Einer gegen alle? Das war einmal
"Die Zukunft der Forschung liegt in der Vernetzung", sagt Prof. Dr. Thorsten Friedrich vom Institut für Chemie und Biochemie der Universität Freiburg. Das von dem Freiburger Biochemiker mitorganisierte Graduiertenkolleg "Membranproteine und biologische Membranen" bildet ein Netzwerk, das sich über Arbeitsgruppen aus Freiburg, Basel und Straßburg erstreckt. Studenten aus zahlreichen Disziplinen und Ländern lernen, interdisziplinär zu arbeiten und profitieren von dem Know-how aus den unterschiedlichsten Bereichen der Life Sciences.
Eine einzelne Forschungsgruppe ist in ihren Möglichkeiten beschränkt. Sie kann sich zum Beispiel nur eine begrenzte Anzahl an teuren Geräten leisten. Und auch das in ihr versammelte Wissen und Methodenrepertoire sind überschaubar. Was wäre aber, wenn man als angehender Wissenschaftler Zugang zu dem Know-how von über zwanzig Arbeitsgruppen hätte? „Dann wird die Forschung viel effizienter und innovativer sein“, sagt Prof. Dr. Thorsten Friedrich vom Institut für Chemie und Biochemie der Universität Freiburg. „Die Kooperation zwischen Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen ist der einzige Weg, wie wir in Zukunft global konkurrieren können.“
Interdisziplinarität und Selbstständigkeit
Das von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) finanzierte Graduiertenkolleg „Membranproteine und biologische Membranen“ startete im April 2008 und wird ebenfalls im Rahmen eines Doktorandenaustausches von der Deutsch-französischen Hochschule unterstützt. Arbeitsgruppen der Universitäten in Freiburg, Basel und Straßburg nehmen jeweils etwa 20 Studenten aus den Bereichen der Chemie, Pharmazie, Biologie oder Medizin auf und ermöglichen ihnen eine dreijährige interdisziplinäre Promotionsausbildung. In Freiburg beteiligen sich unter der Leitung und Organisation von Friedrich Teams aus der Biochemie, der physikalischen Chemie, der Pharmazeutischen Chemie, der Mikrobiologie, sowie aus der Biochemie und Molekularbiologie der Medizin.
Die noch nicht ganz vollzähligen Mitglieder des Graduiertenkollegs "Membranproteine und biologische Membranen" zusammen mit ihren Betreuern um Prof. Thorsten Friedrich (hinterste Reihe, dritter von links) (Foto: Markus Kohlstaedt)
„Das auf Englisch stattfindende Lehrprogramm unseres Doktorandenkollegs ist aber nicht nur auf Vernetzung, sondern auch auf Selbstständigkeit und Teamgeist ausgelegt“, sagt Friedrich. Die Studenten müssen sich untereinander organisieren: Sie wählen einen Sprecher, führen selbstständig Seminare durch, in denen sie über ihre Projekte diskutieren, und halten eigene Konferenzen ab, zu denen sie auch Gastredner aus anderen Ländern einladen. Dabei lernen sie nicht nur, die praktischen Anforderungen an einen modernen Wissenschaftler zu meistern, sondern auch den Umgang mit Kollegen aus den unterschiedlichen Bereichen der Naturwissenschaften, und gerade das kann sehr erhellend sein. „Es ist zum Beispiel erstaunlich, welche Fragen Studenten aus fremden Fächern in den gemeinsamen Seminaren stellen“, sagt Friedrich. „Man bekommt ganz neue Perspektiven auf das eigene Forschungsgebiet, ganz neue Ideen können da entstehen.“ Immer häufiger funktioniert Wissenschaft heute als Dialog zwischen sich ergänzenden Köpfen. Das Doktorandenkolleg ist laut Friedrich ein Modell für die Zukunft.
Membranproteine im Fokus der Industrie
Der membranständige Ammonium-Transporter Amt-1 aus dem Archae-Bakterium Archaeoglobus fulgidus ist eines der zahlreichen Membranproteine, die es in der Natur gibt. (Foto: Prof. Oliver Einsle)
Und auch die inhaltliche Ausrichtung des Ausbildungsprogramms auf Membranproteine und biologische Membranen liegt im Trend. Etwa ein Drittel aller in einer Zelle vorkommenden Proteine befinden sich in biologischen Membranen. Da finden sich Transporter für Stoffe, die die Zelle aufnehmen oder abgeben muss. Oder Rezeptoren für die chemische und elektrische Zellkommunikation. Und auch die elementaren Vorgänge der Fotosynthese und der Energiegewinnung laufen zu großen Teilen an den Membranen im Zellinneren ab. Das ist der Grund, weshalb das Forschungsgebiet auch für die chemische und die pharmazeutische Industrie so wichtig ist. Laut Friedrich sind mindestens 80-90 Prozent der Moleküle, die pharmazeutisch-chemische Unternehmen in Zukunft als Ziele für potenzielle Medikamente anvisieren werden, Membranproteine. Ein klassisches Beispiel für ein solches Medikament ist das Aspirin, das ein Membranprotein blockiert und somit die Synthese von Signalstoffen verhindert, die entzündliche Reaktionen und Schmerzempfinden auslösen.
Damit die angehenden Wissenschaftler des Doktorandenkollegs den Umgang mit der industriell angewandten Forschung lernen, sollen sie in Zukunft auch Praktika in pharmazeutischen und chemischen Unternehmen absolvieren können. Momentan laufen Verhandlungen zwischen den Organisatoren des Kollegs und Vertretern aus der Wirtschaft, die das ermöglichen sollen. „Auch das wäre eine sehr gute Sache“, sagt Friedrich. „Die Studenten sollen lernen, was es heißt, an einem konkreten Produkt zu arbeiten.“ Mindestens ein halbes Jahr müssen die Mitglieder des Doktorandenkollegs aber auch in einer Arbeitsgruppe der zwei Partneruniversitäten verbringen. Dieses internationale Austauschprinzip ist für Friedrich ein großer Vorteil, denn so lernen die Studenten auch, sich in einer neuen kulturellen Umgebung zurechtzufinden. „Etwas, was in der heute hochgradig globalisierten Wissenschaftswelt unabdingbar ist“, sagt der Freiburger Biochemiker.
mn – 07.07.08
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Prof. Dr. Thorsten Friedrich
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
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