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Imaging Flow Cytometry – eine neue Ära der Bildgebung

Hochauflösende Bilder oder quantifizierbare Ergebnisse – bisher mussten sich Forscher meist zwischen beiden entscheiden. Nicht aber beim neuartigen Imaging Flow Cytometer, das Fluoreszenzmikroskop und Durchflusszytometer in einem Gerät vereint. Damit eröffnet es neue Einblicke in komplexe zellbiologische Phänomene. Im Forschungsinstitut für Frauengesundheit am Uniklinikum Tübingen steht es in der einzigen entsprechenden Core Facility in Baden-Württemberg für Forschungszwecke zur Verfügung.

Mit der Kombination von Durchflusszytometer und Mikroskop in einem Gerät eröffnet der ImageStream®X neue Möglichkeiten zur Zellcharakterisierung. © Schenke-Layland Lab, Marina Kloess

Moderne Bildgebungsverfahren sind aus der biomedizinischen Forschung nicht mehr wegzudenken. Ohne Methoden wie die Durchflusszytometrie und die Fluoreszenz-Mikroskopie wären in der Forschung unzählige Erkenntnisse über biologische Prozesse nicht möglich gewesen. Ein Durchflusszytometer ermöglicht beispielsweise eine objektive, statistische Untersuchung von hohen Zellzahlen, basierend auf deren Fluoreszenzintensität, also dem Vorhandensein eines angefärbten Markers. Die Mikroskopie dagegen erlaubt eine Unterscheidung der Zellen, basierend auf deren Erscheinungsbild anhand von hochauflösenden Bildern; jedoch mangelt es an quantitativen Kriterien und statistischer Robustheit. Die beiden Messverfahren, die ein sehr ähnliches optisches Prinzip haben, decken damit unterschiedliche Aspekte ab.

Welche Möglichkeiten die Kombination beider Geräte eröffnet, zeigt nun ein neuartiges Gerät, das im Forschungsinstitut für Frauengesundheit am Uniklinikum Tübingen im Einsatz ist. „Das ImageStream®X Mark II kombiniert die Geschwindigkeit und Sensibilität eines Durchflusszytometers mit der detaillierten Bildgebung eines Mikroskops“, erklärt Simone Pöschel, technische Leiterin und Ansprechpartnerin für die Tübinger Image Stream Core Facility. Damit überwindet das Gerät die Einschränkungen der einzelnen Technologien und bietet eine objektive, statistische Methode zur Charakterisierung von Zellen anhand deren Erscheinungsbild.

Detailreichtum im Hochdurchsatz

Auf der technischen Seite ist das Gerät mit 5 Lasern, 12 Bildkanälen und mehreren Vergrößerungen ausgestattet. Damit können bis zu 5.000 Zellen pro Sekunde im Durchfluss erfasst werden. Neben der Quantifizierung der Fluoreszenzintensität werden dabei auch bis zu 12 hochauflösende Bilder aufgenommen. „Jeder einzelne Messpunkt kann dann den entsprechenden Bildern der Zelle zugeordnet werden, was nicht nur den Aufwand gegenüber getrennten Analysen verringert, sondern eben auch die statistische Analyse ermöglicht“, erklärt Simone Pöschel. So könnten auch Artefakte wie beispielsweise Überreste abgestorbener Zellen wesentlich einfacher erkannt und ausgeschlossen werden.

Um diese enorme Datenmenge zu bewältigen, verfügt die Plattform über eine spezielle Analyse- und Datenerfassungssoftware. Sie erlaubt eine detaillierte Analyse der Intensität, Lokalisation und Co-Lokalisation von Markern und damit eine genaue Untersuchung von Zellpopulationen, basierend auf morphologischen Merkmalen.

Technologie für die Stecknadel im Heuhaufen

Diese „Imaging Flow Cytometry“-Technologie kann in vielen biochemischen Forschungsbereichen ebenso wie in der Arzneimittelentwicklung, der Toxikologie oder der Mikrobiologie eingesetzt werden. „Die detaillierte Betrachtung ist besonders für die Analyse von komplexen und subtilen biologischen Phänomenen in heterogenen Kulturen von Bedeutung“, schildert Pöschel die Vorteile. Das würde beispielsweise die Suche nach potenziellen Metastasen-bildenden Zellen oder Tumorzellen in einer Biopsie ermöglichen. Weitere Anwendungen liegen in der Untersuchung der nuklearen Translokation von Markern, Zell-Zell-Interaktionen, Differenzierung von Stammzellen, aber auch vielen anderen Bereichen.

Die Adhäsion und Internalisierung von Yersinien in Makrophagen lässt sich mit der neuen Methode präzise analysieren. © Schenke-Layland Lab

Seit der Eröffnung der Core Facility konnten mithilfe des ImageStream®X-Gerätes bereits zahlreiche komplexe Zellcharakterisierungen durchgeführt werden. In einem Projekt wurden beispielsweise Prozesse im Zusammenhang mit einer Infektion durch Yersinia enterocolitica untersucht. Dabei handelt es sich um meist stäbchenförmige Bakterien, die eine fieberhafte Darmerkrankung auslösen. Sie greifen unter anderem Makrophagen eines Infizierten an und lösen deren Zelltod aus, was zu einer Schwächung der Immunabwehr führt. „Mit der neuen Technologie ist es gelungen, die Interaktion von Yersinien und Makrophagen zu visualisieren und zu quantifizieren“, berichtet Simone Pöschel. Durch die exakte Lokalisation von gefärbten Molekülen und zellulären Bestandteilen auf und innerhalb der Zellen konnten sie dabei analysieren, welche Makrophagen mit einem, zwei oder mehr als zwei Bakterien beladen waren und ob diese noch membranständig oder schon innerhalb der Zellen waren. „Diese Bestimmung des genauen Grads der Adhäsion oder Internalisierung wäre mit herkömmlichen Methoden nicht möglich gewesen“, betont sie. 1

Von Fortbildung bis „all inclusive“

Das Team der Core Facility unterstützt Anwender bei allen Arbeitsschritten. © Schenke-Layland Lab, Marina Kloess

Die Initiative zur Anschaffung des Hightech-Geräts ging von Prof. Dr. Katja Schenke-Layland aus, die die Core Facility leitet und den ImageStream®X auch für ihre Forschung einsetzt. Um auch anderen Forschern institutsübergreifend den Zugang zu ermöglichen, wurde dann die Core Facility in der Medizinischen Fakultät des Uniklinikums Tübingen ins Leben gerufen. Neben der reinen Messung wird den Anwendern hier auch Unterstützung beim experimentellen Setup geboten, also zum Beispiel der Auswahl geeigneter Farbkombinationen oder wichtiger Kontrollen für eine bestimmte Fragestellung. „Da die Arbeit mit dem ImageStream®X sehr komplex ist, bieten wir ein Training und Assistenz sowohl für Imaging als auch für die Datenauswertung an, sodass Anwender die Analysen auch selbstständig durchführen können“, erläutert Simone Pöschel. Wer diese Arbeit aber lieber dem Team der Core Facility überlässt, kann sich auch für den „Full service“ entscheiden. Dabei übernimmt die Core Facility alles von der Messung über die vollständige Auswertung inklusive Report bis hin zur Vorbereitung der Graphen und Bilder für Publikationen.

Literatur

1 Drechsler-Hake et al. Int J Med Microbiol. (2016), PubMed: 27107739 DOI: 10.1016/j.ijmm.2016.04.002

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/imaging-flow-cytometry-eine-neue-aera-der-bildgebung