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Ein DNA-Cracker aus Ulm für sauberes Trinkwasser

Aus deutschen Hähnen fließt Trinkwasser, frei von Krankheitserregern und bedenkenlos genießbar für den Menschen. Kein Lebensmittel ist für den Menschen wichtiger und wird - zumindest hierzulande - so gut kontrolliert. Dennoch ist Trinkwasser immer noch für viele Menschen keine Selbstverständlichkeit. Nach aktuellen WHO-Zahlen (für 2011) fehlt 768 Millionen Menschen der Zugang zu keimfreiem Trinkwasser, worunter besonders die ländliche Bevölkerung in einigen ärmeren afrikanischen Ländern leidet. „DNA-Crack“ aus Ulm will diesen Missstand ändern.

Schema das Labor-DNA-Crackers, hier ohne integrierte solare Energieversorgung. © Hochschule Ulm
DNA-Crack, so heißt das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte ZIM(Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand)-Verbundprojekt, das bis 2015 den Labor- zum marktreifen Prototypen entwickeln will. Es setzt die preisgekrönten Abschlussarbeiten zweier Ulmer Medizintechnik-Absolventen fort und hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt, die mit zwei Firmen (EPIGAP Optronic GmbH und fosera GmbH & Co. KG) umgesetzt werden sollen: Kleinfamilien, die in abgelegenen Regionen ohne Wasseranschluss und Energieversorgung leben, sollen mit Hilfe des DNA-Crackers fünf Liter Wasser pro Stunde entkeimen können - und zwar zu jeder Tageszeit, energieautark, ohne Verbrauchsmaterialien, wartungsfrei und über einige Jahre lang. Die Dritte Welt braucht einen DNA-Cracker, ist Projektkoordinator Prof.Dr. Martin Heßling von der Hochschule Ulm überzeugt: Weltweit erkranken jedes Jahr über 100 Millionen Menschen an verkeimtem Trinkwasser, täglich sterben an den Folgen alleine über 3.000 Kinder. Anders als in den Industriestaaten, wo Trinkwasser in großen Anlagen mit Chlor oder anderen Chemikalien desinfiziert wird, gibt es in ländlichen Gebieten der Dritten Welt diese Anlagen nicht oder es fehlt die Infrastruktur zur Verteilung von desinfiziertem Trinkwasser.

Bedarf für Alternativen

UVC-Strahlung macht E. coli den Garaus: Nährkartonscheiben 24 Stunden nach Kontakt mit den Wasserproben (links kontaminiertes Wasser), rechts mit UVC behandeltes Wasser ohne Keim. © Hochschule Ulm

Zwar wird in rund 50 Ländern seit vielen Jahren das einfache Verfahren namens SODIS (Solar Water Disinfection) angewandt. Hierzu wird Oberflächenwasser in transparente PET-Flaschen abgefüllt und mindestens sechs Stunden den keimtötenden UVA-Strahlen der Sonne ausgesetzt. Allerdings ist das einfache Verfahren in seinem Einsatz begrenzt: Auf Vorrat größere Wassermengen zu entkeimen und länger zu lagern, klappt mit SODIS nicht, weil die Keimzahl ohne Kühlung wieder stark ansteigt, wenn sich die Keime, die die Desinfektion überlebt haben, erneut vermehren. Dies hat eine Untersuchung der Ulmer Hochschule ergeben.

Ulms DNA-Cracker setzt auf ein kleines Desinfektionssystem, das mit einer neuartigen UVC-LED und einem kleinen Ultraschall-Generator ausgestattet ist und dank Solarzelle nebst Akku jederzeit kleinere Wassermengen (fünf Liter pro Stunde) desinfizieren soll. Die Bestrahlung mit UVC-Licht (200-280 nm) ist eine seit Jahrzehnten etablierte Desinfektionstechnik. Energiereiche Photonen werden vom Erbgut praktisch aller Keime, wenngleich mit unterschiedlicher Empfindlichkeit, absorbiert und verursachen dabei irreversible DNA-Schäden, was die Keime inaktiviert. Wichtig ist, sagt Michael Sift, Krankheitserreger wie E. coli sowie die Erreger von Cholera, Typhus, Amöbenruhr zu inaktivieren. 

Hoffen auf schnelle LED-Entwicklung

Quecksilberdampflampen, die einen starken Emissionspeak bei 254 nm aufweisen, der nahe dem DNA-Absorptionsmaximum bei etwa 260 nm liegt, könnten zur Abtötung von Bakterien mittels UV-Licht verwendet werden. Allerdings sind sie wenig umweltverträglich, haben eine begrenzte Lebensdauer und benötigen eine Hochspannungsversorgung.

Erst seit Kurzem gibt es als Alternative UVC-LEDs mit Emissions-Spitzen zwischen 240 und 280 nm. Zwar sind deren Leistungen noch sehr klein (einstelliger Milliwatt-Bereich) und die Lebensdauer begrenzt (etwa 1.000 Stunden). Aber die LED-Entwicklung verlaufe rasant, mittelfristig sei mit starken und langlebigen UVC-LEDs zu rechnen, hofft Heßling, der sich auf Informationen seines Berliner Projektpartners, des LED-Spezialisten EPIGAP Optronic, stützt.

Die maximale Wellenlänge der leistungsstärksten UVC-LEDs liegt bei 280 nm. Zwar sei damit die relative DNA-Absorption geringer als bei der 254-Nanometer-Quecksilber-Emission, dafür aber auch die Absorption durch Wasser bei 280 nm niedriger und somit die Reichweite bei dieser Wellenlänge höher. Die Vorteile eines LED-Systems für Geräteentwicklung liegen nach Heßlings und Sifts Einschätzung in den geringen LED-Abmessungen und den niedrigen Betriebsspannungen und -strömen. Damit lasse sich ein kompaktes UVC-LED-System mit solarer Energieversorgung bauen.

Mit Ultraschall gegen Biofilme

Biofilm aus P. fluorescens vor Ultraschall-Behandlung (links), nach fünfminütiger Bestrahlung (rechts). © Hochschule Ulm
In vielen Fluss-Systemen bilden sich Biofilme aus, Ablagerungen aus Mikroorganismen, die Keime an die Umgebung abgeben können und sich nur schwer entfernen lassen. Deshalb soll der DNA-Cracker mit einem kleinen Ultraschallgenerator ausgestattet werden, der entstehende Biofilme und andere Verunreinigungen beseitigt. Außerdem, so die von Labortests befeuerte Hoffnung der Ulmer, soll der Ultraschall die desinfizierende Wirkung des UVC-Lichts in verschmutztem Wasser erhöhen, indem er Keime, die an Partikeln haften, von diesen abtrennt. Damit verringere sich die Wirkung der Partikel als „UV-Schattenspender" für abzutötende Keime. Versuche im Ulmer Biotech-Labor mit einem Vor-Prototyp verliefen erfolgreich. Kein Erreger überlebte die UVC-LED-Strahlung in mit Escherichia-coli-Kolonien (60.000 CFU/ml (Colony Forming Units) gezielt kontaminiertem Wasser. Das Darmbakterium ist mit jährlich 160 Millionen Fällen der häufigste Erreger von Durchfallerkrankungen. Auch der extra gezüchtete Biofilm von E. coli und Pseudomonas fluorescens in Glasröhrchen hielt einem fünfminütigen Ultraschall nicht stand.

Erst die Miniaturisierung, dann der Härtetest

Ein Tagesmarsch entfernt von der nächsten Stadt sind diese Wasserspeicher in Äthiopien nur zu Fuß oder per Pferd erreichbar. © Manuel Danner

Die größten Herausforderungen stehen dem DNA-Cracker noch bevor. Das System muss den praktischen Härtest bestehen, unter extremen Klimabedingungen stark verschmutztes Wasser Tag und Nacht sicher desinfizieren. Dazu braucht es nach Heßlings Worten eine deutlich stärkere UVC-LED (10 mW), der Ultraschallgenerator muss miniaturisiert und anschließend ins System integriert werden. Überdies soll die elektrische Leistungsaufnahme des Gesamtsystems, das UVC-LED und Ultraschall mit unterschiedlicher Spannung kombiniert, 10 W nicht übersteigen, damit  es die Energie von einem Picosolarsystem beziehen kann. Dieses will die fosera GmbH & Co. KG aus dem nahen Illerkirchberg liefern. Die Firma, die von einer Absolventin der Ulmer Hochschule geleitet wird, kennt die Märkte der Dritten Welt, setzt pro Jahr 100.000 langlebige Solar-Akku-LED-Systeme ab und weiß, was Anwendungssicherheit bedeutet („Afrika findet den Fehler").

Mag bis voraussichtlich Ende 2015 auch ein funktionsfähiger DNA-Cracker inklusive Vorfiltration für stark verschmutztes Wasser aus Pfützen, Wasserlöchern oder anderem Oberflächenwasser bereitstehen, die hohen Kosten für LEDs stehen derzeit einer möglichen Markteinführung im Weg. Das wissen Heßling und Mitarbeiter, sehen aber Anzeichen für eine rasche Kommerzialisierung und Kostensenkung der LED-Technologie. Der DNA-Cracker soll nach Heßlings Willen für einen Einsatz in der Medizin, wie ursprünglich geplant, weiterentwickelt werden. Die jetzt in Entwicklung befindlichen LED- und Ultraschall-Module seien so klein, dass sie sich zur sogenannten Point-of-Use-Desinfektion auf Intensivstationen oder in Zahnarztpraxen eignen.

Quellen:

Bhutta ZA (2009) Solar Water Disinfection in Household Settings: Hype or Hope? PLoS Med 6(8): e1000127. doi:10.1371/journal.pmed.1000127

Sift, M.; Wagner, S.: Wasserdesinfektion: Untersuchungen zum Wirkprinzip der Solar Water Disinfection (SODIS), Master-Projektbericht, Hochschule Ulm, 2013

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/ein-dna-cracker-aus-ulm-fuer-sauberes-trinkwasser