Fraunhofer-Institute präsentierten Tag der Technik
Die Stuttgarter Fraunhofer-Institute zeigten zum Tag der Technik am 13. Juni, wie gut man Wissenschaft für junge Leute aufbereiten kann. Große und kleine Gäste wurden unterhaltsam über Projekte der angewandten Forschung informiert. Faszinierende Einblicke in die umweltgerechte Produktionswelt von morgen boten die Weiße Biotechnologie und innovative Verfahren an der Schnittstelle zwischen Ingenieurs- und Naturwissenschaften.
Seit die Preise für Benzin und Heizöl in schwindelnde Höhen steigen, sind Alternativen gefragter als je zuvor. Eines der boomenden Ersatzprodukte ist Biodiesel aus Rapsöl. Bei seiner Herstellung fällt als Nebenprodukt Rohglycerin an, für das im Sinne einer konsequent umweltgerechten Wertstoffnutzung nach Verwendungsmöglichkeiten gesucht wird. Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB stellte am Tag der Technik ein Biotech-Verfahren vor, bei dem das Rohglycerin mithilfe von Mikroorganismen zu 1,3-Propandiol umgewandelt wird, einem wertvollen Ausgangsstoff für Polyester und Lacke.
Wertstoffe statt Abfall
IGB-Forscher nutzen das Bakterium Clostridium diolis, um im Bioreaktor aus dem Reststoff Rohglycerin den chemischen Grundstoff 1.3-Propandiol herzustellen. (Foto: Fraunhofer IGB)
Clostridium diolis heißt das Bakterium, das als lebende Fabrik die synthetische Produktion von 1,3-Propandiol ablösen soll. Dr. Wolfgang Krischke ist Projektleiter am IGB und fand mit seinem Team erfreulich hohe Produktionsraten in Bakterienkulturen. Zunächst hatte die Sache jedoch einen Haken: Das Bakterium setzte zwar Glycerin, nicht jedoch das nach verbrauchtem Motoröl aussehende Rohglycerin um. Die IGB-Forscher gingen der Sache auf den Grund und fanden heraus, dass zuerst die aus dem Rapsöl übrig gebliebenen Fettsäuren abgetrennt werden müssen. Nach umfangreichen Prozessoptimierungen und durch kontinuierliche Betriebsführung des Bioreaktors kann das Verfahren jetzt seinen Weg in die industrielle Anwendung gehen.
Als weiteres interessantes Nebenprodukt hat das IGB die bei der Milchverarbeitung anfallende Sauermolke und speziell den darin enthaltenen Milchzucker im Visier. Er dient Bakterien als Substrat zur Produktion von Polymilchsäure (Polylactid, PLA). Den Gästen am Tag der Technik wurden die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten der Polymilchsäure demonstriert. Einmalgeschirr, Tüten und biologisch abbaubare Schrauben für die Chirurgie sind drei der umweltfreundlichen Beispiele.
Aber nicht nur Bakterien werden in den Dienst der Produktion gestellt, wie der Stand mit dem Algenreaktor bewies. Im hier gezeigten Flachplatten-Airlift-Reaktor werden Algen in Massen gezüchtet, die Fettsäure und Carotinoide für Anwendungen in der Kosmetik- oder Lebensmittelbranche produzieren.
Sauberes Wasser ohne Chemie
Noch ist es hierzulande selbstverständlich, immer und überall sauberes Trinkwasser in beliebiger Menge zur Verfügung zu haben. Entsprechend hoch ist der Wasserverbrauch: 130 Liter verbraucht jeder Deutsche durchschnittlich pro Tag. Um die Versorgung mit dem kostbaren Nass auch in Zukunft sicherzustellen, suchen Fraunhofer-Forscher nach Methoden, um Abwässer effizient und preisgünstig zu reinigen.
Direkt in die Anwendung führte die Fraunhofer-Technologie-Entwicklungsgruppe TEG an ihren Ständen. Die energieautarke High-tech-Thermoskanne überzeugt ebenso wie die Wasserreinigung durch elektro-physikalische Fällung. (Foto: Lehmann)
Ein besonders hartnäckiger Fall sind stabile Suspensionen und Emulsionen wie Öl-Wasser-Gemische, die etwa bei Bohrungen und in der industriellen Produktion anfallen. Die Fraunhofer-Technologie-Entwicklungsgruppe TEG präsentierte am Tag der Technik die elektro-physikalische Fällung (EpF). Das Verfahren zur einfachen, chemikalienfreien und kostensparenden Wasseraufbereitung wurde gemeinsam mit Partnern aus der Industrie entwickelt, die sowohl an der Vermarktung als auch am Umsatz beteiligt sind.
Das verschmutzte Wasser wird bei der EpF durch ein Behältnis geleitet, in dem sich Elektroden in Plattenform befinden. An ihnen wird Gleichstrom angelegt und damit eine Reihe von Reaktionen in Gang gesetzt, die zur Ausfällung unerwünschter Substanzen führt. An den Elektroden entstehen Hydroxid- und Wasserstoffionen, Elementargase wie Wasserstoff und Sauerstoff und hochreaktive Radikale. Sie reagieren mit Wasserinhaltsstoffen und bauen dadurch zum Beispiel organische Stoffe ab. Nach der EpF kann die Trübphase mit herkömmlichen Methoden wie Sedimentation oder Filtration von der Klarphase getrennt werden. Fette, Öle, Schmiermittel, suspendierte Feststoffe und Schwermetalle lassen sich mit einer Abscheiderate von bis zu 99 Prozent aus dem Wasser entfernen, das seinem natürlichen Kreislauf wieder zugeführt werden kann.
Der Nachwuchs übt schon mal und auch die Großen staunen. Unter dem Motto „Hokus Pokus Zauberei - Wissenschaft ist stets dabei“ lud das Fraunhofer IGB vier- bis zehnjährige Kinder zu einer Experimentiershow ein. Sie lernten unter anderem, wie Flüssigkeiten je nach Zuckergehalt ihre Farbe wechseln. (Foto: Lehmann)
Die Zeiten der Forschung im Elfenbeinturm sind vorbei
Veranstaltungen wie der Tag der Technik tragen einen wichtigen Teil dazu bei, innovative Prozesse und Verfahren der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Umso verständlicher dies geschieht, umso größer ist das Interesse an Forschung und Anwendung und davon haben letztendlich alle etwas. Eine breite Wissens- und Akzeptanzbasis erleichtert Forschungseinrichtungen wie der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) ihre Aktivitäten und - last but not least - die Akquise von Forschungsgeldern und qualifiziertem Nachwuchs.
Dieser wiederum kann gar nicht früh genug mit Wissenschaft in Kontakt gebracht werden, wie FhG-Präsident Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger in Stuttgart betonte: „Der Stuttgarter Ideenpark hat gezeigt: Es fehlt nicht am Interesse der Jugend, es fehlt an Angeboten.“ Dem steuert der Tag der Technik mit großer Resonanz entgegen. Allein 15 Schulklassen hatten sich im Vorfeld angemeldet und tummelten sich neben zahlreichen Familien und Einzelbesuchern auf dem Gelände.
leh - 16.06.08
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH