Erfolgreiche Prävention am Brustzentrum Bodensee
Die beiden Standorte des Brustzentrums Bodensee am Klinikum Konstanz sowie an der Frauenklinik Friedrichshafen haben ein elementares Ziel: Durch hochmoderne Brustkrebsprävention eine größtmögliche Früherkennung von allen Formen des Brustkrebses zu gewährleisten, die Sterbequote der erkrankten Patientinnen zu verringern und folglich die Überlebensrate deutlich zu erhöhen.
Sonografie einer Brust
© Klinikum Konstanz
Mit zirka 50.000 Mammakarzinomen pro Jahr ist Brustkrebs die häufigste Krebsart bei Frauen in Deutschland. Der Anteil der Krebsneuerkrankungen liegt bei 29 Prozent, das mittlere Erkrankungsalter bei 64 Jahren. Somit ist Brustkrebs eine der meistverbreiteten Krankheiten. Ein flächendeckendes Mammographie-Screening-Programm wurde in Deutschland erst zwischen 2005 und 2008 eingeführt. Frauen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren werden seitdem alle zwei Jahre in spezialisierte Zentren wie Konstanz und Friedrichshafen zur Reihenuntersuchung (Mammographie-Screening) eingeladen – die Beteiligungsquote liegt bei 54 Prozent. Seit Einführung des bundesweiten Screenings hat sich die Zahl der Inzidenzen fast verdoppelt. Im konkreten Fall des Brustzentrums Bodensee werden pro Jahr ca. 180 Patientinnen mit einem Mammakarzinom behandelt. Die häufigste Krebsart ist dabei mit ca. 70 bis 80 Prozent das Duktale Mammakarzinom, gefolgt vom Lobulären Mammakarzinom mit 10 bis 15 Prozent und einer Restrate von ca. 10 Prozent für seltenere Formen von Brustkrebs.
Dr. Hans-Christian Fricke, Oberarzt an der von Chefarzt Privat-Dozent (PD) Dr. Stefan Rimbach geleiteten Frauenklinik in Konstanz, ist überzeugt von der Sinnhaftigkeit des flächendeckenden, bevölkerungsbezogenen Screenings. Für ihn und seine Kollegen in Friedrichshafen steht am Brustzentrum die ganzheitliche Betrachtung der Patientin an oberster Stelle, um somit eine optimale Behandlung erreichen zu können. Dass die Patientinnen in ein hochmodernes Umfeld kommen, in dem sie auf verlässliche Weise vom ersten bis zum letzten Termin einen minutiös vorgegebenen Fahrplan durchlaufen, kommt nicht von ungefähr. Dr. Fricke erklärt dazu: „Als Qualitätsmangement–Beauftragter (QMB) der Frauenklinik Konstanz war ich bei allen Zertifizierungsvorgängen seit 2006 involviert. Es steckt sehr viel Arbeit darin, ein Krankenhaus nachhaltig auf diese externen wie internen Audits vorzubereiten. Zuallererst wurde das Klinikum Konstanz ISO 9001: 2000 zertifiziert. Ab 2006 haben wir unter Leitung von unserem Chefarzt PD Dr. Rimbach ein Case-Management-Handbuch zusammengestellt, in dem alle Fragen in Bezug auf die Betreuung und Behandlung von Patientinnen im Brustzentrum geklärt sind.“ Laut Dr. Fricke umfasst dieses Handbuch 160 Seiten und ist allen Mitarbeitern der Frauenklinik zugänglich. „Über externe Zertifizierungsärzte sind wir von ONKOZERT in Neu-Ulm und der LGA Interzert geprüft und so zum offiziell zertifizierten Brustzentrum geworden." (Anm. d. R.: OnkoZert ist ein unabhängiges Institut, das im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft das Zertifizierungssystem zur Überprüfung von Organkrebszentren und Onkologischen Zentren gemäß den entsprechenden Fachlichen Anforderungen betreut.)
"Den Beweis, dieses Zertifikat zu Recht zu tragen, müssen wir dann jährlich bei den entsprechenden Audits nachweisen“ präzisiert der Oberarzt. Zwar hat jede der beiden Kliniken dafür einen QMB, doch für das Brustzentrum als Ganzes gibt es im Wechsel immer einen zentralen QMB, so wie es Oberarzt Dr. Fricke bereits zwei Jahre war.
Mammakarzinom-Befunde mittels Stanzbiopsie unter Ultraschall
Eines der zwei Standbeine des Brustzentrums Bodensee: das Klinikum Konstanz
© Klinikum Konstanz
Begriffe wie Fahrplan und Case Management, die in Bezug auf die Patientinnen am Brustzentrum zunächst sehr technisch klingen, bergen für diese grundsätzlich nur Vorteile, denn sie und auch ihre Angehörigen können sich auf diese qualitätsgeleitete Medizin praktisch blind verlassen. Dazu ergänzt Dr. Hans-Christian Fricke: „Das Prozedere ist immer ähnlich: Die Patientin wird vom einweisenden Arzt zu uns gesandt. Sie macht einen Termin mit unserer Sekretärin, die ausschließlich für Mammakarzinom-Patientinnen als Ansprechpartnerin da ist. Beim ersten Termin werden die mitgebrachten Mammographien akribisch beurteilt und dann nimmt ein Arzt oder eine Ärztin aus dem Team von PD Dr. Rimbach eine Biopsie vor. Das geschieht unter Ultraschall mittels Stanzbiopsie, bei der der Befund entnommen wird. In der Regel bekommt die Patientin zwei Tage später einen nächsten Termin, bei dem dann das Ergebnis des histologischen Befunds besprochen wird.“
Wenn das Mammakarzinom als gesichert gilt, ist es ein Fall für die allmontägliche Tumorkonferenz, an der im Wochenwechsel Gynäkologen aus Friedrichshafen und Konstanz sich gegenseitig einen Besuch abstatten, um mit den Kollegen aus den Fachbereichen der Radiologie, der Pathologie und der psychoonkologischen Beratungsperson über die einzelnen Patientinnen ins Konsil zu gehen. Dabei werden auch gemeinsam die Bilder auf den hochauflösenden Bildschirmen begutachtet, deren Anschaffungswert oft zwischen zehn- und zwanzigtausend Euro liegt – pro Bildschirm. Laut Dr. Fricke macht sich das flächendeckende Brustscreening immer positiver bemerkbar, denn die Befunde der Betroffenen werden immer kleiner; die Patientinnen kommen immer häufiger in so einem frühen Stadium des Krebses, dass dieser noch nicht metastasiert hat, vornehmlich in die Lymphknoten, die Leber oder ins Knochenskelett. Das bedeutet in der Regel, dass die Teams in Friedrichshafen und Konstanz zwischen 70 und 80 Prozent brusterhaltende OPs durchführen können. Nach Erhalt des Stanzbiopsieergebnisses wird dann der genaue Fahrplan für die Patientin in Bezug auf OP-Termin und alle notwendigen Voruntersuchungen festgelegt. In der Tumorkonferenz – meist nach der operativen Therapie –, wenn die endgültigen feingeweblichen Befunde vorliegen, wird die weitere Behandlung wie Strahlentherapie und deren Dosis bzw. Chemotherapie oder in vielen Fällen auch eine antihormonelle Therapie über Infusion festgelegt, die der Patientin danach in einem Besprechungstermin mitgeteilt wird.
Ein großer Beleg dafür, wie modern die Zusammenarbeit der beiden Frauenkliniken von den gegenüberliegenden Bodenseeufern im württembergischen und im badischen Teil gediehen ist, wird durch die mittlerweile wöchentlich stattfindende Videokonferenz deutlich. Mit Unterstützung der Telekom, die auf das Klinikum Konstanz mit diesem Projektvorschlag herangetreten ist, können die beteiligten Ärzte der Tumorkonferenz nun persönliche Meetings wesentlich zeiteffizienter abhalten. Es werden auch die nachbehandelnden niedergelassenen Gynäkologen zu diesen Konferenzen eingeladen, die im Übrigen automatisch jeden Befund zu ihren Patientinnen vom Brustzentrum übermittelt bekommen.
Mittlerweile ist die Verweildauer der Patientinnen nach einem operativen Eingriff im Krankenhaus bei zirka einer Woche sehr kurz, bevor dann die Strahlen- oder die Chemotherapie beginnt. „Grob gesagt ist eine Patientin im Brustzentrum Bodensee vom Tag des ersten Befunds bis zur letzten Erstbehandlung ca. ein halbes Jahr in Therapie. Danach findet eine vierteljährliche Nachsorge statt. Der Beweis dafür, dass die ganzheitliche Ansatzweise des Brustzentrums zum Tragen kommt, schlägt sich auch in der Nachsorge und Rehabilitation der Patientinnen nieder. „Wir lassen unsere Patientinnen nicht allein mit ihrer Erkrankung, so dass sie im besten Falle auch auf Krisensituationen vorbereitet sind.“
Echtes Benchmarking unter den Brustzentren durch Datenübermittlung an WBC
Einen der wichtigsten Punkte erwähnt der Oberarzt und stellvertretende Leiter der Frauenklinik mit Nachdruck: „Die überprüfbare qualitätsgesicherte Medizin, die das Brustzentrum seinen Patientinnen bietet, ist der Schlüssel zu ständiger Verbesserung der therapeutischen Qualität. Nur diese Art der wissenschaftlich gesicherten, leitlinienkonformen Medizin garantiert eine fortwährend verbesserte Behandlung unserer Patientinnen mit Mammakarzinom. Basis dafür ist unter anderem, dass seit 2006 alle Statistiken zu den Patientinnen akribisch im Tumordokumentationssystem ODSeasy festgehalten werden und dann an das Westdeutsche Brustzentrum (WBC) weitergeleitet werden – dort wird nicht behandelt, sondern es werden nur die Daten gesammelt. „So findet ein echtes Benchmarking unter den Brustzentren in Deutschland statt, von denen es bundesweit über 200 zertifizierte Zentren gibt, über 50 allein in Baden-Württemberg. Dieses Benchmarking liefert verlässliche Daten in Bezug auf die Effektivität der Therapien. Die Auswertung der Daten ist ein zuverlässiger Indikator dafür, wo unser Brustzentrum steht und wo Verbesserungen möglich sind.
Die hohe, relative Überlebensrate in Deutschland von gut über 80 Prozent, die auch auf das Brustzentrum Bodensee in Konstanz und Friedrichshafen übertragbar ist, wird laut Dr. Fricke vor allem durch das konsequente Einhalten der Leitlinien in allen seinen Facetten erreicht. Dazu gehört auch die schriftlich festgehaltene Verpflichtung des Brustzentrums der Förderung von Forschungsprojekten auf dem Gebiet der Brusterkrankungen sowie der Brustgesundheit. Dies erfolgt durch die Beteiligung an klinischen Studien. Die Erkenntnisse aus diesen Studien helfen den Patientinnen aber nur weiter, wenn das behandelnde Personal entsprechend weitergebildet wird. Auch hier legt das Brustzentrum regelmäßige Fort- und Weiterbildungen fest. Dies gilt sowohl für die ärztlichen als auch für die nichtärztlichen Angestellten des Klinikums. Verträge, beispielsweise mit Selbsthilfegruppen für Brustkrebspatientinnen, tragen zusätzlich zum Erfolg des Brustzentrums Bodensee bei.
Ein weiteres wichtiges Anliegen ist dem Brustzentrum und seinen leitenden Angestellten die Aufklärung von Frauen mit Fragen zu Brusterkrankungen und auch zur Erhaltung der Brustgesundheit. Hier ist vor allem eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit gefragt, um diesem Bedarf gerecht zu werden. Zu diesem Zweck wird bis spätestens Ende September 2010 die neue Website des Brustzentrums Bodensee online gehen.