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Naschsucht macht Krebszellen angreifbar

Krebszellen sind gefährliche Leckermäuler. Sie setzen wesentlich mehr Zucker um als gesundes Gewebe. Das hatte der in Freiburg geborene Nobelpreisträger Otto Heinrich Warburg schon vor mehr als 80 Jahren beobachtet. Doch erst heute können Nuklearmediziner mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) Warburgs Erkenntnisse nutzen, um die Behandlung von Krebspatienten zu optimieren. Ein ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet ist Professor Wolfgang Weber, der seit einigen Monaten die Abteilung für Nuklearmedizin an der Universitätsklinik Freiburg leitet.

Nachweis eines Lymphoms mit Hilfe der PET (Foto: AG Weber)
Tumoren steigern ihren Zuckerstoffwechsel um ein Vielfaches im Vergleich zu gesunden Zellen. „Heute wissen wir, dass das eine der am breitesten gestreuten Eigenschaften von Tumoren ist“, erklärt Weber, der im vergangenen Jahr Los Angeles den Rücken kehrte, um die Leitung der Freiburger Nuklearmedizin zu kübernehmen. Damit ist es der Freiburger Universitätsklinik gelungen, einen weiteren hochkarätigen Wissenschaftler auf dem Gebiet der „Molekularen Bildgebung“ an die Radiologische Klinik zu holen. Elegant wäre es, wenn die Ärzte die Zuckergier des Tumors nutzen und ihn sozusagen aushungern könnten. Doch dieser Weg ist nicht einfach, zumal das menschliche Gehirn sehr schnell unter einer ungenügenden Energieversorgung leidet. Dennoch liefert die Vorliebe der Krebszellen für Glucose den Nuklearmedizinern ein sicheres diagnostisches Merkmal, das ihnen frühzeitig Auskunft gibt, ob ein Tumor auf die ihm zugedachte Therapie anspricht.
Positronen-Emissions-Tomographie (PET)
Die PET gehört zu den bildgebenden Verfahren der Nuklearmedizin. Sie macht die Verteilung einer schwach radioaktiven Substanz im Körper sichtbar und bildet dabei biochemische und physiologische Vorgänge im Körper ab. Bei der PET verwendet man Radionuklide, die Positronen aussenden. Trifft ein Positron auf ein Elektron, verbindet sich also Antimaterie mit Materie, wird Energie freigesetzt. Zwei Photonen werden in genau entgegengesetzter Richtung, also im Winkel von 180 Grad, ausgesandt. Diese Besonderheit erlaubt die genaue Lokalisation des Ortes im Körper, an dem der Zerfall stattgefunden hat. Die Gammastrahlung wird mit 20 bis 30 Detektorringen aufgefangen. Aus den Projektionen lassen sich dann Schnittbilder herstellen, die genau zeigen, wo sich die injizierte radioaktive Substanz angesammelt hat. Allerdings wurde die PET ursprünglich nicht zum Nachweis und zur Beurteilung von Krebserkrankungen entwickelt, sondern um den Energieumsatz des Gehirns und Herzens zu beobachten.

Je stärker das Signal, desto aktiver der Tumor

In den 90er Jahren entdeckte man den Wert der PET für die Onkologie. Um den Zuckerstoffwechsel eines Tumors und seiner Metastasen zu beobachten, injizieren die Nuklearmediziner ihren Patienten einen dem Traubenzucker sehr ähnlichen Stoff: Fluordesoxyglucose (FDG). FDG wird von der Zelle genauso aufgenommen wie Glucose, aber nach einer kleinen Veränderung, dem Anhängen einer Phosphatgruppe, nicht weiter verstoffwechselt, sondern angereichert. Je stärker also das Signal ist, das die Nuklearmediziner ausmachen, desto aktiver ist der Tumor. Wird das Signal schwächer oder verschwindet sogar ganz, dann haben die Krebszellen ihr Wachstum eingestellt oder sind abgetötet worden.
Pet Speiser Hrenkrebs Vor Therapie
Der Zuckerstoffwechsel in einem Tumor der Speiseröhre vor ...
Der Tumor in der Speiseröhre leuchtet auf Grund der Aufnahmemethode. Er ist deutlich kleiner als in dem Vergleichsbild ohne Chemotherapie.
... und unter Chemotherapie. (Foto: AG Weber) © AG Weber
„Mit Hilfe der PET können wir also frühzeitig erkennen, ob ein Krebspatient von einer Therapie tatsächlich profitiert und auf seine Medikamente anspricht“, erläutert Weber. Das ist vor allen Dingen dann relevant, wenn die Krebstherapie den Patienten mit üblen Nebenwirkungen peinigt. Sinnvoll ist die Untersuchung auch dann, wenn die Medikamente sehr teuer sind oder nur bei einem Teil der Kranken wirken. Das trifft besonders für die neueren onkologischen Wirkstoffe zu, wie etwa biotechnologisch hergestellten Antikörpern. Diese docken an spezifische Strukturen an, die aber bei weitem nicht alle Tumorzellen auf ihrer Oberfläche ausprägen. Wenn es jedoch zu einer Kopplung kommt, bedeutet das in der Regel das Ende für den Tumor, indem etwa das Wachstum der Krebszellen gestoppt oder ihre Blutversorgung abgeschnürt wird. Der bekannteste Wirkstoff dieser Art ist der Antikörper Herceptin, der etwa einem Fünftel der Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs helfen kann. Zum Kreis dieser neuen Krebsmedikamente gehören zudem Antikörper gegen den EGF- oder VEGF-Rezeptor.

Bestrahlung direkt im Tumorgewebe

Dank der PET können Ärzte heute überdies frühzeitig erkennen, ob sich ein Tumor der Therapie anpasst. Zum Leidwesen der Onkologen gelingt das den genetisch instabilen Krebszellen häufig. Eine PET-Aufnahme zeigt schnell und zuverlässig, dass der Stoffwechsel nicht mehr unterdrückt wird und der Zuckerverbrauch der Krebszellen wieder ansteigt.

Weber und sein Team befassen sich aber nicht nur mit der klinischen Anwendung der PET. In einem ihrer Forschungsprojekte widmet sich die Arbeitsgruppe beispielsweise der Kombination aus molekularer Bildgebung und molekularer Krebstherapie. Bei den relativ seltenen neuroendokrinen Tumoren erzielen die Mediziner damit bereits Erfolge. Sie verwenden radioaktiv markierte kleine Eiweißstücke, so genannte Peptide, die sich an den Somatostatinrezeptor dieser Krebszellen anlagern. Sind diese Rezeptoren in ausreichender Dichte vorhanden, kann man den Tumor selektiv mit den radioaktiv markierten Peptiden bestrahlen. Wirksam ist dieses Verfahren aber nur dann, wenn die Peptide in ausreichender Menge im Tumorgewebe gebunden und dort lange genug festgehalten werden. Ob diese Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind, kann vor einer eventuellen Therapie mit Hilfe der PET geprüft werden. So können die Nuklearmediziner die passenden Patienten für eine Therapie mit radioaktiv markierten Peptiden auswählen und die erforderliche Dosis der Peptide festlegen.

„Reportergene“ sollen Auskunft geben

„Unser Ziel ist es, dieses interessante Prinzip auch auf andere, häufigere Tumorarten zu übertragen“, sagt Weber. Einen interessanten Kandidaten, der als Angriffspunkt für die (be)strahlenden Peptide dienen könnte, hat der Nuklearmediziner schon gefunden: die Integrine. Integrine sind eine Familie von Adhäsionsmolekülen, die von vielen Körperzellen gebildet werden. Bestimmte Integrine werden jedoch vor allem dann gebildet, wenn zur Versorgung des wuchernden Gewebes neue Blutgefäße aussprossen. Ziel der Arbeitsgruppe ist, jene Moleküle, die diese Integrine binden und erkennen können, so zu optimieren, dass sie sich in den verschiedensten Tumoren anreichern können und dort so hohe Strahlendosen freisetzen, dass sie die Krebszellen tatsächlich schädigen.
Bei Mäusen können
Bei Mäusen können "Reportergene" schon heute die Lage eines Tumors verraten. (Foto: AG Weber)
Ein anderes spannendes Projekt, das Weber verfolgt, ist die Entwicklung von „Reportergenen“. Sind sie erst in eine Zelle eingeschleust und in deren Erbgut integriert, sollen sie den Ärzten wichtige Auskünfte liefern. „Wir wollen wissen, lebt diese Zelle noch? Befindet sie sich tatsächlich dort, wo sie sein soll? Und welche Funktion übt sie gerade aus?“, erklärt der Nuklearmediziner. Nutzen könnte man diese „Reportergene“ beispielsweise, um den Erfolg einer Stammzelltherapie zu überprüfen. Das Fremdgen, das in die Zelle integriert wird, soll einen künstlichen Rezeptor erzeugen. Dieser ist so konfiguriert, dass an ihn kein Stoff bindet, der im Körper natürlicherweise gebildet wird. Passend zu diesem Rezeptor will man ein Molekül basteln, das spezifisch genau an diese künstliche Bindungsstelle andockt. „Markieren wir dieses Molekül radioaktiv, können wir beispielsweise von außen sehen, ob transplantierte Stammzellen noch leben und ob sie am Zielort angekommen sind“, sagt Weber. Im optimalen Fall könnten die Ärzte sogar erkennen, welche Funktion die Zellen wahrnehmen. Dafür müsste es den Wissenschaftlern allerdings gelingen, das Reportergen an einer ganz bestimmten Stelle im Erbgut zu platzieren, so dass es nur gebildet wird und auf der Zelloberfläche erscheint, wenn die Zelle eine ganz bestimmte Aufgabe wahrnimmt.

kb - 27.06.08
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen zum Beitrag:
Prof. Dr. Wolfgang Weber
Radiologische Universitätsklinik
Abteilung Nuklearmedizin
Hugstetter Straße 55
79106 Freiburg
Tel.: 0761 270-3916
Fax: 0761 270-3930
E-Mail: wolfgang.weber@uniklinik-freiburg.de
Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/naschsucht-macht-krebszellen-angreifbar