Marker, die das tatsächliche Alter zeigen
Forscher der Ulmer Universität haben eine Reihe von Proteinen entdeckt, die das biologische Alter anzeigen können. Jetzt hoffen die Wissenschaftler auf den klinischen Einsatz dieser Biomarker. Damit ließen sich Therapien bei alten Menschen gemäß ihrem biologischen Alter anpassen und möglicherweise verbessern.
Identifiziert hat diese Gruppe von Proteinen Karl Lenhard Rudolph, der Leiter der Max-Planck-Forschungsgruppe für Stammzellalterung und Hong Jiang, Doktorandin aus Hangzhou (China) in Zusammenarbeit mit Harald Mischak von der Hannoveraner Firma Mosaiques Diagnostics. Wie die Universität mitteilt, handelt es sich bei den Markern um Proteine, die bei der DNA-Schädigung und Telomerdysfunktion von Zellen freigesetzt werden.
Telomer-Hypothese wird untermauert
Telomerverkürzung destabilisiert Chromosomen und begrenzt die Teilungsfähigkeit menschlicher Zellen. A: Metaphasechromosomen, Telomere rot markiert. Einigen Chromosomenenden fehlt Telomersignal (dünne Pfeile), es kommt zur Fusion von Chromosomen (breite Pfeile). B: Fusionierte Chromosomen zerreißen in der Anaphase in Tumorvorstufen im Darm. C: Vereinfachtes Modell der durch Telomerverkürzung bedingten Zellalterung. Erreichen die Telomere eine kritisch kurze Länge, werden DNA-Schädigungssignalwege aktiviert, die auch den p53/p21-Signalweg aktivieren, was entweder zum Verlust der Teilungsfähigkeit oder zum Zelltod führt. (Fotos: Rudolph)
Damit erhält die von Rudolph lange vertretene Hypothese Auftrieb, wonach eine Anhäufung von DNA–Schädigung Zellen und Gewebe altern lässt. Eine besondere Form der DNA-Schädigung ist die Verkürzung der Telomere, der Endstücke menschlicher Chromosomen. Deren Enden schirmen das Chromosom ab und halten es stabil. Mit jeder Zellteilung aber verkürzen sich die Telomere und können das Erbgut nicht mehr schützen, wenn sie zu kurz sind. In der Folge werden Chromosomen instabil und die Zelle verliert unwiederbringlich ihre Teilungsfähigkeit.
Gleiche Marker im Blut erhärten Altersindikation
Prof. Karl Lenhard Rudolph. (Foto: Uni Ulm)
Die Arbeiten von Rudolph und Hong Jiang zeigen, dass die Verkürzung der Telomere und die durch radioaktive Strahlen veranlasste DNA-Schädigung zu einer überlappenden Reaktion in menschlichen Zellen führt und Markerproteine aus den betroffenen Zellen freigesetzt werden. „Eine interessante Beobachtung war, dass die gleichen Marker auch im menschlichen Blut gemessen werden können und ein deutlicher Anstieg im Rahmen der Alterung und bei alternsassoziierten Erkrankungen nachweisbar ist“, sagt Rudolph.
Neben ihrer klinischen Verwendung können diese Biomarker genutzt werden, um Verhaltensmaßnahmen, Nahrungszusätze und pharmakologische Therapien zur Verzögerung von Alternsvorgängen zu testen.
Die Ulmer Entdeckung ist vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung nicht ohne Belang. Denn dank medizinischem Fortschritt, verbesserter Hygiene, Nahrungsversorgung sowie guter Wohnbedingungen haben die Menschen die Deutschland und in Ländern der Ersten Welt anders als vor 100 Jahren weitaus größere Chancen, 70, 80 Jahre und noch älter zu werden.
Die Zahl altersbedingter Krankheiten steigt
Die Kehrseite dieser positiven Entwicklung ist die Tatsache, dass mehr und mehr Menschen an altersbedingten Erkrankungen leiden. In Krankenhäusern sehen sich Mediziner immer häufiger mit der Frage konfrontiert, welche Therapie einem alten Menschen noch zugemutet werden kann. Dies gilt vor allem für Therapien, die eine Regenerationsfähigkeit des Patienten voraussetzen, wie dies bei Operationen, der Strahlentherapie von Tumoren oder der Chemotherapie der Fall ist.
Chronologisches Alter ist längst nicht biologisches Alter
Hier nun könnte die Ulmer Entdeckung von Nutzen sein, denn das chronologische Alter (in Jahren) ist nach Mitteilung der Universität häufig ein schlechter Gradmesser, da manche alten Menschen ein sehr gutes Regenerationsvermögen besitzen, das oft besser als bei manchen jüngeren Patienten sei. Die Entwicklung von Markern, die das biologische Alter eines Menschen bestimmen, könnten das individuelle Regenerationspotenzial anzeigen und so zu einer individualisierten Therapie genutzt werden. Darüber hinaus könnten solche Marker das Risiko der Entwicklung von alternsassoziierten Erkrankungen anzeigen und zur klinischen Testung von Präventionsmaßnahmen genutzt werden.
Quelle: Universität Ulm, 12.08.2008 (wp – 18.08.2008)