GoSilico: die Formel für wirtschaftliches Aufreinigen von Biomolekülen
„Stop experimenting – GoSilico“ ist das Motto eines jungen Start-up aus Karlsruhe. Das Gründerteam der GoSilico GmbH macht Furore mit einer Simulations-Software, mit der sich Laborexperimente weitgehend erledigen. Die chromatografische Auftrennung von Biomolekülen aus Organismen, Proben und Zellkulturen kann nach wenigen Starter-Experimenten verlässlich simuliert werden. Das spart in der Pharmaentwicklung Arbeit, Zeit, Material und Kosten.
„Stop Experimenting - GoSilico“ – so das Motto der Gründer Dr. Thimo
Huuk, Dr. Tobias Hahn und Dr. Teresa Beck (von links nach rechts).
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Vom Werkzeug für akademische Anwendungen zum kommerziellen Top-Produkt: Die Anfang 2016 gegründete GoSilico GmbH erschließt mit ihrer Simulations-Software für Flüssigchromatografien ein enormes Einsparpotenzial bei der Entwicklung und Validierung medizinischer Wirkstoffe. Obwohl sich in der Pharmaindustrie zur chromatografischen Aufreinigung von Biomolekülen Hochdurchsatzmethoden etabliert haben, ist der technologische und finanzielle Aufwand dafür nach wie vor hoch – und kostet wertvolle Entwicklungszeit. Hier setzt GoSilico mit seinen Simulationen an: Ein Minimum an Laborexperimenten reicht aus, um als Basis für hochgenaue und zuverlässige Simulationen zu dienen. „Die Labordaten aus herkömmlichen Chromatografien werden in die Software eingelesen, um das jeweilige Modell zu kalibrieren. Wir können dann die zeitlichen und räumlichen Veränderungen jeder Komponente einer Molekülmischung in jeder einzelnen Phase simulieren. Im Grunde lassen sich damit alle Arten von Biomolekülen auftrennen“, erklärt Dr. Teresa Beck, eine der Gründerinnen und COO der GoSilico GmbH.
Die GoSilico-Software ChromX kommt bereits bei der Aufreinigung von Antikörpern, Nukleinsäuren und Insulin zum Einsatz und hilft bei der Entwicklung diverser Biopharmazeutika. Rund 95 Prozent der Laborexperimente lassen sich Beck zufolge mit der GoSilico-Software einsparen. Wie sich das genau in Euro und Cent auswirkt, lässt sich momentan jedoch schwer sagen. Zum einen ist die Technologie noch zu neu, um genügend Erfahrungswerte zu generieren, zum anderen hängt es sehr von der jeweiligen Fragestellung ab. Beck nennt jedoch zwei Beispiele zur Zeitersparnis: „In einem Fall wurde unsere Software zur Prozesscharakterisierung im Rahmen der Zulassung eines neuen Wirkstoffs eingesetzt, für die rund 400 Experimente nötig gewesen wären. Dank unserer Software konnte der Prozess stabil und robust simuliert werden und der Kunde sparte etwa drei Monate Entwicklungszeit. Ein weiterer Kunde rechnet damit, sein Produkt dank der Simulationen rund ein halbes Jahr früher auf den Markt bringen zu können.“
Mit Simulationen Arzneimittel schneller und kostengünstiger auf den Markt bringen
Gerade auf dem hoch umkämpften Pharma-Markt können sich daraus zig Millionen schwere Wettbewerbsvorteile ergeben. Das wirft die Frage auf, warum nicht schon längst jemand auf die Idee kam, solche Simulations-Software anzubieten. Unter anderem liegt das an der dafür nötigen Expertise. Bei der GoSilico GmbH fanden hier zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Konstellation gründungswillige Experten auf dem Querschnittsgebiet zwischen Biotechnologie und Mathematik zusammen. Der Anstoß zur Entwicklung der Technologie kam von Prof. Dr. Jürgen Hubbuch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der ein entsprechendes Forschungsprojekt ins Leben rief. Dr. Tobias Hahn und Dr. Thimo Huuk sind zwei der GoSilico-Gründer und heute CEO des Unternehmens. Hahn begann um 2012 damit, die Technologie im Rahmen seiner Doktorarbeit zu entwickeln, während Huuk die Simulationssoftware in seiner Promotion über Hochdurchsatz-Methoden zur Aufreinigung von Antikörpern einsetzte.
Der Ansatz sprach sich in der Laborszene schnell herum und es gab immer mehr Nachfragen. Das Team erkannte das kommerzielle Potenzial der Simulationssoftware und fasste schließlich den Entschluss zur Firmengründung. Über persönliche Kontakte stieß die Mathematikerin Beck hinzu, die das Gründerteam mit ihrer Erfahrung aus komplexen Wetter- und Klima-Simulationen bereicherte. Das GoSilico-Team programmiert heute die gesamte Software selbst und auch die Visualisierungen sind firmeninterne Entwicklungen. „Wir sind meines Wissens nach die einzigen, die ein derartiges kommerzielles Produkt anbieten – zumindest, wenn es um die Auftrennung großer, komplexer Biomoleküle geht“, so Beck.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der GoSilico GmbH ist das umfassende Trainingskonzept. „Unsere Kunden setzen die Software selbst ein. Dazu vergeben wir eine jeweils einjährige Lizenz an einen Nutzer und unterstützen ihn bei der Anwendung. Zudem bieten wir Trainings in Form von zwei bis dreitägigen Schulungen an, die wahlweise in unseren Räumen oder beim Kunden stattfinden“, erklärt Beck. Diesen Trainingsaufwand will das Firmenteam in Zukunft deutlich reduzieren. Die Software soll so weit vereinfacht werden, dass sie über eine intuitive, nutzerfreundliche Oberfläche ohne viel Vorkenntnisse bedient werden kann. „Mittelfristig wollen wir die Software so automatisieren, dass sie zum Beispiel auch von Laborassistenten ohne viel Schulungshintergrund eingesetzt werden kann“, so Beck.
Simulierte Auftrennung soll Standard werden – auch in zulassungsrelevanten Prozessen
Das Gesamtkonzept von GoSilico hat sich auch im Wettbewerb schon mehrfach bewährt. So schaffte es das Team auf den ersten Platz im landesweiten Gründerwettbewerb „Elevator-Pitch“ 2016 und im Wettbewerb um den „CyberChampion 2017“ der TechnologieRegion Karlsruhe. Außerdem konnte sich GoSilico zusammen mit der Kölner CEVEC Pharmaceuticals GmbH eine EU-Förderung sichern: Der gemeinsame Projektantrag PERMIDES zur Entwicklung eines individualisierten Aufreinigungsprozesses für virusähnliche Partikel wurde als bester von insgesamt 45 Anträgen bewilligt. Den Reinigungsprozess selbst entwickelt CEVEC, während GoSilico die Simulationssoftware beiträgt und die Prozessentwicklung damit erheblich beschleunigt. EU-Unterstützung erhielt GoSilico indirekt auch durch Förderung im EXIST-Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, das durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanziert wird. Im Anschluss konnte sich GoSilico die Unterstützung durch das Förderprogramm "Junge Innovatoren" des Landes Baden-Württemberg sichern.
Mit ihren Produkten und Dienstleistungen richtet sich GoSilico hauptsächlich an Pharmaunternehmen und allgemein an Labore, die mit umfangreichen Aufreinigungen von Biomolekülen zu tun haben. In diesem Kontext gehören auch Zulieferer für Laborausstattung, zum Beispiel Adsorber, zur Zielgruppe. Zurzeit stammt der Kundenkreis zu einem Drittel aus Deutschland, zu einem Drittel aus weiteren EU-Staaten und zu einem Drittel aus den USA. Auf seinem Expansionskurs arbeitet das junge Unternehmen kräftig daran, weltweit weitere Geschäftsbeziehungen aufzubauen.
Derweil treiben Beck und ihre Kollegen noch auf ganz anderer Ebene den Erfolgskurs ihrer Simulationssoftware voran. „Es ist unser Ziel, unser Produkt als Standard-Software im Rahmen von zulassungsrelevanten Prozessen in der Arzneimittelherstellung zu etablieren. Pharmaunternehmen müssen für die Zulassung bei der FDA oder EMA für eine Vielzahl von Prozessen nachweisen, dass diese stabil und robust sind. Beide Zulassungsagenturen legen bereits heute nahe, dass dabei zum Verständnis Simulationen verwendet werden. Es gibt jedoch noch keinen Präzedenzfall dafür, bisher wird alles rein experimentell nachgewiesen. Wir unterstützen unsere Kunden nun nach Kräften mit Validierungsbausteinen und Informationen, damit genau diese Präzedenzfälle geschaffen werden können. Dazu gehört auch, dass wir ein Qualitätsmanagement etablieren und Funktionalitäts- bzw. Plausibilitätstests implementieren“, sagt Beck.