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Mit dem telemedizinischen Neurokonsil Schlaganfallpatienten schneller behandeln

Schlaganfallstationen retten Leben, denn eine fachärztliche Behandlung ist bei Schlaganfallpatienten zwingend notwendig. Da jedoch nicht jede Klinik rund um die Uhr neurologische Fachärzte zur Verfügung stellen kann, bietet die Telemedizin eine gute Lösung für das Problem. Studien zeigen, dass mit Hilfe von Telekonsildiensten die Schlaganfallbehandlung deutlich verbessert wird.

Bei einem Schlaganfall, einer plötzlich auftretenden Durchblutungsstörung im Gehirn, gilt es schnell zu handeln – denn sobald das Gehirngewebe nicht mehr ausreichend durch das Blut mit Sauerstoff versorgt wird, stirbt Gewebe ab. Im deutschen Gesundheitssystem wird daher seit mehreren Jahren auf spezialisierte und durch die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe zertifizierte Schlaganfallstationen gesetzt. Die sogenannten Stroke-Units behandeln Patienten schnell und fachlich kompetent. Stroke-Units müssen, um ihre Leistungen abrechnen zu können, bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehört zum Beispiel, dass Computertomografische-Untersuchungen (CT) kompetent innerhalb von 30 Minuten ausgeführt werden.

Studien zeigen, dass die hohen Anforderungen an die Stroke-Units sich lohnen. So wurde die Überlebensrate signifikant erhöht sowie die Anzahl der Behinderungen als Folge des Schlaganfalls verringert. In Baden-Württemberg wurde bereits 2013 im Auftrag des Ministeriums für Soziales und Integration eine Schlaganfallkonzeption entwickelt, die im Februar 2017 den neuen technischen Standards angepasst wurde. Die Anforderungen an eine Schlaganfallbehandlung sind in den „Standard Operating Procedures“ (SOP) festgelegt.

Ein Neurologe steht immer zu Verfügung

Prof. Dr. Bardutzky, Geschäftsführender Oberarzt der Neurologischen und Neurophysiologischen Universitätsklinik Freiburg. © Universitätsklinikum Freiburg

Der Neurologische Telekonsildienst, den das Universitätsklinikum Freiburg für mehrere Stroke-Units in Kliniken im Land betreibt, soll genau diese hohen Anforderungen gewährleisten. Prof. Dr. Bardutzky, Geschäftsführender Oberarzt der Neurologischen und Neurophysiologischen Universitätsklinik Freiburg, erklärt die Vorgehensweise: „Bei einem Verdacht auf Schlaganfall meldet der Rettungsdienst beziehungsweise der Notarzt den Patienten im Krankenhaus an. Und sobald der Patient im Krankenhaus vor Ort reinkommt schaut sich dort ein Arzt, meistens ein Internist, den Patienten schnell an und nimmt, wenn sich der Verdacht auf Schlaganfall bestätigt, Kontakt zu uns auf.“ In Freiburg sitzt immer ein diensthabender Neurologe an den Monitoren des telemedizinischen Zentrums. Nachdem im regionalen Krankenhaus ein CT beziehungsweise eine CT-Angiografie (CTA) durchgeführt wurde, wendet sich das Krankenhaus über den „TeleDoc“ an die Neurologen in Freiburg. Mithilfe dieser mobilen Arbeitsstation können sich sowohl Ärzte als auch Patienten gegenseitig sehen. Ferner werden die klinischen Daten übertragen. „Nach 20 Minuten können wir entscheiden, wie weiter zu verfahren ist“, sagt Bardutzky. Sollte festgestellt werden, dass bei dem Patienten eine Thrombektomie, also eine operative Entfernung des Blutgerinnsels (Thrombus), durchgeführt werden muss, dann wird der Patient an eine umliegende Neurologie überwiesen. „Die Patienten kommen dann über unsere Anweisungen nach Tübingen, Stuttgart oder eben zu uns“, erklärt der Experte. Die Thrombolyse wird vor Ort begonnen und der Patient im Krankentransport zur Thrombektomie gebracht.

Schlaganfallstationen sind zertifiziert

Von Freiburg aus werden die Patienten telemedizinisch im ganzen Land betreut. © Universitätsklinikum Freiburg

Zertifizierte Stroke-Units müssen immer einen Facharzt, also einen Neurologen, stellen. Dies kann auch über den telemedizinischen Dienst erfolgen. „Unsere Fachärzte sind seit Jahren mit dem Thema Schlaganfall beschäftigt, denn als Internist oder als Nicht-Neurologe können sie gewisse Dinge gar nicht indizieren“, weiß Bardutzky. Die Freiburger betreuen manche Kliniken nur nachts oder am Wochenende im Rahmen der neurologischen Notfallversorgung, da diese ihre neurologischen Stationen nicht rund um die Uhr besetzen können. Bei manchen Kliniken ohne Neurologie gibt es einen 24-Stunden-Service. „Das ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Denn wir haben hier die Ärzte rund um die Uhr im telemedizinischen Zentrum. Normalerweise bräuchte man eine große Anzahl an Ärzten um die einzelnen Kliniken vor Ort zu bedienen und so sparen die Kliniken natürlich auch Geld“, so der Freiburger Oberarzt.

Angefangen hat das Projekt vor vier Jahren mit den drei Kliniken aus Tuttlingen, Mühlheim und Waldshut. Die Kliniken hatten eine Stroke-Unit, jedoch Probleme bei der Besetzung der neurologischen Facharztstellen. Ohne die Telemedizin hätten die Kliniken ihre Behandlung für Schlaganfallpatienten nicht mehr aufrechterhalten können. Daher haben sich die drei Kliniken nach vergeblicher Beantragung von Fördergeldern mit der Universitätsklinik Freiburg zusammengetan. Die Klinik für Neurologie und Neurophysiologie der Uniklinik Freiburg ist mit ihrer Schlaganfallstation als überregionale Stroke-Unit zertifiziert.

Telemedizinisch rund-um-die-Uhr versorgt

„Wir haben das zu Anfang zum Teil freiwillig neben unserer normalen Arbeitszeit gemacht“, erzählt Bardutzky. „Dadurch dass mittlerweile so viele Kliniken dazu gekommen sind, haben wir jetzt ausreichend Geld, um sechs Ärzte bezahlen zu können, die im kompletten Schichtsystem das ganze Jahr arbeiten.“ Das Modell ist damit durch die beteiligten Krankenhäuser selbst finanziert und es läuft laut Bardutzky so, dass alle Beteiligten zufrieden sind. Abrechnen kann das Krankenhaus die telemedizinische Betreuung im Rahmen des DRG-Systems (German Diagnosis related groups) als Fallpauschale über die Operationen- und Prozedurenschlüssel OPS 8-98b (andere neurologische Komplexbehandlung beim akuten Schlaganfall)1.

„Aus medizinischer Sicht ist die Anwendung gleichwertig“, erklärt Bardutzky. Ferner werden laut dem Experten die großen Krankenhäuser zunächst einmal entlastet. In Bayern gibt es das Konzept mit TEMPiS (Telemedizinisches Projekt zur integrierten Schlaganfallversorgung in der Region Süd-Ost-Bayern) schon lange. Und hier konnte gezeigt werden, dass der Einsatz der Telemedizin die Prognose der Patienten deutlich verbessert2. „Allerdings war dies dort komplett anders“, sagt Bardutzky. Denn das Projekt hatte eine Förderung im Rahmen der Zukunftsoffensive Bayern bewilligt bekommen. „Jetzt läuft unser System, aber in den ersten zwei Jahren, in denen sie selber investieren müssen, ist es schwierig. Das ist ein Problem in vielen Projekten dieser Art: Denn am Anfang muss man erst etwas einbringen“, erklärt der Oberarzt. Doch auch wenn das Netzwerk der Uniklinik Freiburg noch nicht so groß ist wie TEMPiS, so sind die teilnehmenden Kliniken gemeinsam mit der Uniklinik Freiburg seit 2014 auf einem guten Weg. Ein durch das Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg seit Herbst 2017 gefördertes Projekt „Digitalisierte Bildverarbeitung beim akuten Schlaganfall in einem überregionalen Klinikverbund“ der Universitätsklinik Freiburg wird das Konzept noch weiter unterstützen3.

Literatur

1 OPS Version 2018 Kapitel 8: Nicht operative therapeutische Maßnahmen https://www.dimdi.de/static/de/klassi/ops/kodesuche/onlinefassungen/opshtml2018  /block-8-97...8-98.htm

2 Lancet Neurol. 2006 Sep;5(9):742-8, Audebert et al., Effects of the implementation of a telemedical stroke network: the Telemedic Pilot Project for Integrative Stroke Care (TEMPiS) in Bavaria, Germany. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16914402

3 Land unterstützt Projekte mit 4 Millionen Euro https://www.telemedbw.de/de/fachartikel/land-unterstuetzt-projekte-mit-4-millionen-euro/

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/mit-dem-telemedizinischen-neurokonsil-schlaganfallpatienten-schneller-behandeln