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Pränataldiagnostik

Mikrotröpfchen für einen sicheren pränatalen Schnelltest

Trotz ausgereifter Technik liegt das Risiko einer Fehlgeburt nach einer Fruchtwasseruntersuchung immer noch bei etwa 0,5 Prozent. Im EU-Projekt AngeLab wurde deshalb in den letzten Jahren ein Schnelltest entwickelt, der kein Fruchtwasser benötigt, sondern lediglich eine Blutprobe der Mutter. Genetisch bedingte Krankheiten des ungeborenen Kindes sollen so innerhalb weniger Stunden untersucht werden können. Forscher von Hahn-Schickard am Standort Freiburg haben für den Test eine neuartige Tröpfchen-PCR etabliert. Mit dieser lässt sich eine DNA-Probe, die aus dem Blut gewonnen wurde, in mehrere tausend winzig kleine Mikrotröpfchen zerlegen. Dadurch kann das Erbgut des Ungeborenen sicher und rasch analysiert werden.

Bei einer Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) wird eine dünne Punktionsnadel unter Ultraschallkontrolle durch die Bauchdecke der Schwangeren in die Fruchthöhle eingeführt und Fruchtwasser entnommen. Dabei kann es zu Komplikationen kommen, beispielsweise durch Fruchtwasserverlust oder den unvollständigen Verschluss der Eihäute, was Wehen zur Folge haben und in etwa 0,5 Prozent der Fälle zu einer Fehlgeburt führen kann. Im gewonnenen Fruchtwasser schwimmen auch Zellen des Fötus, die kultiviert und anschließend auf genetische Defekte untersucht werden können. Ergebnisse sind oft erst nach mehreren Wochen zu erwarten. Verständlicherweise sind der Eingriff selbst sowie die anschließende Wartezeit für die Betroffenen sehr belastend.

Dr. Nadine Borst hat mit ihrer Arbeitsgruppe bei Hahn-Schickard eine neuartige Tröpfchen-PCR für die pränatale Diagnostik entwickelt. © Hahn-Schickard

Aus diesen Gründen wurde bereits 2012 das EU-Projekt AngeLab (A New GEnetic LABoratory for non-invasive prenatal diagnosis) ins Leben gerufen. 15 Projektpartner aus ganz Europa haben es sich zum Ziel gesetzt, sichere und effiziente Techniken für eine nichtinvasive Pränataldiagnostik zu entwickeln, die nicht in den Körper der Mutter eingreifen und damit auch den Fötus schonen. Auch Wissenschaftler von Hahn-Schickard am Standort Freiburg sind an dem groß angelegten Projekt beteiligt. Vision der Forscher ist es, genetisch bedingte Krankheiten des ungeborenen Kindes lediglich mit einer Blutprobe der Mutter – also ohne Fruchtwasser – untersuchen zu können. In der Schwangerschaft befindet sich neben dem Erbgut der Mutter auch das des Kindes im Blutkreislauf. Ein kleiner Teil dieser zellfreien DNA-Bruchstücke stammt vom Fötus und kann mit Hilfe spezieller Methoden isoliert werden.

Erbgutanalysen: schnell und sicher aus mütterlichem Blut

Um das ehrgeizige Forschungsziel anzugehen, wurde AngeLab in drei Projektteilen angelegt. Die Systeme sind modular aufgebaut und können je nach Anwendung miteinander kombiniert werden. In einem ersten und zweiten Teil wurde von europäischen Projektpartnern daran gearbeitet, verschiedene Verfahren zu entwickeln, mit denen die fetale DNA aus mütterlichem Blut gewonnen und anschließend analysiert werden kann. Zwei Lab-on-a-Chip-Systeme wurden erfolgreich etabliert, die mittels Magnetophorese bzw. Immunpräzipitation das genetische Material des Fötus automatisiert extrahieren. Die Forscher aus Freiburg sollten in einem dritten Teil mit der gewonnenen DNA ein leistungsfähiges digitales PCR-Verfahren entwickeln, um die Probe innerhalb weniger Stunden auf zystische Fibrose testen oder eine fetale Rhesusbestimmung vornehmen zu können.

Mit Erfolg: Die Arbeitsgruppe bei Hahn-Schickard, aktuell unter der Leitung von Dr. Nadine Borst, hat ein neuartiges Verfahren zur Durchführung einer digitalen Tröpfchen-PCR entwickelt. Mit diesem lässt sich eine DNA-Probe auf einfache Weise in tausende winzig kleine Mikrotröpfchen aufteilen. Das hat den Vorteil, dass seltene Bestandteile besser detektiert und einfacher quantifiziert werden können. Im November 2016 wurde das AngeLab-Projekt mit dem „Innovation Award“ der Europäischen Union ausgezeichnet.

Disk erzeugt tausende Mikrotröpfchen

Für die Tröpfchen-PCR verwenden die Freiburger Forscher eine sich drehende Kunststoffscheibe, die sogenannte LabDisk. Mikrostrukturen auf der LabDisk bilden eine Einlasskammer, die über einen feinen Kanal in eine größere Reaktionskammer mündet, in der die Probe anschließend auch ausgelesen wird. Für die Analyse müssen die Tröpfchen zunächst generiert werden. Dazu wird fluoriertes Öl vorgelegt und anschließend der Reaktionsmix mit DNA-Probe in die Einlasskammer gegeben. Aus dieser Mischung entstehen nach einer kurzen Zentrifugation rund 7.500 Tröpfchen, die idealerweise maximal je ein DNA-Molekül enthalten. Diese DNA-Moleküle dienen in der anschließenden PCR als Kopiervorlage. „Dabei verwenden wir spezifische Primer und Sonden für die Vervielfältigung und Signalgebung“, berichtet die Biochemikerin. „Ein Microarray-Scanner detektiert am Ende die Tröpfchen. Über die Intensität des Fluoreszenzsignals können positive und negative Tröpfchen identifiziert werden.“ Die Auswertung wird softwareunterstützt durchgeführt. Aber es sind derzeit noch manuelle Schritte notwendig. An einem komplett automatisierten Prozess wird gearbeitet.

LabDisk (linke Bildseite) und DropChip (rechte Bildseite): Kunststofftestträger für die nichtinvasive Pränataldiagnostik. © Hahn-Schickard, Bild: Bernd Müller

„Die DNA-Moleküle werden bei dem Verfahren unabhängig verteilt. Je nachdem, wie viele in der Probe enthalten sind, kann es auch zu einer Mehrfachbelegung pro Tröpfchen kommen“, so Borst. „Solange positive und negative Tröpfchen vorhanden sind, kann die absolute Anzahl an DNA-Molekülen anhand statistischer Methoden berechnet werden. Der Vorteil der digitalen PCR besteht hier darin, dass die Bestimmung von weiteren Referenzproben für die absolute Quantifizierung nicht notwendig ist.“

Neben der LabDisk wurde auch ein alternativer Testträger, der DropChip, entwickelt. Mit dem Kunststoffchip in Form eines Objektträgers kann die Untersuchung auch mit Standard-Laborgeräten durchgeführt werden. „Auf dem DropChip können jeweils zwei Proben parallel prozessiert werden, auf der LabDisk bis zu acht Proben, oder man kann zusätzliche Operationen integrieren“, erklärt Borst. „Die Tröpfchengenerierung mit anschließender PCR dauert insgesamt etwa zweieinhalb Stunden.“

Tröpfchen entstehen durch Abrissmechanismus

Die Idee mit den Tröpfchen stammt ursprünglich von Dr. Friedrich Schuler, der die zentrifugale Stufenemulsifikation, wie man sie bei Hahn-Schickard nennt, vor wenigen Jahren erfunden hat. Das Prinzip besteht darin, dass sich am Ende eines feinen Kanals eine Düse befindet, die sich in einen größeren Raum öffnet, was als Stufe – auch Terrasse genannt – angelegt ist. Der Reaktionsmix fließt als wässrige Phase in das vorgelegte Öl, und durch die stufenweise Ausweitung in die größere Reaktionskammer reißen Tröpfchen ab. „Der Prozess ist sehr reproduzierbar, und es entstehen lauter gleich große Tröpfchen“, wie die Freiburger Forscherin erklärt. „Der Abrissmechanismus über eine Stufe ist schon relativ lange bekannt, aber unsere Methode nutzt als treibende Kraft ausschließlich die Fliehkraft im rotierenden Testträger. Daher ist das Verfahren, welches nur einer kurzen Zentrifugation bedarf, sehr robust und einfach in der Anwendung.“

Entwicklung weiterer Schnelltests

Die Förderung der EU endet voraussichtlich im März dieses Jahres. Insgesamt werden in allen drei Projektteilen rund 400 Schwangerschaften begleitet und die Tests mit klinischen Proben verifiziert. Die Firmen NIPD Genetics (CY) und DNA-Data (SP) sind in das Projekt integriert und wollen die entwickelten Tests vermarkten. „Nach dem Projektabschluss möchten wir natürlich auch gerne den Transfer zu einem konkreten Produkt ermöglichen“, so Borst. “Bevor der Schnelltest allerdings auf den Markt kommen kann, ist eine Zulassung nach den geltenden Richtlinien notwendig.“

Bei Hahn-Schickard in Freiburg arbeitet man bereits an weiteren Projekten, die die Erkenntnisse aus AngeLab nutzen können. „Die Technologie haben wir jetzt im Haus“, sagt die Biochemikerin. „Diese wollen wir auch anwenden und weiterentwickeln, zum Beispiel für isothermale Amplifikationsmethoden zur Diagnostik von HIV oder zur Detektion von resistenten Krankenhauskeimen.“ Außerdem ist man dabei, die entsprechenden Geräte zu entwickeln, in denen der komplette Analyseprozess vollautomatisch ablaufen wird.

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