Krebstherapie führt über den Sekretionsweg
Die Sekretion ist ein fundamentaler zellulärer Prozess. Defekte im Sekretionsweg findet man bei einigen genetischen Erkrankungen, in denen die Reifung von Proteinen gestört ist. Ebenfalls gehen nicht-genetische Erkrankungen, wie etwa Stoffwechselerkrankungen oder Krebs, mit Störungen des Sekretionsweges einher. Dr. Hesso Farhan von der Universität Konstanz und dem Biotechnologie Institut Thurgau untersucht, wie man durch Eingriffe am Sekretionsweg der Entstehung und Ausbreitung von Tumoren entgegenwirken kann. Sein Forschungsteam konnte anhand eines neuen Verfahrens bereits Migrationshemmer identifizieren, die auf herkömmliche Vorgehensweise unentdeckt geblieben wären.
Der Golgi-Apparat ist Teil des Sekretionsweges und ein wesentlicher Bestandteil jeder eukaryontischen Zelle. Er ist an der Bildung von Sekreten sowie anderen Stoffwechselaufgaben beteiligt und besteht aus einem Stapel von Zisternen. „In diesen Zisternen werden Proteine post-translational modifiziert, zum Beispiel werden ihnen Zuckergruppen angefügt. Diese Zuckergruppen sind sehr wichtig für die Reifung der Proteine“, erklärt Dr. Hesso Farhan vom Biotechnologie Institut Thurgau der Universität Konstanz.
Doch neben der Einbeziehung der klassischen Rolle des Golgi-Apparats zur Reifung von Proteinen beizutragen, stützt sich Dr. Farhan überwiegend auf neuere Forschungsergebnisse. Diese zeigen, dass der Golgi-Apparat entscheidend in die Signalübertragung eingreift und somit viel mehr die Bestimmung von Zellen beeinflusst, als bislang bekannt war. Der Golgi-Apparat reguliert aber auch die Zellmigration, welche maßgeblich an der Entstehung von Metastasen beteiligt ist. „Wenn wir herausfinden, wie wir Krebszellen daran hindern können zu wandern, werden wir auch neue Mittel gegen Metastasen haben, die in Kombination mit der bereits existierenden Chemotherapie zu einer Steigerung der Überlebensrate führen könnten“, berichtet der Biologe vom der Universität Konstanz, der diese Mechanismen erforscht. Die Ausbreitung von Metastasen ist immerhin für 90 Prozent der krebsbedingten Todesfälle verantwortlich.
Dr. Hesso Farhan mit seiner Forschungsgruppe.
© Hesso Farhan
Golgi-Apparat steuert Zellmigration
Wie die Forschungsgruppe aufdecken konnte, sind die Beziehungen zwischen Signaltransduktion, Golgi-Apparat und Zellmigration in Wirklichkeit aber noch viel komplexer. Denn auch der Golgi-Apparat wird von Signalen reguliert, während er gleichzeitig Einfluss auf diese nimmt. Der Golgi-Apparat ist nicht nur passiver Empfänger, sondern reguliert auch aktiv Signale. Anknüpfend lässt sich vermuten, dass er eine primäre Rolle in der Zellmigration einnimmt. Inwieweit dies der Fall ist will Dr. Hesso Farhan mit seinen aktuellen Forschungsarbeiten zum Sekretionsweg klären. Im Moment laufen die Forschungsarbeiten auf Hochtouren. „In jedem Fall ist die Forschung am Sekretionsweg ein vielversprechender Ansatz, um Krebs von seiner Entstehung an zu bekämpfen“, sagt der Biologe.
Neuartige Erkennung von Migrationshemmern
Im Gegensatz zur herkömmlichen Forschung geht Dr. Farhan einen anderen Weg, um neue Migrationshemmer zu identifizieren: „Wir benutzen eine Golgi-zentrische Strategie, in der wir zuerst den Effekt auf die Golgi-Struktur testen und danach die Zellmigration untersuchen.“ Auf diese Weise konnten er und sein Team Regulatoren identifizieren, die mit der herkömmlichen Methode unbekannt geblieben wären. Die Rolle eine Proteins wird untersucht, indem man es mittels small interfering RNA (siRNA) gezielt ausschaltet. Das sind kleine RNA-Moleküle welche - sobald sie in eine Zelle eingebracht werden - die Neubildung von Proteinen unterdrücken. „Klassischerweise hat man die Funktion von Proteinen überprüft, indem man sie in Zellen überexprimiert hat. Das bedeutet, man hat eine Zelle gezwungen, das 10- bis 20-fache dieses Proteins zu produzieren“, verdeutlicht Dr. Farhan. Dies barg bisher jedoch Ungenauigkeiten und führte häufig zu falschen Schlussfolgerungen.
Links eine Kontrollzelle, in der der Golgi sich kompakt darstellt. Der Golgi wurde mittels Immunfluoreszenz gegen Giantin, ein Markerprotein des Golgi-Apparates dargestellt. Rechts eine Zelle, in der ein Protein ausgeschaltet wurde (mittels siRNA, was zu einer starken Störung der Golgistruktur führt. Solche Proteine bezeichnen die Gruppen von Dr. Farhan als „Golgi-class hits“. Hier wurde ebenfalls der Golgi-Apparat mittels Immunfluoreszenzfärbung gegen Giantin dargestellt. Alle Bilder wurden mit einem konfokalen Laserscanning-Mikroskop aufgenommen.
© Hesso Farhan
Durch die Kombination aus der Überexpression von Proteinen und deren gezielter Ausschaltung mittels siRNA untersucht die Gruppe um Dr. Farhan den Effekt auf die Golgistruktur. Letztere wird mittels konfokaler Laserscanning-Mikroskopie ermittelt. Es konnte hierbei beobachtet werden, dass in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine Störung der Golgimorphologie mit einer Störung der Migration einhergeht. Ein Protein, dessen Ausschaltung zur Hemmung der Zellmigration führt, ist eine vielversprechende Zielstruktur als anti-metastatisches Krebstherapeutikum. Mittlerweile konnte die Forschungsgruppe bereits mehr als 100 Proteine analysieren sowie deren Interaktion mit Golgi-Apparat und Signalübertragung überprüfen.
Wann die Forschungsergebnisse in Behandlungskonzepte integriert werden können oder gar neue Behandlungswege für Krebskranke entstehen, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. „Ich fände es sehr schön und befriedigend, eines Tages sagen zu können, dass die Grundlagen, die wir geschaffen haben, einem Patienten geholfen haben, weil sie zur Entwicklung einer neuen therapeutischen Strategie beitrugen“, bemerkt Dr. Farhan abschließend.
Weiterführende Informationen:
Biotechnologie Institut Thurgau
Fachbereich Biologie
Universität Konstanz
Unterseestraße 47
CH-8280 Kreuzlingen
Schweiz
Tel.: +41 (0)71 678 5027
Fax: +41 (0)71 678 5021
E-Mail: hesso.farhan(at)uni-konstanz.de
Web: www.bitg.ch/DWresearch_Farhan.html