Mehr als nur "leere" Kalorien: Mehrfachzucker in Nahrungsmitteln
Zuckereinheiten werden in der Natur auf vielfältige Weise zu Oligosacchariden und niedrigmolekularen Polysacchariden verknüpft. Spezialfirmen wie die Esslinger Anoxymer GmbH sind pflanzlichen Zucker-Strukturen mit therapeutischem und vorbeugendem Nutzen auf der Spur.
Schon der Gedanke an Süßigkeiten lässt so manchem das Wasser im Mund zusammenlaufen, Süßes ist Zunge und Gaumen meist willkommen. Dass die Sinne so positiv auf Zucker in der Nahrung reagieren, hat seinen Grund: Zucker sind nicht nur ein effektiver Brennstoff für den Stoffwechsel, sondern sie können je nach Molekülstruktur gezielt gesundheitsfördernde Wirkung entfalten. Die Esslinger Anoxymer GmbH entwickelt Extrakte auf pflanzlicher Basis, in denen bestimmte bioaktive Oligo- oder Polysaccharide angereichert sind. Sie kommen in Nahrungsmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln zum Einsatz, die Heilungsprozesse unterstützen sollen und der Prävention dienen.
PD Dr. Dietrich Paper leitet die Forschung und Entwicklung bei Anoxymer. (Foto: Anoxymer GmbH)
Zunächst muss eine geeignete Pflanzenart gefunden werden, die den Ausgangsstoff in genügender Menge aufweist. Die Kunst besteht dann vor allem darin, die Saccharide so anzureichern und/oder zu modifizieren, dass ein definierter Nutzen entsteht. PD Dr. Dietrich Paper ist Entwicklungsleiter bei Anoxymer und erklärt das am Beispiel von Zuckerstrukturen, die schädlichen Oxidationsprozessen im Körper entgegen wirken: „Antioxidative Oligosacharide verfügen je nach Kettenlänge und je nachdem, wie sie vernetzt sind, über leicht unterschiedliche Wirkmechanismen. Bereits sehr kleine Änderungen in der Molekülstruktur können die Wirkung verändern.“ Paper und sein Team haben es sich zur Aufgabe gemacht, die jeweils optimale Struktur zu finden und mit entsprechend abgestimmten Produktionsprozessen im industriellen Maßstab herzustellen.
Kleine Strukturänderung - große Wirkung
Mit der Produktion von Anoxyminen ist dem Firmenteam bereits ein Durchbruch gelungen. Es wurde ein Verfahren entwickelt, um Extrakte aus Pflanzen wie der Zitronenverbene so zu gewinnen und zu behandeln, dass ein standardisiertes Produkt entsteht mit dem bioaktiven Oligosaccharid Anoxymin. Anoxymine fangen ähnlich wie Vitamin C freie Radikale ab, die durch ihre Reaktionsfreudigkeit im Stoffwechsel oxidativen Stress verursachen. „Anoxymine können jedoch noch weit mehr. Sie hemmen zum Beispiel direkt Enzyme wie die Xanthinoxidase, die zur Radikalbildung beitragen. Außerdem senken Anoxymine den Gehalt an Transkriptionsfaktoren wie AP 1und NF Kappa B, die bei Entzündungsprozessen eine Rolle spielen“, erklärt Paper.
Die Anoxymer GmbH gewinnt Algenpolysaccharide wie zum Beispiel Carrageenane aus Rotalgen (Chondrus). (Foto: Anoxymer GmbH)
Extrakt muss auf das Endprodukt abgestimmt werden
Mit der Herstellung des primären wirkstoffhaltigen Pflanzenextrakts ist es jedoch nicht getan. Er muss noch an das jeweilige Endprodukt angepasst werden, dem er zugesetzt wird. Das dafür notwenige Know-how ist ebenfalls eine Spezialität der Anoxymer GmbH. „Es ist ein Unterschied, ob ein Extrakt mit einem bestimmten Wirkprinzip in ein Getränk oder in einen Teig eingearbeitet werden soll. Wenn das Produkt zum Beispiel fetthaltig ist, muss der Extrakt entsprechend modifiziert werden“, bestätigt Paper. Umfangreiche Analysen zeigen schließlich, ob die Wirkung im Endprodukt gegeben ist und ob das Oligosaccharid chemophysikalisch im Endprodukt stabil ist.
Als innovationsstarkes Unternehmen ruht sich Anoxymer natürlich nicht auf dem Anoxymin-Erfolg aus. So hat die firmeneigene Forschungsabteilung unter anderem Galaktane im Visier, niedrigmolekulare Polysaccharide, die als Grundbaustein Galaktose, ein Stereoisomer der Glukose, verwenden. Paper sieht ihr Potenzial zum Beispiel in der Bakterienabwehr im Darm. Das Darminnere ist mit Endothelzellen ausgekleidet, die auf ihrer Oberfläche Adhäsionsmoleküle aufweisen. Daran können Strukturen der bakteriellen Zellhülle andocken und so eine Infektion einleiten. Mit der Nahrung aufgenommene Galaktane sollen diesen initialen Schritt verhindern, indem sie die potenziellen Andockstellen für Bakterien besetzen.
Auch Fucus-Arten eignen sich als Lieferant für Algenpolysaccharide. (Foto: Anoxymer GmbH)
Mit Galaktanen und Carrageenanen Infektionen vorbeugen
„Wir wollen dazu relativ kleine Galaktane mit einem Molekulargewicht von unter 10.000 einsetzen, die von Haus aus so nicht in der Nahrung vorkommen. Durch einen optimierten Abbauprozess durch Erhitzen können wir sie zum Beispiel aus Karotten- und Algenextrakten gewinnen“, sagt Paper. Speziell Algenextrakte nutzt er auch, um Carrageenane zu gewinnen, Polysaccharid-Derivate, bei denen Sulfatgruppen an die Zuckerstruktur gebunden sind. Carrageenane kommen in der Zellwand von Braun- und Rotalgen vor und sollen ebenfalls über die Hemmung von Adhäsionsmechanismen entzündungshemmende Wirkung haben. „Nicht jede Alge enthält jedoch Carrageenane, wir konzentrieren uns zurzeit vor allem auf die Rotalge Chondrus crispus als Ausgangsmaterial“, so Paper.
Wie er die Algen im Detail aufschließt, um nutzbare Carrageenane zu erhalten, verrät er nicht - genau das ist firmeninternes Expertenwissen - aber auch hier sind Erhitzungsprozesse der Schlüssel. „Im Grunde handelt es sich bei all unseren Modifikationen von Oligo- und Polysacchariden um optimierte Kochprozesse, wobei wir neben der Temperatur und der Kochdauer mitunter auch den pH-Wert variieren oder Salze zugeben, um das beste Ergebnis zu erhalten“, sagt Paper.