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Lichtaktivierte Enzyme für neue optogenetische Ansätze

Im Rahmen einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschergruppe werden am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg Photorezeptoren aus Algen und Bakterien untersucht, die als optogenetische Werkzeuge zur Erforschung von Regulations- und Stoffwechselwegen dienen. So konnte durch Einbau eines photoaktivierten Bakterienenzyms in Zebrafische die durch Stressfaktoren ausgelöste hormonelle Reaktionskette dargestellt werden.

Optogenetik ist eine Technologie, mit der durch genetische Manipulation Photosensoren in Zellen eingebaut werden, sodass sie durch optische Signale gesteuert werden können. Die Hirnforschung ist in den letzten zehn Jahren durch die Optogenetik geradezu revolutioniert worden; mit ihren Methoden lassen sich Nervenzellen mit ihren vielfältigen Verästelungen und Verschaltungen in komplexen neuronalen Netzwerken räumlich und zeitlich präzise darstellen und ihre Aktivitäten verfolgen, was vorher nur mit der Patch-Clamp-Technik in speziellen Fällen an Einzelzellen möglich war.

Die in der Optogenetik am meisten verwendeten Lichtrezeptoren sind die 2003 entdeckten Channelrhodopsine (Kanalrhodopsine). Das sind lichtgetriebene Ionenpumpen, die in den Zellmembranen der einzelligen Grünalge Chlamydomonas vorkommen, wo sie Lichtenergie durch gerichteten Ionentransport in ein elektrochemisches Membranpotenzial umwandeln, das als Energielieferant für andere Transportprozesse oder zur Synthese von ATP verwendet werden kann. Die Methoden der Optogenetik sind jedoch nicht auf die Hirnforschung und den Einsatz lichtempfindlicher Ionenkanäle beschränkt.

Ein photoaktiviertes Bakterienenzym im Zebrafisch

Dr. Soojin Ryu, Max-Planck-Institut für medizinische Forschung, Heidelberg. © MPImF

Dr. Soojin Ryu, die am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg die Forschungsgruppe „Entwicklungsgenetik des Nervensystems“ leitet, hat in transgenen Zebrafisch-Larven als Tiermodellen neben neuen Channelrhodopsin-Mutanten auch photoaktivierte Adenylylcyclase und lichtgesteuerte G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR) eingesetzt, um die durch Stressfaktoren ausgelöste hormonelle (endokrine) Signalkette zu untersuchen. Adenylylcyclasen sind Enzyme, die die Synthese des weit verbreiteten sekundären Botenstoffs cAMP (cyclisches Adenosinmonophosphat) aus ATP katalysieren. Sie werden durch GPCRs aktiviert, nachdem diese das zu ihnen passende Hormon gebunden haben.

Auf Stress, also die Bedrohung des physiologischen Gleichgewichts durch Umwelteinflüsse, reagieren Fisch und Mensch gleichermaßen durch die Expression zweier Hormone - Vasopressin und „Corticotropin-releasing Hormone“ – in bestimmten Nervenzellen des Hypothalamus im Zwischenhirn, wodurch in der Hirnanhangsdrüse oder Hypophyse durch Vermittlung von cAMP ein weiteres Hormon, das ACTH (Adrenocorticotropes Hormon), in die Blutbahn ausgeschüttet wird. ACTH wiederum stimuliert in der Nebennierenrinde die Freisetzung von Corticosteroiden wie Cortisol, die als Endglieder der Signalkette ihre Wirkung an zahlreichen Zielorten sowohl im Zentralnervensystem als auch im Herz-Kreislauf-System und Stoffwechsel entfalten.

Ryu und ihrem Team gelang es, mit dem Einbau des Gens von photoaktivierter Adenylylcyclase aus dem Bodenbakterium Beggiatoa (bPAC) in die DNA der Hypophysenzellen von Zebrafischlarven den Corticosteroidspiegel im Organismus hochzuregulieren. Mit Blaulicht-Impulsen, die auf den Photosensor von bPAC abgestimmt waren, ließen sich die Enzymaktivität an- oder abschalten, die cAMP-Konzentrationen und der Cortisolgehalt einstellen. Entsprechend änderte sich auch das Stressverhalten der Tiere. Die bPAC-transgenen Zebrafischlarven stellen ein ausgezeichnetes Modellsystem dar, an dem sich die komplexen neuroendokrinen Vorgänge und Verhaltensweisen von Wirbeltieren auf Stresssituationen in ihren Einzelschritten studieren lassen. Mit ihren Untersuchungen haben die Heidelberger Max-Planck-Forscher auch das Repertoir an optogenetischen Methoden von lichtgesteuerten Ionenkanälen in Nervenzellmembranen auf Rezeptoren wie GPCRs und intrazelluläre Enzyme wie bPAC erweitert.

Proteinbasierte Lichtschalter als optogenetische Werkzeuge

Modell der Übertragung von Blaulicht-Signalen zwischen BLUF-Lichtrezeptoren (grau) und Effektoren der BLUF-Signalkaskade. © MPImF
Die Arbeitsgruppe von Ryu ist Mitglied der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschergruppe „Protein-based Photoswitches as optogenetic tools“ (FOR 1279), an der sich Wissenschaftler von sieben deutschen Forschungseinrichtungen beteiligen, um die Entwicklung neuer optogenetischer Werkzeuge für vielfältige Anwendungen in der Zellbiologie und den Neurowissenschaften voranzutreiben. Ebenfalls Mitglied von FOR 1279 ist die Gruppe „Photoreceptors“ von Professor Dr. Ilme Schlichting, Leiterin der Abteilung Biomolekulare Mechanismen und Direktorin am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg. Die Biophysikerin, eine international renommierte Expertin für die Strukturforschung an Proteinen, untersucht schon seit vielen Jahren lichtaktivierte Enzyme und ihre Photosensoren. Während die Rhodopsine - eine riesige Proteinklasse, zu der auch der Sehpurpur in der Netzhaut der Augen gehört - in ihrer Photorezeptor-Domäne als Farbträger (Chromophor) das Retinal enthalten (ein mit Vitamin A verwandtes Carotinoid), besteht das Chromophor der lichtaktivierten Adenylylcyclase bPAC aus Flavinadenindinucleotid (FAD).

Nach neuen Werkzeugen wird gesucht

Prof. Dr. Ilme Schlichting © MPImF

Derartigen Enzymen mit Blaulicht-empfänglichen Flavin-haltigen Photorezeptor-Domänen, die als BLUF („sensor of blue light using FAD“) bezeichnet werden und die außer bei Bakterien wie Beggiatoa auch bei bestimmten Einzellern (Euglenozoa) und Pilzen vorkommen, gilt Schlichtings besonderes Interesse. Außerdem werden lichtaktivierte Kinasen, (Phototropine) aus der Grünalge Mougeotia und lichtregulierte Transkriptionsfaktoren (Aureochrome) aus Goldalgen wie Vaucheria untersucht, deren Photosensoren ebenfalls Flavin enthalten - allerdings in einer anders aufgebauten Proteindomäne, die als LOV („light, oxygen or voltage sensing“) bezeichnet wird.

Die Strukturen all dieser unterschiedlichen lichtaktivierbaren Proteine werden von Schlichting und ihren Mitarbeitern im Rahmen von FOR 1279 kristallographisch bestimmt und die strukturell charakterisierten Proteine enzymatisch, spektroskopisch und funktionell im Detail sowohl in vitro als auch in vivo untersucht. Vergleichende Studien werden auch an synthetischen Systemen wie zum Beispiel einer genetisch fusionierten Rhodopsin-Cyclase-Chimäre durchgeführt.

Damit kann der Wissenschaft ein ganzes Set an neuen, durch Licht gesteuerten Werkzeugen mit unterschiedlichen, gut charakterisierten Eigenschaften für optogenetische Untersuchungen zur Verfügung gestellt werden. Weit über die Problemstellungen der Neurowissenschaften hinaus können diese Werkzeuge auch zur Erforschung von Regulationsprozessen der Zell- und Entwicklungsbiologie und der Stoffwechselwege im gesunden und krankhaft veränderten Organismus dienen.

Publikationen:
DeMarco RJ, Groneberg AH, Yeh C-M, Castillo Ramirez LA, Ryu S (2013): Optogenetic elevation of endogenous glucocorticoid level in larval zebrafish. Frontiers in Neural Circuits 7, 1-11.
Jung A, Domratcheva T, Schlichting I: Detaillierte Einblicke in die Umwnadlung von Blaulichtsignalen. Research Report from Webservice 2007. Max Planck Institute for Medical Research.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/lichtaktivierte-enzyme-fuer-neue-optogenetische-ansaetze