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Herstellung hochdichter Peptidarrays

Am Karlsruher Institut für Technologie arbeiten Frank Breitling und Alexander Nesterov-Müller an der Entwicklung eines Peptidlaserdruckers der zweiten Generation und eines Peptidchipdruckers auf der Basis von Computerchips. Damit wird die Herstellung hochdichter Peptidarrays mit bis zu einer Million frei wählbarer Peptide zu geringen Kosten möglich, mit denen vollkommen neue Anwendungsbereiche erschlossen werden können.

Peptide sind Ketten von Aminosäuren, die ähnlich wie Oligonukleotid-Microarrays, welche die Genomforschung revolutioniert haben, auf Chips synthetisiert werden können. Solche Peptidarrays sind für die Diagnostik und Wirkstoffentwicklung in der biotechnologischen und pharmazeutischen Industrie, aber auch für die Grundlagenforschung, besonders in der Immunologie und Proteomforschung, von großer Bedeutung. Bis vor Kurzem waren aber die Kosten für die Produktion von Peptidarrays mit über ein Euro pro Peptid prohibitiv hoch. In der Arbeitsgruppe Chipbasierte Peptidbibliotheken des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), Heidelberg, war ein mit mehreren Preisen ausgezeichnetes Laserdruckverfahren zur Herstellung von Peptidchips entwickelt worden, das zur Ausgründung der Firma PEPperPRINT GmbH führte, die Arrays zum Preis von zirka 13 Cent pro Peptid (Stand 2010) anbieten kann (siehe BIOPRO-Artikel „PEPperPRINTs preisgekrönte Peptidchips“ vom 06.08.2009). Eine grundlegende Neuerung bei dieser Entwicklung lag darin, dass die Aminosäuren, aus denen die Peptide aufgebaut sind, nicht in Lösung, sondern in festen, elektrisch aufladbaren Partikeln wie beim Tonerpulver in der Elektrofotografie oder Xerografie appliziert werden.

PD Dr. Frank Breitling © KIT

Jetzt arbeiten Dr. Frank Breitling und Dr. Alexander Nesterov-Müller, die von Heidelberg ans Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gewechselt sind, an der Entwicklung neuartiger Chipdrucker, mit denen hochdichte Peptidarrays mit 500.000 bis 1 Million frei wählbaren Peptiden zu geringen Kosten hergestellt werden können. Dadurch werden vollkommen neue Anwendungsbereiche erschlossen.

Wozu braucht man Arrays mit so vielen tausend Peptiden? Man muss sich zunächst vor Augen halten, welch ungeheure Kombinationsvielfalt theoretisch möglich ist. Mit den 20 natürlicherweise in Proteinen vorkommenden Aminosäuren ergeben sich bei dekameren Peptiden (Ketten von 10 Aminosäuren) insgesamt 2010, das sind etwa 10 Billionen (1013) verschiedene Möglichkeiten. Zwar wird diese theoretische Zahl durch die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Aminosäuren in der Praxis verringert, sie bleibt dennoch unvorstellbar groß.

PD Dr. Alexander Nesterov-Müller © KIT

Auch das Immunsystem des Menschen hat sich durch Kopien von Gensegmenten, verschiedene Rekombinationsmechanismen und somatische Hypermutation die Voraussetzungen geschaffen, aus einer gewaltigen Vielzahl an möglichen Antikörpern (und damit an Peptidmustern) auswählen zu können. Immunologische Forschung ist eines der Hauptanwendungsgebiete für die neue Generation hochdichter Peptidarrays. Es sind daher vor allem Beispiele immunologischer Projekte, die auf der Webseite der Arbeitsgruppe  „Peptidarrays und Antikörperbibliotheken" am Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) des KIT für die Anwendung der neuen Technologie vorgeschlagen werden.

Der PEPLASER

Array mit 10.000 zufällig ausgewählten Peptid-Doppelspots, angefärbt mit Flag M2-Antikörper. Das Insert zeigt die durch zwei Screening-Runden gefundenen besonders guten Peptidbinder mit dem Bindemotiv NNNNDYKNND/E © KIT

Um solche hochdichten Peptidchips herzustellen,  verfolgen die Karlsruher Wissenschaftler zwei unterschiedliche Strategien. Zum ersten wird im Rahmen des Projektes PEPLASER im 7. Forschungsrahmenprogramm der EU ein Peptidlaserdrucker der zweiten Generation entwickelt.  

Dabei geht es um ein vom Karlsruher Institut für Technologie koordiniertes Kooperationsprojekt mit wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Partnern aus verschiedenen europäischen Ländern. Die Ingenieursleistungen dafür werden im Wesentlichen von dem schwäbischen mittelständischen Unternehmen KMS Automation GmbH durchgeführt. Mit diesem Gerät sollte es möglich werden, die Herstellung individueller Peptidspots von gegenwärtig 0,5 Millionen auf über 10 Millionen pro Monat zu steigern. Das Heidelberger Biotech-Unternehmen PEPperPRINT GmbH wird die neuartigen partikelbasierten Peptidarrays kommerzialisieren, während ein neu entwickelter Laserscanner von der Firma AKAtech GmbH vertrieben wird. Zur Unterstützung des Marktes sollen zudem im Rahmen des PEPLASER-Projektes paradigmatisch wissenschaftliche Fragestellungen bearbeitet werden, die mit den neuen hochdichten Peptidarrays angegangen werden könnten. So wollen Dr. Breitling und sein Team am IMT bei Malaria-Patienten eine umfassende Kartierung aller im Blut in Konzentrationen von mehr als 5 µg/ml patrouillierenden Antikörper mit Hilfe spezifisch bindender Peptide vornehmen und daraus diejenigen identifizieren, die mit Malaria korreliert sind und gegebenenfalls einen Schutz gegen die Krankheit vermitteln können. Dass dieses Vorgehen im Prinzip funktioniert, konnten die Forscher bereits zeigen.

Chipdrucker

Kombinatorische Synthese eines Peptidarrays mit einem Computerchip. Links: Pixelelektroden zeigen ein Färbemuster mit zwei verschiedenen Antikörpern, rechts: Platine mit gebondetem Chip © KIT

Alternativ zum PEPLASER-Projekt, das auf dem am DKFZ und von PEPperPRINT entwickelten Laserdruckverfahren aufbaut, wird das Projekt eines Chipdruckers, bei dem Peptidarrays mit Hilfe eines Computerchips synthetisiert werden, unter Federführung von Dr. Nesterov-Müller, der an der Universität Heidelberg über „Ortsgenaue Ablagerung von Aminosäurepartikeln für die kombinatorische Synthese von Peptidarrays auf einen Chip" promoviert hatte, vorangetrieben. Benutzt wird ein CMOS Chip („Complementary Metal Oxide Semiconductor Chip"), der auf seiner Oberfläche mit einem Array von Pixelelektroden für die Adressierung der Aminosäurepartikel und die anschließende kombinatorische Peptidsynthese beladen ist.     

Bislang konnten mit diesem chipbasierten Verfahren 40.000 Peptide pro Quadratzentimeter hergestellt werden. In Zusammenarbeit mit Prof. Michael Hausmann am Kirchhoff-Institut für Physik der Universität Heidelberg und dem Institut für Druckmaschinen und Druckverfahren der Technischen Universität Darmstadt unter Prof. Dr.-Ing. Edgar Dörsam soll ein Chipdrucker zur routinemäßigen Herstellung hochdichter Peptidarrays entwickelt werden. Ziel dieses Kooperationsprojektes ist ein Verfahren, mit dem in naher Zukunft eine Million frei wählbare Peptide in hoher Qualität zu geringen Kosten auf einem Glasobjektträger synthetisiert werden können. In dem vom Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg ausgeschriebenen Ideenwettbewerb zur Biotechnologie und Medizintechnik wurde im Januar 2011 das Projekt „Arrays von Protein-ähnlichen Molekülen mit Hilfe von Magnetpartikeln“ von Dr. Nesterov-Müller im Themenfeld „Molekulare Bionik“ ausgezeichnet.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/herstellung-hochdichter-peptidarrays