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Immunoproteasome Drug Targeting - Hilfe bei Autoimmunerkrankungen

Als Professor an der Universität Konstanz forscht Marcus Groettrup schon seit längerem auf dem Gebiet der Immunologie. 2009 machte er dabei eine Entdeckung, die aus ihm einen Unternehmensgründer werden ließ: Groettrup untersuchte das Immunproteasom, das in Zellen für den Abbau von Proteinen zuständig ist. Dabei stellte er fest, dass es eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen spielt. Mit diesem Wissen gründete er das Steinbeis-Transferzentrum „Immunoproteasome Drug Targeting“, das Pharmafirmen bei der Entwicklung von Medikamenten mit dem Immunproteasom als Zielstruktur unterstützt.

Der Konstanzer Forscher Marcus Groettrup gründete 2011 seine eigene Firma zur Nutzbarmachung des Immunproteasoms für therapeutische Zwecke. © Marcus Groettrup

Beim Proteasom handelt es sich um einen großen Proteinkomplex, der im Cytoplasma und Zellkern von Lebewesen vorhanden ist. „Wesentliche Aufgabe des Proteasoms ist die Fragmentierung von Proteinen, ein Prozess, der aufgrund der geringen Lebensdauer einiger Proteine ständig stattfindet“, erläutert Groettrup. Gegenüber dem herkömmlichen sogenannten konstitutiven Proteasom besitzt das Immunproteasom einige Untereinheiten, die für die Bekämpfung von Viren und Bakterien besonders wichtig sind. Gelangen Viren oder Bakterien in eine Körperzelle, werden ihre Proteine zunächst wie andere Proteine der Zelle auch abgebaut. Danach werden die entstehenden Bruchstücke von ihnen auf der Zelloberfläche vorgezeigt, an die sich T-Lymphozyten binden können. Diese weißen Blutkörperchen töten anschließend die infizierte Zelle ab. „Seit langem ist bekannt, dass das Immunproteasom für die Fragmentierung von Viren und Bakterien zuständig ist“, erläutert Groettrup. „Darüber hinaus konnten wir aber feststellen, dass auch die Produktion von entzündungsfördernden Botenstoffen durch das Immunproteasom gesteuert wird.“ Um die Immunantwort der weißen Blutkörperchen zu stimulieren, müssen Fresszellen, sogenannte Makrophagen, entzündungsfördernde Botenstoffe ausschütten. Dieser Prozess wird gehemmt, wenn weniger Immunproteasomen vorhanden sind.

Inhibitor gegen das Immunproteasom lässt sich therapeutisch einsetzen

Die neue Erkenntnis konnten Groettrup und sein Team in der Kooperation mit einer amerikanischen Pharmafirma nutzen. Diese hatte einen Inhibitor gegen das Immunproteasom hergestellt, mit der Zielsetzung, so Krebszellen gezielt abtöten zu können. Das Vorhaben gelang nicht, doch Groettrup konnte nachweisen, dass sich der Inhibitor zur Bekämpfung von Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoide Arthritis und Typ-1-Diabetes in Mausmodellen einsetzen lässt. Auch zur Behandlung von Morbus Crohn konnte die Wirksamkeit des Inhibitors in präklinischen Modellen nachgewiesen werden, und gegenwärtig testet Groettrup seine Anwendung bei Multipler Sklerose. „Bei diesen Krankheiten reagiert das Immunsystem gegen den eigenen Körper“, erklärt Groettrup. „Indem wir die Aktivität des Immunproteasoms hemmen, verhindern wir, dass entzündungsfördernde Botenstoffe ausgeschüttet werden und können so die Symptome und das Fortschreiten der Krankheit unterdrücken.“ Über den Einsatz des Immunproteasoms zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen veröffentlichte er im Jahr 2009 einen Artikel in der renommierten Fachzeitschrift Nature Medicine. Der Artikel stieß auf ein dermaßen großes Interesse in der Pharmaindustrie, dass Groettrup beschloss, die Nutzbarmachung des Immunproteasoms für therapeutische Zwecke mit einer eigenen Firma voranzutreiben.

Steinbeis-Transferzentren – zwischen Universität und Industrie

Im Jahr 2011 gründete er seine Firma „Immunoproteasome Drug Targeting“ in der Form eines Steinbeis-Transferzentrums. Ermöglicht wurde die Firmengründung von der Steinbeis-Stiftung mit Sitz in Stuttgart. Diese unterstützt mit dem Ziel des Wissenstransfers zwischen Forschung und Industrie unter anderem Professoren an Universitäten und Fachhhochschulen bei der Firmengründung. Administrative Aufgaben wie Kontenüberwachung oder Controlling werden dabei von der Stiftung übernommen. Seine Kunden begleitet er mit diversen Angeboten bei der Entwicklung neuer Medikamente, die auf das Immunproteasom wirkensollen: Zunächst einmal stellt er es ihnen in aufgereinigter Form zur Verfügung, anschließend assistiert er bei der Entwicklung von Assays und der Validierung von entwickelten Substanzen.

Die Abbildung zeigt ein Modell der dreidimensionalen Struktur des Immunproteasoms, wie sie die Gruppen von M. Groettrup und M. Groll im Jahr 2012 ermittelt haben (Cell 148: 727-738). Das Immunproteasom des Menschen oder der Maus wird in der Firma von Prof. Groettrup aufreinigt und ihren Kunden zur Verfügung gestellt. © Marcus Groettrup

Von der Aufreinigung bis zur Testentwicklung

Um das Immunproteasom aus menschlicher Zellkultur aufzureinigen, muss es zunächst von den etwa 20.000 vorhandenen Proteinen in einer Zelle getrennt werden. Für diesen Schritt bedient Groettrup sich eines sogenannten Chromatographiesystems. Dabei werden unter gekühlten Bedingungen die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Immunproteasoms ausgenutzt, um es von anderen Proteinen zu trennen. Damit seine Kunden das so isolierte Immunproteasom für die Medikamentenentwicklung nutzen können, stellt Groettrup außerdem Tests bereit, durch die die Aktivität des Immunproteasoms sichtbar wird. Dabei wird ein Substrat des Immunproteasoms so markiert, dass es bei Abspaltung fluoresziert. Ist das Immunproteasom aktiv, so wird das Peptid abgespalten und die Aktivität kann visuell erfasst werden.

Einen Nutzen aus dieser Kooperation zwischen Universität und Industrie ziehen aber nicht nur die Firmen. Auch Groettrup zeigt sich erfreut über den Austausch mit seinen Kooperationspartnern. „Ich kann aus den sehr fruchtbaren Kooperationen viel lernen“, freut er sich.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/immunoproteasome-drug-targeting-hilfe-bei-autoimmunerkrankungen