Mannheimer Kardiologen-Kongress 2012 - Medizin für kranke Herzen
Auf dem Mannheimer Kardiologen-Kongress im April 2012 wurde über die neuesten Ergebnisse zu Prognosen, Diagnosen und Therapien von Herzkrankheiten berichtet. Während die Therapie der Symptome viele Fortschritte verzeichnen kann, haben die auf die Krankheitsursachen zielenden Gen- und Stammzelltherapien noch einen weiten Weg bis zum erfolgreichen klinischen Einsatz. Vorgestellt wurde auch das neue an sieben bundesweiten Standorten angesiedelte Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, das vor allem die translationale Erforschung der wichtigsten Herzerkrankungen wie der Herzinsuffizienz und groß angelegte klinische Studien fördern soll.
Congress Center Rosengarten in Mannheim, Ort der Jahrestagung der DGK.
© Stadt Mannheim
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz-und Kreislaufforschung e.V. (DGK) wurde vor 85 Jahren am Kerckhoff-Institut in Bad Nauheim, dem heutigen Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung, gegründet. Damit ist sie die älteste und mit knapp 8.000 Mitgliedern größte kardiologische Gesellschaft Europas. Vom 11. bis 14. April 2012 führte die DGK im Mannheimer Congress Centrum Rosengarten ihre Jahrestagung durch, mit einer Rekordbesucherzahl von 8.200 aktiven Teilnehmern aus 27 Ländern. In mehr als 3.500 Vorträgen, Diskussionsrunden und Präsentationen wurden neue Entwicklungen und Erkenntnisse zu praktisch allen Aspekten der kardiovaskulären Erkrankungen und der Herzmedizin vorgestellt.
Gesünder in Baden-Württemberg
Obwohl die Mortalität an Herz-Kreislauf-Krankheiten in Deutschland während der letzten zehn Jahren deutlich abgenommen hat, sind sie immer noch die häufigste Todesursache - mit weitem Abstand vor Krebserkrankungen. Auch weltweit sterben fast doppelt so viele Menschen an kardiovaskulären Erkrankungen wie an Infektionskrankheiten (die als Todesursache weltweit an zweiter Stelle vor Krebs stehen). Auch in Deutschland bestehen große regionale Unterschiede: Die geringsten Erkrankungs- und Sterblichkeitsraten an koronaren Herzkrankheiten (chronische Erkrankungen der Herzkranzgefäße, durch die es zu einer Mangeldurchblutung des Herzens und in der Folge zu Herzinsuffizienz und Myokardinfarkt kommt) verzeichnet Baden-Württemberg; in Mecklenburg-Vorpommern liegen sie nach der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (gbe-bund) doppelt so hoch. Dass für diese Ungleichverteilung die Lebens- und Ernährungsgewohnheiten (Zigarettenkonsum, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen durch schlechte Ernährung) maßgeblich verantwortlich sind, war lange vermutet worden. Die auf dem Kongress vorgestellte „Gutenberg-Gesundheitsstudie“ hat die Rolle solcher Risikofaktoren (Rauchen, ungünstige Blutfettwerte, Fettleibigkeit und Diabetes) untermauert.
Das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung
Vorgestellt wurde in Mannheim das neue Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), dessen Aufbau als eines der von der Bundesregierung initiierten Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung bis 2015 abgeschlossen sein soll. Das DZHK bildet einen bundesweiten Verbund mit 25 Partnern in universitären und außeruniversitären Einrichtungen an sieben Standorten, darunter Heidelberg/Mannheim. Finanziert wird es zu 90 Prozent vom Bund und zehn Prozent von den Ländern mit jährlich 40 Millionen Euro.
Herzmuskelschwäche
© Universitätsklinikum Heidelberg
Mit dem DZHK soll die translationale Medizin auf dem Gebiet der Herzkrankheiten vorangetrieben werden, um Erkenntnisse der Grundlagenforschung rasch in die klinische Forschung und möglichst auch in die klinische Praxis umzusetzen. Gefördert werden Schwerpunktthemen zur Bekämpfung von Gefäßkrankheiten, angeborenen und erworbenen Herzmuskelerkrankungen, Herzinsuffizienz, Herz-Rhythmusstörungen und der Prävention von Herzinfarkt. Innerhalb dieser thematischen Schwerpunkte werden die einzelnen Standorte ihre Projekte vorantreiben - wie etwa in der Stammzellforschung, der Erforschung von MicroRNAs zur Diagnose und Therapie von Herzkrankheiten und der Entwicklung von prognostischen und diagnostischen Biomarkern.
Neben den Forschungsprogrammen werden im Rahmen des DZHK sogenannte kooperative Initiativen durchgeführt, für die etwa 35 Prozent der Gesamtmittel vorgesehen sind. Damit will man beispielsweise klinische Studien mit Medikamenten realisieren, für die es keinen Patentschutz gibt, und die deshalb nicht von der Pharmaindustrie durchgeführt werden. Eine Zusammenarbeit mit der Industrie im Rahmen der Forschungsprojekte ist aber ausdrücklich erwünscht. Es werden vor allem Verbundprojekte gefördert, die eine längerfristige Wirkung ausüben; ein wesentliches Auswahlkriterium ist die Koordination zwischen den Partnern.
Wie der Sprecher des DZHK, Professor Dr. Thomas Eschenhagen, erklärte: „Durch koordinierte Förderung wollen wir eine nationale Studienlandschaft aufbauen, denn Deutschland war bislang nicht besonders gut, was nationale Projekte angeht. Wir haben zwar exzellente Forschung, aber tendenziell war es etwas kleinteilig." Es wird die Möglichkeit geschaffen, erfolgreiche Projekte auch über fünf Jahre hinaus zu finanzieren. Auch von der Politik wird zunehmend verstanden, dass Forschung einen langen Atem braucht. Andererseits wird über die Finanzierung kontrolliert, ob das eingesetzte Geld auch zu Ergebnissen führt, denn die jeweiligen Standorte müssen in Vorleistung gehen und erhalten die Förderung erst mit der Lieferung ihrer Leistung.
Gesucht: Biomarker bei Herzschwäche
Überprüfung der Herzfunktion
© Universitätsmedizin Mannheim
Zu den im Rahmen des DZHK geförderten Schwerpunkten gehört die Erforschung der Herzinsuffizienz (Herzschwäche), die einzige schwere Herzkrankheit, die in Deutschland eine kontinuierlich steigende Häufigkeit aufweist. Herzinsuffizienz ist eine fortschreitende, häufig zum Tode führende Krankheit, die bisher nicht ursächlich behandelt werden kann. Man kann nur die Symptome lindern, das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen und das Risiko von Komplikationen wie dem plötzlichen Herztod verringern. Es kommt aber schon vor Auftreten deutlicher Symptome zu einer veränderten Genexpression im Herzmuskel. Dort müsste eine ursächliche Therapie ansetzen, „denn wenn die Pumpleistung bereits abnimmt, ist es eigentlich schon zu spät", erläuterte Professor Dr. Stefan Engelhardt auf der Jahrestagung der DGK in Mannheim. Das erste Ziel muss deshalb sein, die Veränderungen überhaupt diagnostizieren zu können. Für diese Frühstadien werden verlässliche Biomarker gesucht.
Über einen neuen Biomarker, der eine Prognose der Sterblichkeit bei Herzschwäche-Patienten ermöglichen soll, berichtete Dr. Carsten Jungbauer. Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz sind häufig auch die Nieren geschädigt. Diese kombinierte Funktionsbeeinträchtigung von Herz und Nieren wird als kardiorenales Syndrom bezeichnet; seine Pathophysiologie ist aber noch weitgehend unverstanden. Der Biomarker KIM-1 (Kidney injury molecule-1), der im Urin von Patienten mit kardiorenalem Syndrom nachgewiesen werden kann, korreliert mit dem Schweregrad der Herzschwäche und hat einen prognostischen Wert mit Bezug auf die Wiedereinweisung der Patienten ins Krankenhaus und ihre Sterblichkeit. Die vorgestellten Daten deuten darauf hin, dass es bei chronischer Herzinsuffizienz zunächst zu einer Schädigung der Nierentubuli kommt.
Stammzell- und Gentherapien
Prof. Dr. Hugo Katus, Ärztlicher Direktor der Kardiologie Heidelberg
© Universitätsklinikum Heidelberg
Zur Behandlung fortgeschrittener Herzschwäche erforschen die Kardiologen neue Strategien wie zum Beispiel Gentherapien, mit denen Gene in den Herzmuskel eingebracht oder ausgeschaltet werden können, und Stammzelltherapien, mit denen man bereits abgestorbene Bereiche des Herzmuskels regenerieren könnte.
Hoffnungen auf rasche Therapieerfolge mit Stammzellen wurden auf dem DGK-Kongress gedämpft, als Professor Dr. Jochen Wöhrle vom Universitätsklinikum Ulm eine Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie vorstellte, in der Herzinfarkt-Patienten, denen erfolgreich Stents implantiert worden waren, fünf bis sieben Tage nach ihrem Infarkt Stammzellen aus dem Knochenmark erhalten hatten. Alle Studienteilnehmer erhielten über drei Jahre hinweg die optimale medikamentöse Therapie. Am Ende des Beobachtungszeitraums wurde bei den mit Stammzellen behandelten Patienten keine Verbesserung gegenüber der Kontrollgruppe gefunden.
Dagegen stellt für Professor Dr. Hugo Katus, den Ärztlichen Direktor der Kardiologie Heidelberg, die Transformation von Stammzellen in sogenannte Schrittmacherzellen eine vielversprechende Perspektive zur Therapie der Herzinsuffizienz dar. Die Heidelberger Forscher verfolgen auch einen Gentherapie-Ansatz zur Behandlung chronischer Herzschwäche, mit dem über ein Virus als Genfähre ein Protein, das den Kalziumeinstrom in den Herzmuskel kontrolliert, direkt in die Blutbahn des Herzmuskels eingebracht wird. Bis derartige Therapieansätze, die jetzt im Tierversuch erprobt werden, in der Klinik zum Einsatz gelangen, ist es aber noch ein weiter Weg.