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Erkennung von Kolonkarzinomen: früh und patientenfreundlich

Koloskopien und Stuhluntersuchungen auf okkultes Blut stellen essenzielle Maßnahmen zur Kolonkarzinomfrüherkennung dar. Jedoch erfreuen sich diese Methoden aus offensichtlichen Gründen bei Patienten keiner großen Beliebtheit. Nur etwa 40 Prozent aller Karzinomfälle werden in einem frühen Stadium erkannt. Für das in Dornbirn am Bodensee forschende Vorarlberg Institute for Vascular Investigation and Treatment (VIVIT) Grund genug, nach alternativen Verfahren zur frühzeitigen Krebserkennung zu suchen. Im Mittelpunkt stehen hierbei im Blut zirkulierende, aus Tumorzellen stammende molekulare Marker, die anhand von Patientenstudien mit Partner-Kliniken nachgewiesen werden sollen.

VIVIT untersucht Blut auf aus Tumorzellen stammende Marker © VIVIT

Kolonkarzinome stellen mit etwa 529.000 Toten pro Jahr die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache in der westlichen Welt dar. Obwohl sich die Heilungschancen durch eine frühe Diagnose entscheidend verbessern lassen, wollen nur wenige Patienten eine Koloskopie oder eine Stuhluntersuchung über sich ergehen lassen. „Eine Koloskopie ist kostspielig, invasiv und gelegentlich mit Komplikationen verbunden“, sagt Dr. Axel Mündlein, Leiter des molekularbiologischen Labors am VIVIT und Vorstand des bodenseeweiten Netzwerks BioLAGO. Nur 29 Prozent der über 50-Jährigen haben sich ihm zur Folge in der letzten Dekade einer Koloskopie unterzogen. Deswegen ist gerade die Einführung von minimalinvasiven und allgemein akzeptierten Untersuchungsverfahren zur Abklärung des Krebsrisikos von hohem Interesse für Patienten, die damit am ehesten von einer Koloskopie profitieren würden.

Molekulare Tumor-Alterationen im Zentrum

Im Rahmen des Projekts von VIVIT und Partnern wird eine klare Marschroute verfolgt: Koloskopien sollen nicht ersetzt werden, sondern lediglich im Zuge normaler Gesundheitsuntersuchungen diejenigen Patienten herausgefiltert werden, bei denen solche Eingriffe notwendig sein könnten. Um dies zu erreichen, möchten die Wissenschaftler molekulare Biomarker etablieren, die anhand einer einfachen Blutabnahme des Patienten untersucht werden können. „Bei der Entwicklung kolorektaler Karzinome treten genetische und epigenetische Veränderungen auf. Diese vom Tumor stammenden molekularen Alterationen können auch im Plasma oder Serum von Patienten nachgewiesen werden“, so Dr. Axel Mündlein. Der sensitive Nachweis krebsspezifischer molekularer Biomarker direkt aus dem Blut könnte somit ein vielversprechendes diagnostisches Verfahren für die Früherkennung des kolorektalen Karzinoms darstellen. In einer gemeinsamen Studie mit dem Allgemeinen Krankenhaus Oberndorf-Salzburg sowie dem Landeskrankenhaus Feldkirch soll dabei Spezifität und Sensitivität dieser neuen Markern evaluiert werden.

Kolonkarzinom während einer Koloskopie © www.wikipedia.de

„Für die Studie werden Patienten ausgewählt, die bereits einer Koloskopie unterzogen wurden und deren Serum nun auf Vorliegen dieser Biomarker untersucht wird“, sagt Dr. Thomas Winder, Mediziner am Landeskrankenhaus Feldkirch und Leiter der Studie. Das Serum wird zunächst in einem Trainings-Set analysiert. In diesem Set befassen sich die Forscher mit allen für die Studie relevanten Biomarkern und werten deren Daten mit Hilfe verschiedener Algorithmen aus. Vor allem werden individuelle Biomarker kombiniert, um die für die Diagnose von Karzinomen und Adenomen relevanten Marker zu identifizieren. In einem weiteren unabhängigen Probenset werden die vorab als relevant beurteilten Biomarker und Auswertealgorithmen validiert, um deren Sensitivität und Spezifität zu überprüfen. In weiteren prospektiven Studien soll die diagnostische Effizienz dieser Biomarker bewiesen werden.

Zirkulierende molekulare Biomarker als Indikatoren?

Zu den verschiedenen molekularen Parametern, die für den Nachweis des kolorektalen Karzinoms im Rahmen des Projekts relevant sind, zählen Mutationen in Onkogenen, DNA-Hypermethylierungen und mikroRNAs. „Diese unterscheiden sich in den Nachweisverfahren und deren Sensitivität und Spezifität, in der Ausgangsmenge an benötigtem Probenmaterial sowie den Analysekosten“, berichtet Dr. Mündlein. Bei gesunden Patienten ist die Konzentration an freier, zirkulierender DNA normalerweise gering und steigt bei Krebspatienten an. "Es ist davon auszugehen, dass sich Krebszellen vom Tumor ablösen und durch Nekrose oder Apoptose aufplatzen, wodurch die Zellinhaltsstoffe freigesetzt werden und in die Blutbahn geraten", fasst Mündlein zusammen. Dadurch wird es möglich tumorspezifische Veränderungen mit Hilfe hoch sensitiver Verfahren nachzuweisen. “Bereits durchgeführte Studien zeigen aber nur eine geringe Übereinstimmung dieser im Blut zirkulierenden Biomarker. Auch diese in Kombination zu betrachten, ist bislang kaum erfolgt“, bemerkt Dr. Thomas Winder. Daher sind, um diesen Marker nutzen zu können, standardisierte Verfahren und Algorithmen zu deren Bestimmung und Auswertung notwendig.

Dr. Thomas Winder vom Landeskrankenhaus Feldkirch © privat

Onkogen-Mutationen , Septin 9-Gen und  microRNA als vielversprechende Marker

Im Zuge des Projekts werden Mutationen in Onkogenen analysiert, denn diese erlauben es, auf das Vorhandensein von Tumorzellen zu schließen und für viele Krebsarten charakteristische und genetische Veränderung darzustellen. „Das KRAS-Gen zum Beispiel weist beim Kolonkarzinom die höchste Mutationsfrequenz auf. Bei etwa 40 Prozent aller Darmkrebs-Patienten treten Mutation in diesem Gen in Erscheinung. Der alleinige Nachweis von Mutationen im KRAS-Gen ist nicht ausreichend, um die Präsenz eines Kolonkarzinoms bestätigen zu können“, stellt Dr. Thomas Winder fest. Epigenetische Veränderungen in Form von hypermethylierter DNA sind ein weiterer Ansatzpunkt der Untersuchungen, da sie häufige Begleiterscheinungen von Tumoren markieren. Hierbei werden Tumorsuppressorgene durch Methylierung des Promotorbereichs stillgelegt. Auch im Blut von Kolonkarzinompatienten lassen sich diese Alterationen nachweisen. So liegt bei circa 70 Prozent der Patienten eine Hypermethylierung des Septin-9-Gens vor. Tatsächlich ist bereits ein entsprechender Septin-9-Bluttest seit kurzer Zeit kommerziell erhältlich. „Aber auch andere Gene wie das NEUROG1 oder das ALX4 Gen sind bei Darmkrebs besonders häufig von Hypermethylierungen betroffen und stellen potenzielle Marker für die Darmkrebs-Früherkennung dar“, betont Dr. Axel Mündlein.

Auch microRNAs werden innerhalb des Projekts in den Fokus gesetzt. Bei Normal- und Tumorgeweben sind die Expressionslevel von microRNAs unterschiedlich, so dass sich im Plasma von Patienten mit und ohne Krebs verschiedene Spiegel wiederfinden. „Bei Kolonkarzinompatienten lässt sich ein erhöhter Plasmaspiegel der microRNAs miR-92a und miR-29a feststellen, was deren Bestimmung somit zu einem vielversprechenden Marker macht“, resümiert der VIVIT-Molekularbiologe.

DNA im Mittelpunkt weiterer Projekte im BioLAGO

In der BioLAGO-Region ist das Dornbirner VIVIT-Institut in verschiedenen Kooperationen bereits sehr aktiv. Gemeinsam mit der Konstanzer GATC Biotech sowie Kliniken und bioanalytischen Labors im Rheintal-Bodensee-Raum wird zurzeit der Einfluss des Erbguts auf den Verlauf und das Therapieansprechen bei einer Brustkrebserkrankung untersucht. „Auch im Rahmen des Kolonkarzinom-Projekts sind weitere Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft sehr willkommen“, so Dr. Axel Mündlein, der neben seiner Funktion als Leiter der Molekularbiologie bei VIVIT seit 2010 auch als stellvertretender Vorstand von BioLAGO agiert.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/erkennung-von-kolonkarzinomen-frueh-und-patientenfreundlich