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Eine europäische Gesundheitsachse

Die Forschungsregionen Heidelberg, Leuven in Belgien und Cambridge in England haben mit der „Health Axis Europe“ eine Allianz gegründet, um durch gemeinsame Aktionen wie das Einwerben von EU-Fördermitteln, die Vernetzung von Investitionskapital und den Austausch von Wissenschaftlern ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

„Der Hauptvorteil ist ganz klar die kritische Masse“, sagte Dr. Martin Hinoul, Business Development Manager der K. U. Leuven R&D, anlässlich eines Treffens des Health Axis Europe Committee im Juni 2011. „Leuven ist zu klein, Heidelberg ist zu klein, Cambridge ist zu klein. Soll sich ein europäisches Profil bilden, dann ist es das Beste, sie zusammenzubringen.“

Universitätsbibliothek Leuven © K.U. Leuven

Man könnte versucht sein, das als eine Zielbehauptung oder als ein Understatement abzutun, denn bei den drei genannten Städten handelt es sich immerhin um drei der stärksten Wissenschaftsstandorte Europas: So beherbergt Leuven außer der „Katholieke Universiteit" (K.U.Leuven), der größten Universität im ganzen Benelux-Raum, auch das „Vlaams Institut voor Biotechnologie" und besitzt mit dem K.U.Leuven Research & Development (LRD) eine der  erfahrensten und effizientesten Technologietransfer-Einrichtungen des Kontinents, die in den letzten drei Jahrzehnten an der Gründung von über 90 Spin-off-Unternehmen beteiligt war.

Universität Heidelberg Neuenheimer Feld. © Uniklinikum Heidelberg

In Heidelberg befinden sich nicht nur die älteste und in der Medizin und Biologie herausragende deutsche Universität und das Universitätsklinikum, sondern mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ)  und dem Europäischen Molekularbiologischen Laboratorium (EMBL) auch die auf ihren Gebieten führenden Forschungszentren. Die 2008 - im Vorfeld des Gewinns des bundesweiten Spitzencluster-Wettbewerbs - gegründete BioRN Cluster Management GmbH koordiniert hier eine der großen Life-Science-Regionen Deutschlands, die von globalen Konzernen ebenso geprägt ist wie von innovativen kleineren Unternehmen und Start-ups. 

Cambridge schließlich stellt für sich allein schon den größten europäischen Life-Science-Cluster dar und seine berühmte, 800 Jahre alte Universität wetteifert mit den führenden amerikanischen Universitäten um die Spitzenplätze in den Rankings der Wissenschaftsinstitutionen.

Asiatische Herausforderungen

Dass diese drei starken Regionen mit der „Health Axis Europe“ (HAE) eine strategische Allianz gegründet haben, um die Innovationskraft ihrer Standorte zu bündeln und gemeinsam die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, macht deutlich, wie stark die Konkurrenz um die Ressourcen geworden ist. Bis jetzt hat man dabei vor allem die Privatuniversitäten der amerikanischen Ost- und Westküste wie Harvard, Yale, Massachusetts Institute of Technology und Stanford mit ihren riesigen Stiftungen und Lizenzeinnahmen vor Augen. Zunehmend aber rücken die Universitäten und Forschungsregionen Asiens, besonders Chinas, ins Blickfeld. Wer etwa die rasante Entwicklung der Tsinghua in Beijing und der Shanghai Jiao Tong oder auch der Biopolis in Singapore während des letzten Jahrzehnts beobachtet hat, bekommt einen Eindruck von den zukünftigen Herausforderungen. Hier werden mit enormen Mitteln des Staates, der im Unterschied zu den von finanziellen Krisen heimgesuchten Ländern des Westens über sehr tiefe Taschen verfügt, modernste Institute aufgebaut, und Wissenschaftler, die in den besten Labors der USA und Europas gearbeitet haben, mit großzügigen Angeboten angeworben. Im Umkreis dieser Forschungszentren sind große Industrieparks entstanden, auf denen sich nicht nur kleine akademische Ausgründungen, sondern auch viele forschungs- und entwicklungsorientierte Spin-offs westlicher Hightech-Unternehmen angesiedelt haben.

Ziele der Health Axis Europe

Cambridge, Leuven und Heidelberg verfolgen in der HAE drei gemeinsame Ziele: 

  • Die Unterstützung und Koordinierung EU-geförderter Verbundprojekte
    Im 7. Forschungsrahmenprogramm der EU wird im Bereich Gesundheit (FP7-Health Call) zu Projekten europäischer Konsortien aufgerufen, die sich unter anderem mit Themen wie „personalisierte Medizin", „gesundes Altern" und „regenerative Medizin" befassen - also mit Themen, die in den Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie den forschenden Unternehmen der drei Regionen stark vertreten sind. Entsprechend wurden Anfang Oktober 2011 fünf erste gemeinsame Anträge auf Förderung durch die EU eingereicht. Das BioRN Cluster Management, das als „Program Office" agiert, hatte dazu Konsortien mit Projektideen und Partnerkonstellationen zusammengestellt und ausgewählt, die über eine ausreichende kritische Masse und eine zielgenaue Passform zu den Ausschreibungskriterien verfügt hatten. Ein weiteres exzellent besetztes Konsortium wird auch für das EU-Programm „Innovative Medicines Initiative" (IMI) eingereicht werden. Das IMI Programm bietet ebenfalls gute Perspektiven für Konsortien der HAE, da es die aktuellen Fragestellungen direkt aus der Pharmaindustrie adressiert. Die HAE-Konsortien sind generell nicht auf die Cluster Heidelberg, Leuven und Cambridge beschränkt: Wissenschaftler aus Forschungseinrichtungen und Unternehmen anderer Regionen bzw. Länder, die sich an künftigen Konsortien beteiligen möchten, sind als Kooperationspartner willkommen.
  • Der Austausch von Top-Personal im Life-Science-Bereich
    Neben Studierenden der Hochschulen in den drei Partnerclustern soll das Austauschprogramm auch Wissenschaftler und Führungspersönlichkeiten aus Academia und Industrie betreffen. Es dient der Vermittlung und Erweiterung von Wissen und Expertise und der Intensivierung der zwischen den Partnern geknüpften Beziehungen.
  • Die Vernetzung von Venture Capital
    Um das Investitionsvolumen zu erhöhen und das Risiko auf mehrere Schultern zu verteilen, bilden Venture-Capital-Geber oft Syndikate. Die HAE trägt diesen Bestrebungen Rechnung, indem sie eine Plattform bietet, auf der sich die VC-Geber vernetzen und sich gebündelt über Investitionsmöglichkeiten in den drei Clustern informieren können.

Kongruenz und Komplementarität

Cambridge Biomedical Campus; Modell © Cambridge-Biomedical

Voraussetzung für das Funktionieren einer Allianz ist ein Vorrat an Gemeinsamkeiten, Interessenlagen und Synergie-Effekten. Davon war die Auswahl der Clusterpartner der HAE bestimmt. Die drei Regionen sind in etwa gleich groß: in ihrem Kern von ehrwürdigen Universitäten geprägte Städte mit 100.000 bis 140.000 Einwohnern, die aber im Einzugsbereich großer Ballungsräume mit globalen Verkehrsanbindungen liegen. Cambridge und Heidelberg sind außerdem seit langem europäische Partnerstädte. Mit ihrem gemeinsamen Schwerpunkt im Bereich Gesundheitsforschung und Gesundheitswirtschaft sind die drei Cluster auf verschiedene, sich ergänzende Bereiche spezialisiert.

In Cambridge sind diese Bereiche unter anderem regenerative Medizin und Stammzellforschung, wobei besonders auf die „Cambridge Stem Cell Initiative" am Medical Research Council (MRC) hingewiesen werden muss, in der 25 bedeutende Stammzell-Laboratorien vereinigt sind. Ansprechpartnerin für die HAE ist Jeanette Walker, Projektdirektorin des Cambridge Biomedical Campus. 

Leuven hat sich auf medizinische Elektrotechnik und Nanotechnologie fokussiert. Neben der Katholieke Universiteit (K.U.) mit ihrem Electrical Engineering Laboratory (ESAT) spielt hier „imec" (Interuniversity Microelectronics Centre) eine besondere Rolle. imec, ein Forschungszentrum für mikro- und nanoelektronische Anwendungen unter anderem im Gesundheitssektor, wurde bereits 1984 als Nonprofit-Organisation gegründet und unterhält heute mit fast 2.000 Mitarbeitern vom Hauptquartier in Leuven aus Niederlassungen in vielen Ländern, darunter Taiwan, USA, China und Japan. Das Engagement der Region in der HAE koordiniert Bart Haex von der K.U. Leuven Research & Development Inc., dem Wissens- und Technologietransferbüro der K.U. Leuven Association. 

Dr. Armin Pscherer, Leiter BioRN Innovation Center. © BioRN Cluster Management

Schwerpunktthemen in Heidelberg bzw. in der BioRegion Rhein-Neckar sind die personalisierte Medizin und die Krebsforschung. Dazu kann der Cluster jede Menge Expertise mit in die Allianz einbringen. Angetrieben durch die Agenda 2020 des regionalen Vereins BioRegion Rhein-Neckar-Dreieck, in der die Anbahnung von Partnerschaften mit anderen international führenden Standorten der Gesundheitsforschung als eine von drei maßgeblichen Aufgaben genannt ist, hat das BioRN Cluster Management - als operativer Arm des Vereins - diese Aufgabe mit großem Engagement in Angriff genommen. Die Clustermanagement-Gesellschaft, eine Public Private Partnership zwischen der BioRegion Rhein-Neckar-Dreieck, dem Technologiepark Heidelberg, der IHK Rhein-Neckar und der Metropolregion Rhein-Neckar, fördert die Internationalisierung des BioRN Clusters.

Dr. Armin Pscherer, Leiter des Geschäftsbereichs BioRN Innovation Center im BioRN Cluster Management, beschreibt die Aktivitäten folgendermaßen: „Wir sind ein neutraler Vermittler zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Wir initiieren und fördern translationale F&E-Kooperationen. Das tun wir zunächst innerhalb unseres eigenen Clusters, daneben vermitteln wir auch Partnerschaften zwischen den eigenen Clusterpartnern und internationalen Experten aus Wissenschaft oder Wirtschaft anderer, innovativer Clusterregionen." Dr. Armin Pscherer fungiert auch als Ansprechpartner für den BioRN Cluster und für die Life-Science-Region Heidelberg bezüglich der Inhalte und Aktivitäten innerhalb der HAE.

Die komplementären Schwerpunktthemen der drei Cluster bieten zusammen mit ihrer wissenschaftlichen Exzellenz und Wirtschaftskraft in der HAE ein auf europäischer Ebene kaum zu überbietendes  Profil. Damit dieses Profil wirksam wird, muss auch die persönliche Chemie zwischen den Schlüsselakteuren stimmen, wie Professor Dr. Stefan Meuer, Vorstandsvorsitzender im Verein BioRegion Rhein-Neckar-Dreieck, betont. Gelegenheit dies zu testen hatten er und sein Vorstandskollege, Dr. Jürgen Schwiezer, während der Vorbereitungstreffen zur HAE Allianz. Basierend auf gegenseitigem Vertrauen, Wertschätzung und dem erklärten Willen, gemeinsam eine höhere Ebene zu erreichen, streben nun die Schlüsselakteure aus den drei erfolgreichen Standorten der Gesundheitsforschung gemeinsam die Umsetzung ihrer Ziele an.

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