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KVART - Ein Klinikbett, das mitdenkt

"Bewegung ist das beste Medikament" - unter dieser Maxime haben die beiden erfahrenen Neurologen Dr. Clemens Gutknecht und Dr. Josef Schönberger die Behandlung, Remobilisierung und Pflege bettlägeriger Patienten hinterfragt. Die Antwort auf diese Frage hat sich in einem Konzept für ein intelligentes Krankenbett niedergeschlagen: Mit patentierter Technologie und quantitativ erfassbarem Marktpotenzial wollen die beiden Mediziner mit ihrem in Konstanz gegründeten Unternehmen KVART GmbH im klinischen, therapeutischen und pflegerischen Alltag völlig neue Dimensionen eröffnen.

Die beiden Mediziner der KVART GmbH: Dr. Clemens Gutknecht (Geschäftsführer) und Dr. Josef Schönberger (F&E) mit ihren beiden Coaches Dr. Michael Steinwand (Business Development) und Moritz Meidert (Finanzen). © BioLAGO

Elemente des neuartigen Konzepts eines aktiven Krankenbetts sind zunächst Funktionen wie beispielsweise Kippen und Aufrichten der Liegefläche sowie die passive und aktive Bewegung der Extremitäten zur Stimulation von Vitalfunktionen. Dazu kommt, als der eigentlich wesentliche Bestandteil des Konzepts, eine aktive Rückkopplung von basalen physiologischen Parametern wie Puls oder Blutdruck, die zur Regelung der Bettfunktionen in einem multiparametrischen Regelkreis herangezogen werden. Eine Software steuert die Art, Dauer und Amplitude der Bewegungen auf der Grundlage von ärztlich vorgegebenen Zielwerten. Der Patient ist also nicht etwa einer Maschine ausgeliefert, sondern die ärztliche Verordnung wird intelligent vom Krankenbett umgesetzt. Prinzipiell funktioniert dies in zwei Richtungen: Zum einen werden die Patienten entsprechend ihrer medizinischen Bedürfnisse intensiv mobilisiert, zum anderen werden durch die physikalischen Stimuli die gewünschten Vitalwerte der Patienten im Idealfall ohne Medikamentengabe erreicht.

KVART unterstützt die Behandlung bettlägeriger Patienten

Das neue Konzept ist im Produkt- und Firmenname verborgen: kardiovaskuläres Akutbett mit Regeltechnik - KVART. Die Idee hierfür entstand bereits 2007, als die Mediziner Gutknecht und Schönberger, beide mit langjähriger Chefarzterfahrung an neurologischen Kliniken in der Schweiz und in Deutschland, zusammen an einem Forschungsprojekt arbeiteten. „Gemeinsam mit der ETH Zürich und weiteren universitären Partnern, der neurologischen Rehabilitationsklinik Zihlschlacht, der österreichischen Klinik Hochzirl und einer Schweizer Medizintechnikfirma wurde an einem neuen Therapieansatz für Wachkomapatienten gearbeitet, bei dem u.a. die Wirkung von passiver Aufrichtung und Bewegung auf verschiedene Funktionen eines Patienten untersucht wurde", so die beiden Neurologen und Rehabilitationsmediziner.

Bei der Auswertung von Detailergebnissen erkannten die Firmengründer das Potenzial für einen völlig neuen Behandlungsansatz in der intensivmedizinischen Therapie und für die Rehabilitation von bettlägerigen Patienten. Der Ansatz bestand darin, die Vitalfunktionen des ans Krankenbett gebundenen Patienten durch physikalische Stimuli laufend zu verbessern. Der entscheidende Gedanke dabei war, einen solchen Ansatz auf der einen Seite, durch entsprechende funktionale Ausstattung des Krankenbetts, unkompliziert zu realisieren und ihn auf der anderen Seite mit Hilfe einer softwaregesteuerten Regeltechnik zu automatisieren und damit im Klinikalltag umsetzbar zu machen. Die Idee wurde zum Patent angemeldet und führte zur Überlegung einer Geschäfts- und Firmengründung.

In dieser Phase wandten sich die beiden Erfinder an den BioLAGO e.V., welcher die  Mediziner an Dr. Michael Steinwand, Inhaber der Innovendia Consulting Services und Mitglied im BioLAGO Verbund, vermittelte. Mit seiner langjährigen Erfahrung im Business Development im Bereich der Life Sciences klärte er mit den Gründern zunächst einige grundsätzlichen Fragen ab: „Als erstes stand die Frage im Raum, ob und welche Marktchancen es für ein Produkt wie 'KVART' gibt und wie ein solches Produkt gegebenenfalls beschaffen sein muss. Kurz, wir mussten prüfen, ob eine solche Idee vermarktbar ist oder nicht“, erläutert Steinwand, der seit kurzem auch als Coach für Life-Science-Startups bei bwcon tätig ist. Nachdem die wesentlichen Fragen positiv beantwortet werden konnten, entschlossen sich die Mediziner 2013 die KVART GmbH zu gründen.

Konkurrenzstarkes Produkt - Klinikbett füllt Marktlücke

Das innovative KVART-Prinzip © KVART GmbH
Als vorteilhaft für den Start des Unternehmens ist die aktuell noch praktisch konkurrenzlose Marktsituation zu betrachten. „Es gibt zwar durchaus durchdachte Multifunktionsbetten mit High-Tech-Charakter und interessante Therapiegeräte, allerdings keine 'wirklich intelligenten' Klinikbetten wie KVART, weder auf dem deutschen noch auf dem Schweizer oder sonstigen internationalen Markt“, so der neu gebackene Geschäftsführer Gutknecht. Zunächst wurden als Zielmärkte Einrichtungen zur Frührehabilitation und Intensivstationen avisiert, in welchen allein in Deutschland 25.000 Patientenbetten in Benutzung sind. „Wir haben schon einige Anfragen erhalten und sehen großes Interesse an unserer Erfindung. Wenn sich alles so entwickelt, wie wir uns das erhoffen, ist der Markteintritt bereits 2014 möglich“, bemerkt Gutknecht. Durch Produktvariationen soll mittel- und langfristig auch der Gebrauch des Bettes in Pflegeheimen, der Rehabilitation und sogar der dezentralen, häuslichen Pflege ermöglicht werden. „Eine der bevorstehenden Marketingaufgaben ist es daher, auch die Kostenträger wie Kranken- und Pflegekassen vom Nutzen dieses Bettes zu überzeugen“, so Steinwand von Innovendia Consulting. Der extern für die Finanzen zuständige, betriebswirtschaftliche Coach Moritz Meidert von Springwater hat den momentan gültigen Geschäftsplan des Bettes auf acht Jahre ausgelegt, wobei im dritten Jahr mit der Lieferung von Seriengeräten und kurz darauf mit positivem Cash Flow gerechnet wird. Für die weitere Umsetzung des Konzepts suchen Meidert und Steinwand gemeinsam mit den Gründern intensiv nach weiteren Teilhabern und Investoren, um das Projekt kommerziell umzusetzen.

Wichtige Schritte in der Entwicklung

Ein „Urprototyp“ des entwickelten Geräts existiert bereits an der ETH Zürich in Form eines dynamischen Kipptisches mit externen Messvorrichtungen für Puls und Blutdruck. Weitere zu regelnde Parameter sollen dazukommen, wie z.B. Hirndruck, Körpertemperatur und Atemfrequenz. „Das Herzstück ist die simultane, kontinuierliche Überwachung von mehreren physiologischen Werten und die daraus resultierenden Stellgrößen für die Bewegungs- und anderen Stimulationsfunktionen des Betts - multi-input, multi-output Prinzip ('MIMO')“, erklärt Schönberger, in der Geschäftsführung für Forschung und Technik zuständig. „Das System reguliert die Funktionen so, dass die physiologischen Werte in einem vom Arzt vorzugebenden, dem Patientenzustand angepassten, Bereich zu liegen kommen. Damit ist auch über längere Zeiträume hinweg eine therapieorientierte Stabilisierung der Vitalfunktionen sichergestellt.“ Bis Ende dieses Jahres wird ein produktnaher Prototyp zunächst für eine Machbarkeitsstudie an gesunden Probanden entwickelt sein. Im Weiteren sollen dann für den Patienteneinsatz geeignete Prototypen entwickelt und in renommierten Universitätskliniken und Frührehabilitationseinrichtungen getestet werden.

Wer hat den Nutzen?

„Eine Erfindung wird erst zur Innovation, wenn sie Kundennutzen birgt“, so eine grundsätzliche Arbeitsthese von Innovendia Consulting. Im Falle des KVART erfahren sowohl der Patient, als auch der medizinische Leistungserbringer und der Kostenträger einen hohen Nutzwert: „Der Patient wird frühzeitig einer intensiven und frequenten Bewegungstherapie unterzogen, die wegen der personalaufwändigen Umlagerungsproblematik von Bettlägerigen ohne KVART bisher gar nicht oder zumindest nicht im erforderlichen Umfang bewerkstelligt werden kann. Bei systematischer Anwendung des KVART-Prinzips rechnen wir mit verbessertem und verkürztem Krankheitsverlauf, schnellerer Mobilisierung und einer geringeren Komplikationsrate als bisher“, so Schönberger und Gutknecht übereinstimmend. Gutknecht: „Natürlich muss diese Annahme in sauberen klinischen Studien nachgewiesen werden.“ Der ökonomische Nutzen liegt bei den Leistungserbringern und Kostenträgern: Abrechenbare Therapieleistungen ohne zusätzlichen Personalaufwand und ein früher Therapieerfolg einerseits, stehen einer kürzeren Aufenthaltsdauer in kostenintensiven Abteilungen und geringeren Medikationskosten gegenüber.

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