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Fraunhofer IPA: Biotechnologen und Ingenieure arbeiten Hand in Hand

Christian Reis ist Biotechnologe am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (Fraunhofer IPA). Der dreißigjährige Naturwissenschaftler leitet stellvertretend die Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie in Mannheim, die neben zahlreichen Ingenieuren auch aus vier Biologen besteht. Hauptverantwortlich leitet er die Gruppe Bioprozesstechnik, die sich mit der technischen Umsetzung biologischer Prozesse beschäftigt. In einem Interview mit Dr. Ariane Pott erklärt er, welche Aufgaben Biologen in der Automatisierungstechnik übernehmen können.


Ariane Pott: Warum haben Sie sich für ein Studium der technischen Biologie entschieden?

Christian Reis: Ich habe mich zu einem Biotechnologiestudium entschlossen, da ich vermutlich durch meine Eltern vorgeprägt bin. Mein Vater arbeitet im Bereich der chemischen Verfahrenstechnik und meine Mutter im Bereich der Medizin. So lag es für mich auf der Hand, etwas mit Naturwissenschaft und Technik zu studieren. Da ich in der Schule gute Biologielehrer hatte, die mein Interesse am Thema weiter gefördert haben, hat es mich zur Biotechnologie gezogen.

Wo haben Sie studiert und mit welchem Schwerpunkt?

Ich habe an der Universität Stuttgart Technische Biologie studiert und mich dann im Hauptstudium auf Bioverfahrenstechnik spezialisiert. Dabei war für mich von Anfang an klar, dass ich etwas im technischen Bereich machen wollte.

Wie sind Sie zum Fraunhofer IPA gekommen?

Christian Reis © Fraunhofer IPA

Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Verfahrenstechnik (Fraunhofer IGB) bietet während des Hauptstudiums zahlreiche Lehrveranstaltungen an, so dass ich auf die Fraunhofer-Gesellschaft aufmerksam wurde. Schlussendlich habe ich dann meine Diplomarbeit am Fraunhofer IGB in der Abteilung von Prof. Dr. Heike Walles geschrieben. Dabei ging es um Arbeiten an einem dreidimensionalen Hautmodell. Nach der Diplomarbeit zog es mich zu mehr technischem Arbeiten und ich nahm die Chance wahr, am Fraunhofer IPA meine Tätigkeit beginnen zu können. Dort habe ich im Jahr 2008 als Mitarbeiter im Bereich Mechatronik und Prozesstechnik begonnen - mit einem Projekt, das sich mit dem automatisierten Aufbau von 3D-Hautmodellen beschäftigte. Damals war ich so etwas wie ein Übersetzer zwischen den Ingenieuren und den Kunden aus dem Bereich Biotechnologie und Medizintechnik. Das Studium kann einen dabei nur mäßig auf solch eine Tätigkeit vorbereiten. Es bildet aber eine methodische Ausgangsbasis, auf die man zurückgreifen kann.

Mittlerweile bin ich Gruppenleiter für Bioprozesstechnik in der Abteilung. Ein Teil der Abteilung arbeitet in Mannheim auf dem Gelände des Universitätsklinikums. Die Abteilung von Dr.-Ing. Jan Stallkamp, aus welcher sich die Projektgruppe bildet, befasst sich schon seit Langem mit der Automatisierung im biotechnischen und medizintechnischen Bereich. Mein thematischer Schwerpunkt liegt dabei auf der Mitentwicklung von Geräten und Anlagen für die medizinische Biotechnologie, wie zum Beispiel die automatisierte Probenaufarbeitung oder die Produktion funktioneller Materialien. Der Standort in Mannheim ist dafür hervorragend geeignet, da er eine Anbindung sowohl an die Anwender im Klinikum als auch die Industrie bietet.

Teststand für die automatisierte Gewebeaufarbeitung © Fraunhofer IPA
Embolisatpartikel für die Tumortherapie © Fraunhofer IPA

Woran arbeiten Sie am Fraunhofer IPA?

Im Moment habe ich ein großes Projekt im Bereich der personalisierten Gewebeaufarbeitung und Analyse. Die Gewebe kommen aus der Klinik, und unsere Aufgabe beginnt schon mit der Kontrolle des Transports. Ziel ist es, die Zellen möglichst kontrolliert aus dem Gewebe zu isolieren und bestimmte Fraktionen daraus zu bilden. Durch die Automatisierung hat man den Vorteil, dass tatsächlich alle Zellen gleich behandelt werden und es so nur zu sehr geringen Variationen bei späteren Tests kommt. Der Einsatz automatisierter Pipettiersysteme ist dabei obligatorisch. Während des Projekts ist es in diesem Fall meine Aufgabe, einen Teil des Gerätes mit zu entwickeln. Dies setzt entsprechende ingenieurwissenschaftliche Kenntnisse voraus, die ich während meiner Arbeit am Fraunhofer IPA erworben habe. Das Fraunhofer IPA und vor allem die Abteilung haben mich dabei enorm unterstützt.

In einem weiteren Projekt geht es um die größendefinierte Produktion von multimodalen Embolisationspartikeln. Dabei werden Polymerpartikel mit unterschiedlichen Materialien funktionalisiert, damit sie sowohl im CT als auch im MRT sichtbar sind. Diese werden für die Embolisation von Tumorgewebe eingesetzt, sodass der Tumor nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt wird. Eine Sichtbarkeit in bildgebenden medizinischen Verfahren hilft hier beim medizinischen Eingriff direkt und auch bei der Nachkontrolle.

Was genau ist das BioPoLiS, das Bioproduktions-Labor in Stuttgart?

Anlage für die automatisierte Kultivierung und Analyse von Zellkulturen © Fraunhofer IPA

Als ich am Fraunhofer IPA angefangen habe, wurden die Anlagen und Geräte in einer werkstattähnlichen Umgebung gebaut. Es gab jedoch häufig das Problem, dass die Geräte dann im Labor mit den entsprechenden biologischen Materialien nicht funktionierten. So kam die Idee auf, ein Labor zu bauen, in dem Ingenieure und Biologen parallel arbeiten können, das BioPoLiS. Es ermöglicht biologisches Arbeiten unter Laborbedingungen und bietet zudem die Infrastruktur für Ingenieursarbeiten. Das Labor muss somit natürlich die Anforderungen beider Fachrichtungen erfüllen. Für Ingenieure sind zum Beispiel bestimmte Stromzugänge und Bodenlasten für die Arbeit erforderlich. Für Biologen müssen die Anforderungen an die entsprechenden biologischen Sicherheitsstufen erfüllt werden. Wir haben daher vermutlich das einzige S2-Labor mit Gabelstapler-Zugang. Diese einzigartige Infrastruktur ermöglicht eine effiziente Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren und Naturwissenschaftlern und ein minimiertes Entwicklungsrisiko für unsere Auftraggeber.

Haben Biologen eine Zukunft in technisch ausgerichteten Unternehmen?

Biologen haben eine große Zukunft in technisch ausgerichteten Unternehmen. Hier ist es wichtig, dass die Biologen tatsächlich den Schritt in eine technische Richtung wagen. Viele Unternehmen stellen sich im Moment auf eine sich ändernde Wirtschaftssituation um. Die Themen Gesundheit, Medizin und Biotechnologie sind im Fokus und Biologen können sich hier auch in den technischen Bereichen gut einbringen.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/fraunhofer-ipa-biotechnologen-und-ingenieure-arbeiten-hand-in-hand