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Liquid Biopsy – Hoffnungsträger für die Krebs-Diagnostik?

Einfache Bluttests sollen in Zukunft präzise Aussagen über den Status einer Krebserkrankung und den Therapieverlauf ermöglichen. An der Entwicklung von Liquid-Biopsy-Technologien wird weltweit intensiv gearbeitet, auch am Universitätsklinikum Freiburg. Hier wurde im Herbst 2015 mit großem Erfolg ein internationales Liquid-Biopsy-Symposium abgehalten.

Prof. Dr. Nikolas von Bubnoff ist seit 2012 Oberarzt an der Klinik für Tumorbiologie des Universitätsklinikums Freiburg. Er hat 2015 den ersten Liquid-Biopsy-Kongress in Freiburg koordiniert. © Universitätsklinikum Freiburg

Prof. Dr. Nikolas von Bubnoff ist Onkologe und Oberarzt am Freiburger Universitätsklinikum. Als Wissenschaftler hat er sich der Entwicklung neuer, molekularbiologisch basierter Krebstherapien verschrieben und er ist den molekularen Ursachen für das Versagen einer an sich wirkungsvollen Therapie auf der Spur. Diese Schwerpunkte führten ihn zur Liquid Biopsy, einer neuartigen Diagnose-Technologie, die er mit seinem Team in Freiburg bereits für onkologische Fragestellungen etabliert hat. Liquid Biopsy bezeichnet die Entnahme einer flüssigen, also liquiden Probe aus dem Organismus, in diesem Fall dem Blut eines Patienten. Solche Blutproben können bei Krebspatienten gleich in mehrerlei Hinsicht Informationen über die Erkrankung liefern.

Zum einen können einzelne Tumorzellen, die sich aus einer Geschwulst gelöst haben und nun frei im Blut zirkulieren, analysiert werden. Die Anzahl solcher Zellen in einem bestimmten Blutvolumen erlaubt Aussagen über die Metastasenbildung. Außerdem können die zirkulierenden Tumorzellen molekularbiologisch auf Oberflächenmoleküle untersucht werden, die sich als Angriffspunkt für Medikamente eignen. Mitunter werden Zell-Analysen auch heute schon unterstützend zur Kontrolle des Therapieverlaufs herangezogen. Eine weitere, hoch interessante Möglichkeit der Liquid Biopsy sind die Detektion und Analyse winziger, tumorspezifischer Schnipsel an Erbinformation, die ein Tumor an das Blut abgibt. Sowohl die Zellanalyse als auch die Untersuchung von Nukleinsäure-Fragmenten werden unter Wissenschaftlern intensiv diskutiert, wie von Bubnoff sagt: „Beide Verfahren dienen denselben Fragen nach dem Kommen und Gehen des Tumorgeschehens. Die technologischen Entwicklungen überschlagen sich zurzeit. Einige Forscher schwören auf die Analyse zirkulierender Zellen, andere auf die Analyse zirkulierender Nukleinsäure-Fragmente. Auf unserem Symposium haben sich entscheidende Vorteile für die DNA-Analyse herauskristallisiert. Ich persönlich halte eine Kombination beider Ansätze für eine gute Möglichkeit der prospektiven Diagnostik.“

Liquid Biopsy – zwei Verfahren, ein Ziel

Liquid Biopsy mit Analyse der frei zirkulierenden (fc) DNA. Die Grafik zeigt das Verfahren am Beispiel GIST (gastrointestinale Stroma-Tumoren). © Universitätsklinikum Freiburg, Jahresbericht 2014

Bei der Liquid Biopsy, die von Bubnoff mit seinem Team in Freiburg etabliert hat, werden dem Patienten pro Test nur acht bis neun Milliliter Blut entnommen. Die in diesem Flüssig-Biopsat enthaltenen tumorspezifischen DNA-Fragmente werden mithilfe der PCR (Polymerase Chain Reaction) aufgereinigt und mithilfe der digitalen PCR und des Next Generation Sequencing (NGS) analysiert. Das Verfahren ist sehr sensitiv: Wenn nur eines von rund 10.000 enthaltenen DNA-Fragmenten tumorspezifische Mutationen aufweist, kann es damit detektiert werden. Allerdings mussten herkömmliche PCR-Verfahren dafür speziell modifiziert werden, und „Standard-NGS-Protokolle sind nicht dafür gedacht, überhaupt in diesem hochsensitiven Bereich zu arbeiten“, wie Bubnoff sagt.

Der große Vorteil dieses Verfahrens ist, dass es relativ einfach eine kontinuierliche genetische Typisierung des Tumors erlaubt. „Bisher können für die Genotypisierung von soliden Tumoren nur Gewebeproben herangezogen werden. Die Entnahmen sind jedoch für den Patienten belastend und mit gewissen Risiken verbunden, weshalb sie bei Weitem nicht so häufig durchgeführt werden können wie Blutentnahmen. Deshalb erhielten wir stets nur einen statischen genetischen Fingerabdruck des Tumors von einem ganz bestimmten Ort zu einer ganz bestimmten Zeit. Dank der Liquid Biopsy sind wir jetzt in der Lage, die klonale Evolution eines Tumors abzubilden. Da auch jede Behandlung ein dynamischer Prozess ist, ist das nicht nur akademisch, sondern vor allem therapeutisch interessant“, so von Bubnoff. Bei Bronchialkarzinomen und schwarzem Hautkrebs nutzt das Freiburger Team die Liquid Biopsy heute schon zur Verlaufskontrolle während und nach der Behandlung.

Von Bubnoff hat bereits zwei internationale Patente eingereicht für Verfahren, mit denen per Liquid Biopsy DNA-Fragmente aus gastrointestinalen Stroma-Tumoren, kurz GIST, detektiert werden können. Zurzeit ist von Bubnoff im Gespräch mit Unternehmen im Raum Dresden, um auf der Grundlage dieser Patente kommerzielle Testverfahren zu entwickeln. „Es sind Pilotprojekte, bei denen wir hier am Standort Freiburg durch Seeding Grants unterstützt wurden. Aktuell bereiten wir einen Antrag vor für eine standortübergreifende Förderung, um das Projekt weiter voranzubringen“, sagt von Bubnoff.

Therapeutische Diagnostik ist das Einsatzgebiet, Vorsorge könnte später folgen

Mithilfe der Liquid Biopsy können tumorspezifische Mutationen im Blutplasma analysiert werden. Die Grafik zeigt, wie mittels digitaler PCR (dPCR) der Abfall tumorspezifischer Mutationen (im Gen für die Proteinkinase BRAF) im Blut eines Melanom-Patienten gezeigt wird. © Universitätsklinikum Freiburg

Prinzipiell würde sich die Liquid Biopsy auch zur Früherkennung im Rahmen der Krebsvorsorge eignen. Von Bubnoff dämpft hier jedoch die Erwartungen. „Ich halte den Einsatz solcher Systeme in der Krebsprävention für verfrüht. Die Verfahren müssen noch zwei, drei Entwicklungszyklen durchlaufen, um so extrem sensitiv zu sein, auch geringste Mengen zirkulierender DNA zu erfassen. Auch dann muss noch gezeigt werden, dass sie bei einem Patienten mit einem ansonsten nicht messbaren Tumor zuverlässig funktionieren und keine falsch negativen Befunde liefern.“

Die Sensitivität und die Frage nach den Grenzen der Aussagekraft der Liquid-Biopsy-Verfahren gehörten auch auf dem Freiburger Symposium zu den meist diskutierten Punkten. Von Bubnoff fasst das Meinungsbild zusammen: „Mit den neuen Methoden kann schon nach 10 bis 14 Tagen und damit wesentlich genauer und früher als bisher festgestellt werden, ob ein Patient auf die Therapie anspricht. Das gilt grundsätzlich für alle Krebsarten, auch wenn das Verfahren noch nicht in allen Fällen einsetzbar ist. Insbesondere bei Glioblastomen und anderen Tumoren hinter der Blut-Hirn-Schranke ist das heute noch ein Problem.“ Von diesen Tumoren gelangen derart wenig DNA-Fragmente in den Blutkreislauf, dass die Verfahren noch nicht sensitiv genug für die Detektion sind. Aber auch hier hält von Bubnoff es nur für eine Frage der Zeit, bis die Testsysteme das leisten.

Die jüngsten Fortschritte stimmen die Wissenschaftler jedenfalls optimistisch, dass die Liquid Biopsy sowohl für die Therapie als auch in fernerer Zukunft für die Vorsorge vielversprechende Optionen bietet. Das zeigte auch das unerwartet hohe Interesse von Besuchern und Rednern an dem ersten Liquid-Biopsy-Symposium in Freiburg. Mit 250 Anmeldungen hochkarätiger Experten wurden die Erwartungen übertroffen. Der Erfolg war für die Veranstalterteams vom CCCF (Tumorzentrum des Universitätsklinikums Freiburg) und ihren Kooperationspartnern vom Cancéropôle du Grand-Est in Straßburg ein derart starkes Signal, dass für 2017 wieder ein Meeting in Planung ist. 

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/liquid-biopsy-hoffnungstraeger-fuer-die-krebs-diagnostik