IHB - Textilforschung mit neuer Anwendung
Innovative medizinische Textilien können einen wichtigen Beitrag in unserem modernen Gesundheitssystem leisten. Das Institut für Hygiene und Biotechnologie setzt dabei auch auf neue faserbasierte Werkstoffe und Materialien mit dem festen Blick auf wirtschaftliche und medizinische Erfolge. Natürliche Biopolymere und Stammzellen könnten ein solches Medizinprodukt der Zukunft sein.
Die im Jahr 1946 durch Prof. Dr.-Ing. Otto Mecheels gegründeten Hohenstein Institute sind ein international anerkanntes Forschungs- und Dienstleistungszentrum, das ein spezielles Life-Sciences-Institut unterhält, das Institut für Hygiene und Biotechnologie (IHB). Seit 2001 wird das IHB durch den Humanbiologen Prof. Dr. Dirk Höfer geleitet, der besonders den Bereich der Medizin in den Fokus des Instituts rückte. In dieser Zeit wurden zahlreiche öffentlich geförderte Forschungsprojekte durchgeführt, Produkte im Kundenauftrag bis zur Marktreife entwickelt sowie eine Reihe wissenschaftlich anerkannter Testmethoden etabliert und diese auf die besonderen Anforderungen textiler Materialien in der Medizin abgestimmt.
Mit 250 m2 Laborfläche, inklusive eines mikrobiologischen und biotechnologischen Labors, gehen die anwendungsorientierten Wissenschaftler den Themengebieten Neue Materialien, Regenerative Medizin, Medizinische Mikrobiologie sowie Arbeits- und Umweltmedizin nach. Die Ausrichtung des IHB ist dabei sowohl bei der Produktentwicklung wie auch bei den Prüfleistungen wirtschafts- und anwendungsnah.
Kontrolle der Textilhygiene
Die Rolle antimikrobieller Textilien in Infektionsketten wird untersucht.
© IHB
Im Bereich der angewandten Hygiene führt das IHB bereits seit 1996 Hygienekontrollen im Auftrag der Gütegemeinschaft Sachgemäße Wäschepflege e.V. durch. „Wir überprüfen die klinischen Wiederaufbereitungsprozesse in etwa 350 gewerblichen Wäschereien in Deutschland“, erklärt Prof. Höfer. Die verschiedensten Kriterien werden geprüft, von der Personalhygiene der Mitarbeiter über den desinfizierenden Waschprozess bis zu den eigentlichen Wäscheteilen. Weiterhin prüft das Institut die Betriebs- und Küchenhygiene sowie die Textilhygiene in Pflegeeinrichtungen.
In der Forschung werden unter anderem Infektionsketten über Textilien sowie die Barrierewirkung von OP-Bekleidung untersucht, welche die Übertragung von Keimen vom Operateur in die Wunde verhindert. Auch antimikrobiell ausgerüstete Produkte werden von den Wissenschaftlern des IHB untersucht und bewertet. „Wir erstellen Wirksamkeit-Zeit-Profile, um festzustellen, welche Leistungsfähigkeit diese Produkte unter praxisnahen Bedingungen erreichen“, erläutert Höfer.
Kostensenkung und schnellere Heilung
Innovative Textilsysteme für medizinische Anwendungen zu entwickeln ist der Schwerpunkt des Instituts. Aber auch wenn im Mittelpunkt der Forschung stets die Faser oder das Textil stehen, hat das, was hier mit Fördermitteln von Bund, Land und EU sowie im Direktauftrag der Industrie entsteht, auf den ersten Blick kaum noch etwas mit Textilforschung im herkömmlichen Sinn zu tun. Auch die Nutznießer der Forschungsprojekte finden sich schon längst nicht mehr allein unter den Textilherstellern. Mit Hilfe neuer Materialien will das IHB zum Beispiel neue Wundverbände konzipieren. „Welche neuen Fasern kann man verwenden, um an Wunden gezielt zu therapieren?“, lautet die Frage, die sich Dirk Höfer mit seinen Mitarbeitern stellt. Dabei setzen die Forscher auf tubuläre cellulosehaltige Fasern, die mit Antibiotika oder zellaufbauenden Wirkstoffen versetzt wurden. Kombiniert man diese Fasern mit Fasern, die mit Cellulase versetzten wurden, können die enthaltenen Medikamente gezielt und zu unterschiedlichen Zeiten freigesetzt werden.
Die Wirkstoffe werden mit Hilfe eines trocken vernadelten Vlieses in den Wundverband eingebracht. „Dies hat den Vorteil, dass sie nicht in hohen Konzentrationen gleich zu Anfang freigesetzt werden, sondern über einen relativ konstanten Wirkbereich über mehrere Stunden hinweg“, erklärt Höfer. An einer kleinen Patientengruppe konnten die Wissenschaftler mit Modellsubstanzen zeigen, dass die Stoffe mit dieser Technik abgegeben werden. Mit Hilfe von Kooperationspartnern könnten die neuen Wundverbände auch in ersten klinischen Studien getestet werden. An einem solchen Material mit drug delivery-Funktion im Ergebnis eines Forschungsprojektes sind Wirkstoffproduzenten ebenso wie Pharmahersteller, Krankenhäuser und Pflegedienste interessiert. Die große Aufmerksamkeit für das in Hohenstein entwickelte Grundprinzip ist mit Blick auf die Bestrebungen zur Kostensenkung im Gesundheitswesen ebenso nachvollziehbar wie aus Sicht der Patienten, deren Wunden mit Arzneiwirkstoff versetzten Verbänden schneller heilen.
Biopolymere unterstützen Stammzellen
Textilinduzierte Angiogenese durch Stammzellen
© IHB
Einen weiteren Zukunftstrend bilden die natürlichen Biopolymere, wie zum Beispiel das Chitosan. Die sich noch in der Grundlagenforschung befindlichen Trägersysteme, Scaffolds genannt, aus Chitosan, werden dazu verwendet, um Stammzellen im Körper zu applizieren. In der frühen Phase des Projektes werden bisher die Interaktion von Stammzellen und Biomaterial überprüft. Denn welchen Impuls das Material den Stammzellen zur Proliferation und Differenzierung durch die neue Applikationsform mitgibt, wissen die Forscher noch nicht. Doch einer weiteren, laut Höfer lange vernachlässigten Wirkung von Stammzellen sind die Wissenschaftler ebenfalls auf der Spur: Dem positiven Effekt auf die Angiogenese, also der Bildung kleiner Blutgefäße.
Um diesen Effekt zu nutzen, werden die Stammzellen am äußeren Bereich von tubulären Fasern aufgebracht und im Inneren die nötigen Faktoren eingefügt. „Wir bilden sozusagen die natürliche Umgebung im Körper nach, in der Stammzellen aus der Basallamina mit den entsprechenden Faktoren versorgt werden“, sagt Höfer. Ziel ist, dreidimensionale Scaffolds zu entwickeln, die durch die Angiogenesefaktoren der Stammzellen gut in das Gewebe integriert werden könnten.
Blutgefäße stehen auch im Mittelpunkt der Forschung mit Alginaten. Die Wissenschaftler wollen Hohlfasern aus den Salzen der Alginsäure herstellen und diese mit Endothelzellen bewachsen lassen. Auf diesem Weg könnten künstliche Blutgefäße generiert werden. Ebenfalls in der Entwicklung ist ein Fettgewebeersatz, mit dem eines Tages größere Weichteilverletzungen bei Patienten optimal behandelt werden sollen.
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Auf dem Weg zum Produkt
Wechselwirkung zwischen Textil und Mensch werden erforscht
© IHB
Das Hauptaugenmerk des IHB liegt stets in der Umsetzung solcher Forschungsergebnisse in Produkte. So hat das Institut eine Heizeinheit entwickelt, um eine Unterkühlung im OP zu bekämpfen. In das beheizbare Textil aus Polyester ist ein leitfähiger Faden eingelassen. Die dünne textile Schicht kann daher innerhalb weniger Minuten auf 36°C geheizt werden und modulartig auf den Körper, also an Armen, Beinen und dem Korpus, aufgebracht werden. Das Operationsfeld bleibt dabei immer frei. Das Projekt befindet sich in der letzten klinischen Anwendungsphase und wird vermutlich im nächsten Jahr auf dem Markt erscheinen.
In einem bei der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz (ZLG) akkreditierten Bereich untersucht das IHB die Wechselwirkung von Textilien und Bedarfsgegenständen mit dem Menschen und der Umwelt. Die Frage, ob die Produkte eine negative Auswirkung auf den Menschen haben (Humantoxikologie), ist nicht nur besonders bei Produkten relevant, die in der Medizin eingesetzt werden. Bei der Prüfung der Ökotoxizität, das heißt den Auswirkungen von Produkten oder speziellen (Oberflächen-)Ausrüstungen auf die Umwelt, verzichtet das IHB komplett auf Tierversuche. Stattdessen werden Aspekte wie die zellschädigende, genomverändernde oder irritierende Wirkung von Substanzen mit Hilfe von Hühnereiern oder Fischereiern sowie Hautmodellen untersucht.