Erfolgreiche Kooperationen aus Wirtschaft und Wissenschaft (II)
Die deutsche BioValley Plattform ist stolz auf eine Vielzahl erfolgreicher Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, die das Netzwerk vorweisen kann. Im zweiten Teil der Serie präsentiert das Netzwerk einen ermutigenden Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität schwerstkranker Krebspatienten und dem gelungenen Aufbau einer industriellen Biochip-Plattform durch das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik.
Phospholipide aus dem Meer zur unterstützenden Therapie bei Tumorerkrankungen
Prof. Dr. Ulrich Massing, Klinik für Tumorbiologie, Freiburg
Jens Heiser, MEMBRAMED Healthfood GmbH, Hamburg
Jedes Jahr erkranken in Deutschland 340.000 Menschen an Krebs. Nur etwa 40 Prozent können letztlich geheilt werden. Die übrigen sind so schwer erkrankt, dass eine Genesung nicht mehr möglich ist, oder es zeigt sich im Lauf der Therapie, dass es für sie nur wenig Hoffnung auf eine Heilung gibt. Doch auch für diese Patienten können Ärzte und Forscher sehr viel tun: die Schmerzen lindern, die Lebenszeit verlängern und dabei die Lebensqualität verbessern. Genau das ist das Ziel von Prof. Dr. Ulrich Massing und seinem Partner Jens Heiser.
Krebspatienten zeigen einen hohen Bedarf an Phospholipiden, den zentralen Molekülen in biologische Membranen. Diese doppelschichtigen Barrieren grenzen die Zellen nach außen ab, erlauben eine Unterteilung im Inneren der Zellen und ermöglichen gleichzeitig die Kommunikation zwischen den verschiedenen Kompartimenten. Nicht nur die Membranen selbst haben bedeutsame biologische Funktionen, auch die Phospholipide selbst entscheiden über viele wichtige Stoffwechselprozesse.
In Krebszellen nun werden Phospholipide vermehrt abgebaut, wobei auch Fettsäuren abgespalten werden. Die Patienten verlieren dadurch unter anderem an Gewicht und die Krebszellen verschaffen sich zusätzlich Energie, mit der sie ihr Wachstum beschleunigen. Da mit der Nahrung vielfach Omega-6-Fettsäuren aufgenommen werden, wird durch diesen Abbauprozess auch die so genannte Arachidonsäure, eine Omega-6-Fettsäure, freigesetzt. Und diese Arachidonsäure kann nun Enzündungsprozesse und die Entstehung von Schmerzen verstärken. Alles das verschlechtert die Lebensqualität der Krebspatienten.
Diesen Prozess will Massing mit so genannten „marinen Phospholipiden“, die nur wenig Omega-6-Fettsäuren, dafür aber viel entzündungsvermindernde Omega-3-Fettsäuren enthalten, aufhalten. Marine Phospholipide kommen natürlicherweise in Kaltwasserfischen, vor allem aber in Lachs- oder Heringsrogen (Fischeier) vor. Im Vergleich mit den bekannten Fischölen, wie sie bereits seit Jahren auf dem Markt sind, erhofft man sich von den marinen Phospholipden eine wesentlich raschere Aufnahme der Omega-3-Fettsäuren in die Tumorzellen. Damit hofft man, die Gewichtsverluste der Patienten zu verringern, die Schmerzen zu reduzieren und die Lebensqualität zu steigern.
Massings Ziel war es, diese Hypothese in einer klinischen Studie zu überprüfen. Doch so ohne weiteres war das potenzielle Therapeutikum nicht zu beschaffen. Den passenden Partner fand der Freiburger Wissenschaftler dann in Jens Heiser und seinem Unternehmen Membramed Healthfood, das seit vielen Jahren schon Phospholipide als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet. Die Hamburger Firma fertigte die Kapseln für die Studie, deren erste Ergebnisse während des „Science meets Business Day“ vorgestellt wurden.
Über einen Zeitraum von sechs Wochen erhalten 50 Krebspatienten, die bereits stark an Gewicht verloren haben und denen die Ärzte keine weitere Therapie mehr anbieten können, drei Kapseln mit den marinen Phospholipiden pro Tag, was im Vergleich zu den bekannten Fischölen sehr gut vertragen wurde. Für fünf der Patienten liegen die Auswertungen inzwischen vor und sie zeigen ermutigende Ergebnisse. „Der Appetit und die Lebensqualität der Patienten ist angestiegen“, berichtete Massing im Freiburger Konzerthaus. Außerdem nahmen die Patienten nicht weiter ab, teilweise auch zu, und auch das Fettsäuremuster im Blut und in den Blutzellen zeigte ein sehr viel günstigeres Bild als vor der Behandlung. Besonders die Zunahme der antientzündlichen Omega-3-Fettsäuren im Stoffwechsel stimmte den Wissenschaftler optimistisch. Doch auch den Kaufmann erfreute das Ergebnis. So kann Heiser die Phospholipidkapseln, die den Markennamen Vitalipin® tragen werden, demnächst mit dem Hinweis auf gute Ergebnisse in einer wissenschaftlichen, klinischen Studie vermarkten.
Entwicklung einer Biochip-Plattform für die Life-Sciences-Industrie
PD Dr. Albrecht Brandenburg, Fraunhofer Institut für Physikalische Messtechnik IPM Freiburg
Dr. Ingmar Dorn, Bayer Technology Services (BTS), Leverkusen
Ein sehr erfolgreiches Kooperationsprojekt zwischen Wissenschaft und Industrie stellten auch Privatdozent Dr. Albrecht Brandenburg und Dr. Ingmar Dorn vor. Bayer fasste im Jahr 2001 den Entschluss, eine eigene Biochip-Plattform für die Diagnose verschiedener Erkrankungen aufzubauen. Von dem Pharmaunternehmen entwickelte, innovative Nachweisverfahren für Herzinfarkt, Krebserkrankungen und andere Krankheiten sollten schnell und vor Ort, also in Krankenhäusern, Arztpraxen oder auch externen Labors, eingesetzt und ausgewertet werden können.
Biochip Reader (Foto: PD Dr. Albrecht Brandenburg)
Wichtig war biochemisches Know-how zur Entwicklung von Testsystemen, doch das allein genügte nicht. Man brauchte auch physikalische Expertise. Denn die Geräte zur Auswertung der neuen Testverfahren mussten erst noch entwickelt werden. Die Werkswissenschaftler setzten dafür auf die „planare Wellenleitertechnologie“, ein intelligentes Verfahren, das über Fluoreszenzmessungen zuverlässig Auskunft gibt, ob ein Patient beispielsweise Zeichen eines Herzinfarktes zeigt. Wirklich ausgekannt mit dieser innovativen Detektionstechnik hat man sich allerdings weder in Leverkusen noch bei Bayer USA. Erfahrung auf diesem Gebiet konnte allerdings schon damals das Fraunhofer Institut für Physikalische Messtechnik IPM vorweisen. Für das Freiburger Unternehmen GeneScan hatte man 1998 einen Biochip-Reader konzipiert. Damit ließ sich nachweisen, ob Lebensmittel gentechnisch verändert oder mit einem Krankheitserreger, wie etwa Salmonellen, verunreinigt waren.
Auch Bayer wählte das IPM als Partner – und landete einen Volltreffer. Innerhalb von nur fünf Wochen entwickelten die Freiburger Wissenschaftler das erste Gerät, das über Fluoreszenz das Vorhandensein von Biomarkern, etwa für einen Herzinfarkt, messen konnte. Innerhalb von fünf Jahren folgten 15 weitere Projekte. Schritt für Schritt wurden die Geräte preiswerter, handlicher und einfacher zu bedienen. „Wir waren immer wieder beeindruckt, wie professionell am IPM gearbeitet wurde und wie robust die entwickelten Geräte waren“, betonte Dorn während des gemeinsamen Vortrags in Freiburg. Seit 2005 arbeitet IPM zusammen mit Bayer im Rahmen eines EU-Projektes an optimierten Systemen und Technologien.
Nachdem die Bayer Diagnostiksparte 2006 an Siemens verkauft wurde, ist dort inzwischen auch die Medizinische Diagnostik angesiedelt. Bei Bayer aber benutzt man die mit dem IPM entwickelte Technologieplattform nach wie vor: Inzwischen prüft man Lebensmittel auf Mykotoxine. Sie entstehen im Stoffwechsel von Schimmelpilzen und sind für Mensch und Tier äußerst gefährlich. Sie können Vergiftungserscheinungen, Nervenschädigungen, Immunstörungen und Krebs hervorrufen. Die bekanntesten Mykotoxine sind die Alkaloide des Mutterkorns, deren Gefährlichkeit schon in der Bibel beschrieben wurde und die ganze Getreideernten verderben können. Auch heute noch stellen Kontaminationen mit Mykotoxinen ein enormes Problem dar und Bayer darf mit große Nachfrage rechnen, wenn Schnelltest und Auslesegerät vollends reif für den die Markt sind.
kb - 04.02.08
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH