Genetischer Fingerabdruck im Obstbau
Bekannt ist er aus der Kriminalistik oder von Vaterschaftstests - der genetische Fingerabdruck. Dieser findet seinen Einsatz aber auch in der Landwirtschaft. Speziell im Obstbau ermöglicht die Molekulargenetik neue Forschungs- und Züchtungsmethoden, mit denen eine verbesserte Produktion und auch höhere Qualitätsstandards erzielt werden sollen. Dr. Haibo Xuan forscht nun bereits seit acht Jahren am Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee (KOB) zu molekulargenetischen Verfahren im Obstbau. Diese dienen unter anderem der Diagnostik von Obstkrankheiten.
Dr. Haibo Xuan forscht seit 2004 am KOB an molekulargenetischen Methoden im Obstbau.
© Haibo Xuan
Seit 2004 erarbeitet Dr. Haibo Xuan im Labor des in Ravensburg-Bavendorf ansässigen KOB genetische Fingerabdrücke für verschiedene Obstarten. Die in der Landwirtschaft verwendete Analyse des genetischen Fingerabdrucks ähnelt der in der Kriminalistik verwendeten Methode, ist aber nicht völlig identisch mit dieser.
Molekulargenetische Untersuchungen können in der Landwirtschaft in verschiedenen Gebieten angewendet werden, so zum Beispiel zur Prüfung von Sortenechtheit, zur Diagnostik von Obstkrankheiten, zur Reifepunktbestimmung oder auch um Verwandtschaftsbeziehungen zu identifizieren. „In der Landwirtschaft und speziell im Obstbau ergeben sich durch die Molekulargenetik größere Möglichkeiten. Diese Tätigkeit dient auch dem Erhalt der Biodiversität“, so Dr. Xuan. Derzeit arbeitet das KOB in Kooperation mit der Universität Prag an der Züchtung von schorfresistenten Sorten. Versuche mit gentechnisch veränderten Organismen werden am KOB allerdings nicht durchgeführt.
Chloroplasten-DNA entschlüsselt Verwandtschaftsbeziehungen
Bislang wurden im Obstbau zur Identifizierung und Überprüfung von Fruchtsorten nur äußerliche Merkmale untersucht. Eine zuverlässige Bestimmung ist hierbei allerdings oft nicht gewährleistet, da Faktoren wie der Standort und die Witterung das Erscheinungsbild der Früchte beeinflussen und das Ergebnis somit verfälschen können. Die Anwendung molekulargenetischer Verfahren ermöglicht eine einfachere und genauere Bestimmung. Anhand von molekularen Markern in der Pflanzen-DNA können die verschiedenen Sorten identifiziert werden. „Dies erfolgt durch den Abgleich von bekannten mit unbekannten Fingerprints“, so Dr. Haibo Xuan.
Hierzu hat das KOB in den letzten Jahren eine umfangreiche Datenbank mit bekannten Sorten und den zugehörigen genetischen Fingerabdrücken erstellt. Das Kompetenzzentrum führt die genetische Sortenidentifizierung unter anderem schon für Äpfel, Birnen, Erdbeeren und Kirschen durch. „Aktuell ist der Arbeitsbereich an einem Untersuchungsauftrag der ‚Deutschen Genbank Obst‘, Dresden, mitbeteiligt, bei dem mehr als 1.600 Süß- und Sauerkirschsorten auf ihre Echtheit genetisch geprüft werden sollen“, führt Dr. Xuan aus.
Die DNA-Fingerprints werden beim KOB ebenso wie in der Kriminalistik mittels PCR erstellt. „Dazu wird ein Marker, also eine charakteristische DNA-Sequenz, aus einer internationalen Genbank ausgewählt und der entsprechende Abschnitt aus dem zu untersuchenden Genom so oft vervielfältigt, bis eine analytisch messbare Menge vorhanden ist“, erklärt die Genetikerin. Mit dem Endprodukt der PCR-Methode kann nun eine Cluster-Analyse durchgeführt und anschließend ein Diagramm der identifizierten Beziehungen erstellt werden.
Verwandtschaftsbeziehungen verschiedener Obstarten analysiert das Forscherteam anhand von Chloroplasten-Markern. „Die Chloroplasten-DNA hat mütterliche Vererbungseigenschaften, durch deren Analyse sich entfernte Verwandtschaften und die Herkunft einer Art aussagekräftig bestimmen lassen“, berichtet Dr. Xuan. Die Kenntnis von Verwandtschaftsbeziehungen trägt zum Verständnis der Entstehungsgeschichte und Entwicklungsbiologie verschiedenster Kulturpflanzen bei und dient dem Erhalt der Biodiversität. Außerdem komme diesem Wissen eine große praktische Bedeutung bei der Obstzüchtung zu. „Träger wertvoller Baum- und Fruchteigenschaften können so erkannt und entsprechend als Kreuzungspartner eingesetzt werden“, so Dr. Xuan.
Diagnostik von Baum- und Obstkrankheiten
Dr. Haibo Xuan in ihrem Labor am Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee
© Haibo Xuan
Baumkrankheiten wie der weit verbreitete Feuerbrand, der hauptsächlich Kernobstgewächse befällt, breiten sich seuchenartig aus. Besonders betroffen sind hier die südlichen Bundesländer aufgrund ihres Klimas. Vor allem in Baden-Württemberg sind Baumkrankheiten weit verbreitet. Eine rechtzeitige und genaue Diagnose kann ganze Ernten retten.
Auch bei der Züchtung ist die Gesundheit des Vermehrungsmaterials der Pflanzen essenziell. Für die Diagnostik von Krankheiten kann ebenfalls die Molekulargenetik herangezogen werden, um DNA-Material des Erregers in der Pflanze nachzuweisen. „Zur Erkennung von zum Beispiel Feuerbrand- oder Virusinfektionen sind molekulargenetische Tests in der Entwicklung“, erzählt Dr. Xuan.
Genexpression liefert optimalen Erntetermin
Auch Fruchterkrankungen, die bei der Lagerung entstehen, können durch molekulargenetische Methoden früh erkannt werden. Mithilfe der genetischen Verfahren lässt sich das Auftreten von Fruchterkrankungen im Lager erkennen, aber auch Reifebeginn und -entwicklung der Früchte bestimmen. Die Methode zur Reifeerkennung beruht auf der Genexpression reiferelevanter Enzyme, so zum Beispiel ACC-Oxidase, Polygalacturonase und ß-Galactosidase. Dr. Haibo Xuan erklärt: „Zur Bestimmung des optimalen Erntetermins, der Ernteorganisation, der Lager- und Verkaufsplanung ist die Bestimmung der Fruchtreife unerlässlich.“
Die veränderte Genexpression kann außerdem einen eintretenden Reifeprozess schon frühzeitig anzeigen, noch bevor die entsprechenden Enzyme gebildet wurden und die chemische Zusammensetzung des Obstes und infolgedessen die Qualität im Hinblick auf Festigkeit, Zuckergehalt etc. verändern. Somit können die Organisation rund um die Ernte angepasst und noch rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen getroffen werden.
Zukunft und Kooperationen
„Für unsere Forschungsprojekte suchen wir stets Partner aus Hochschulen und Industrie“, erklärt Dr. Haibo Xuan, die an der Universität Hohenheim im Fachbereich der Nacherntephysiologie und Obstlagerung promoviert hat. Seit 2004 arbeitet sie als Leiterin im Arbeitsbereich Anwendung molekulargenetischer Verfahren im Obstbau am KOB Bavendorf. In Zukunft möchte sie sich unter anderem auf den Nachweis von Bitterfäule und Feuerbrand, aber auch auf das Aroma-Fingerprinting fokussieren.