Nahrungsergänzungsmittel aus Blaualgen - mehr schädlich als förderlich
Nahrungsergänzungsmittel sollen die Gesundheit fördern und das allgemeine Wohlbefinden verbessern. Während viele dieser Produkte weder nützlich noch schädlich sind, geben besonders Produkte aus Blaualgen Anlass zur Sorge. In zahlreichen Fällen kam es bei Konsumenten zu Beschwerden und Unwohlsein. In einer Studie des Toxikologen Prof. Dr. Daniel Dietrich von der Universität Konstanz wurden nun in Deutschland erhältliche Blaualgen-Produkte auf Verunreinigungen mit Giftstoffen getestet. Die dabei gefundenen Schadstoffe lassen sehr an der Tauglichkeit derartiger Produkte zum menschlichen Verzehr zweifeln.
Prof. Dr. Daniel Dietrich ist Leiter der Gruppe für Human- und Umwelttoxikologie im Fachbereich Biologie an der Universität Konstanz.
© Prof. Dr. Daniel Dietrich
Die Branche für Nahrungsergänzungsmittel wirbt eifrig für den positiven Effekt von Algen-Produkten. Für die meisten Präparate werden verschiedene sogenannte Blaualgen, wie Spirulina sp. und Aphanizomenon flos-aquae (von den Herstellern oft als BlueGreen Alge vermarktet), aber auch Grünalgen wie die Chlorella sp. verwendet. Der veraltete Begriff „Blaualgen“ ist dabei allerdings irreführend, da es sich nicht um Algen und damit Pflanzen handelt, sondern um Cyanobakterien.
Die angepriesenen Wirkungen der Produkte klingen oft geradezu fantastisch und reichen von allgemeinem Wohlbefinden über ein verbessert funktionierendes Nervensystem bis hin zu einer optimierten Gehirnfunktion. Wie das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt, gibt es aber keine wissenschaftlichen Belege für die propagierte Wirkung der Algenprodukte (1). Auch ist die Werbung der Hersteller zu den Inhaltsstoffen irreführend, da die Produkte meist nur eine sehr geringe Menge an Nährstoffen enthalten.
Vielfach wird von den Herstellern außerdem der natürliche Ursprung der Produkte angepriesen, der einer genaueren Überprüfung aber nur äußerst selten standhält. „Während Chlorella und Spirulina–Produkte in riesigen künstlichen Anlagen hergestellt werden, stammen die meisten Aphanizomenon-flos-aquae-Produkte aus einem Stausee in Oregon, welcher gleichzeitig zur Tränke und zum Baden von Rindern dient und eine entsprechend hohe Bakterienkeimzahl sowie einen hohen Eutrophierungsgrad aufweist“, schildert Professor Dietrich, Umwelttoxikologe an der Universität Konstanz. Eine Studie seiner Arbeitsgruppe hat nun handelsübliche Algennahrungsergänzungsmittel auf potenziell gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe untersucht.
Verunreinigung durch Microcystine
Bestimmte Cyanobakterien-Stämme produzieren leberschädigende Giftstoffe, sogenannte Microcystine. Diese unerwünschten Bakterienstämme können als Verunreinigungen in Verbindung mit anderen Cyanobakterien auftreten. Die Microcystine wirken ähnlich wie die Knollenblätterpilzgifte leberschädigend und sind daher sehr gefährlich. Mittels ELISA und Protein-Phosphatase-Inhibitions-Assay bestimmten die Forscher daher den Gehalt an Microcystinen in den Produkten. Zusätzlich verwendete die Arbeitsgruppe Zytotoxizitäts-Tests in Zellkulturen und Massenspektrometrie zur generellen Analyse der Algenextrakte. „Tatsächlich konnten wir durch die Studie Giftstoffe in den Produkten nachweisen“, berichtet Dietrich.
Zusätzlich fanden die Wissenschaftler in cyanobakteriellen Produkten auch Verunreinigungen durch generell reizende Komponenten, welche beim Konsum zu Durchfall und Unwohlsein führen können. „Bei diesen reizenden Komponenten handelt es sich zwar nicht um Microcystine, die Stoffe sind aber noch nicht klar identifiziert. Dementsprechend kann man über die Kontaminationswege nur spekulieren“, erklärt Dietrich. Während die Wirkung der reizenden Komponenten zeitlich eher begrenzt ist, kann die regelmäßige Einnahme von Produkten mit Microcystinen aber permanente Auswirkungen haben. „Unter anderem können diese Produkte zu einer fortlaufenden Schädigung der Leber, der Nieren und eventuell sogar des Gehirns führen“, erklärt Dietrich. Derzeit sind die Nebenwirkungen und unerwünschten Wirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln auf Cyanobakterien-Basis für Konsumenten jedoch sehr schlecht dokumentiert. „Bekannt sind bis jetzt lediglich klinisch nachweisbare Leberschäden, Diarrhö, allgemeines Unwohlsein und Schwindel“, berichtet Dietrich. Tatsächlich hat bereits die Stiftung Warentest diese Produkte als riskant eingestuft (2), während die Weltgesundheitsorganisation Microcystine als möglicherweise krebserregend bezeichnet hat (3).
Unvollständige Prüfung der Produkte
Seine Arbeitsgruppe testet Algen-Nahrungsergänzungsmittel auf toxische Inhaltsstoffe, insbesondere auf Microcystine.
© Prof. Dr. Daniel Dietrich
Dass speziell cyanobakterielle Nahrungsergänzungsmittel überhaupt zum Verkauf angeboten werden können, liegt vor allem an mangelnden Tests. Die Produkte unterliegen nicht den gleichen strengen Prüfungen wie Arzneimittel, bevor sie auf den Markt kommen. Die Hersteller haften zwar für die Unbedenklichkeit der Produkte, doch ist durch den häufigen Direktvertrieb eine lückenlose Überwachung durch die zuständigen Behörden nicht möglich. „Die Mittel werden, wenn überhaupt, nur sehr rudimentär getestet und die Tests beschränken sich meist nur auf einen recht ungeeigneten Nachweis von möglicherweise vorhandenen Giftstoffen und Verunreinigungen“, so Dietrich. Dabei wird die schädigende Wirkung oft nicht festgestellt.
Branche reagiert auf Studie
Dass die produzierenden Firmen der Nahrungsergänzungsmittel nicht gerade begeistert sind über die Aufklärung der Beschwerden, ist naheliegend. Deswegen versucht die Branche ihr Möglichstes, um sich gegen die Anschuldigungen zu wehren. „Die Nahrungsergänzungsmittel-Hersteller versuchen die Veröffentlichung unserer Daten mit rechtlichen Schritten zu unterbinden, was ihnen bis jetzt noch nicht gelungen ist“, berichtet Dietrich. Die Veröffentlichung der Studie ist ein herber Rückschlag für die Unternehmen und könnte sinkende Einnahmen bedeuten.
Gibt es Alternativen?
Eine Alternative zu den Algen-Nahrungsergänzungsmitteln gibt es laut Dietrich nicht. „Es braucht auch keine Alternativen, denn diese Nahrungsergänzungsmittel sind, außer dass sie zum finanziellen Wohlergehen der Hersteller führen, für den menschlichen Stoffwechsel und zur Zufuhr von Vitaminen und Spurenstoffen völlig unnötig“, fügt er hinzu. Bei einer richtigen und ausgewogenen Ernährung bekommt der Körper alles, was er braucht. „Den wöchentlichen Bedarf an notwendigen Vitaminen und Mineralien können wir mit ein paar Früchten, Fruchtsäften und dem Konsum von Pilzen, Gemüse und Fisch mit Leichtigkeit decken“, schließt Dietrich.