarbeitung ohne Zusätze auskommen“, so Schmidt. Außerdem ist noch nicht klar, wie gut sich speziell EHEC-Bakterien durch Waschen überhaupt entfernen lassen. Auch das wird nun im Rahmen des FEI-Projekts untersucht, wobei die Forscher zunächst analysieren müssen, wie sich EHEC-Bakterien in den Biofilm auf Blättern integrieren, ob und wie sie sich hier durchsetzen. Bilden die Bakterien Mikrokolonien? Sind sie auch in den Spaltöffnungen der Blätter zu finden? Solchen Fragen gehen die Hohenheimer nun nach.

Biodiversitätsanalysen vor und nach Waschschritten sollen klären, wie viele Bakterien welcher Spezies auftreten und wie sie im Verarbeitungsprozess am besten abgewaschen werden können. Untersucht wird zum Beispiel, wie gut das Vortex-Verfahren funktioniert. Dabei handelt es sich um ein Röhrensystem mit Laminarströmen. Durch die Wirbel entstehen Schwerkräfte, die die Bakterien ablösen sollen. Außerdem untersuchen die Forscher, wie sich der Zustrom von gasförmigem Ozon auswirkt, der über die Blätter geleitet wird und ob sich das Waschwasser zum Beispiel mithilfe von UV-C-Strahlung entkeimen lässt. Schließlich sollen die Bakterien nicht über das Waschwasser in die Umwelt gelangen.

Egal, welche Methoden sich im Endeffekt am besten bewähren: Die Qualität des Lebensmittels soll darunter natürlich nicht leiden. Deshalb analysieren die Forscher auch, welche pflanzlichen Stoffe bei welcher Bearbeitung frei werden und wie die Methode aussehen muss, um möglichst wenig Enzyme und Vitamine zu verlieren. Auch Veränderungen in Textur und Farbe werden untersucht, denn der Salat soll im Supermarkt natürlich nicht schlaff und bleich daher kommen.

 

*Verbundprojekt: "Optimierung der mikrobiologischen Qualität und der physiologischen Eigenschaften von verzehrfertigen Blattsalaten und Kräutern mittels innovativer Technologischer Verfahren und mikrobiologischer Analysen"

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/ehec-praevention-mission-sicherer-salat