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Neue FSME-Übertragungswege

Forscher haben zwei weitere FSME-Übertragungswege entdeckt: Auch der Verzehr von Rohmilch und Rohmilchkäse kann zu einer Hirnhautentzündung führen. Außerdem wurde eine weitere Zeckenart entdeckt, die FSME überträgt. Damit steigt das Krankheitsrisiko – auch im Winter.

Oben das Weibchen, unten das Männchen von Dermacentor reticulatus (Auwaldzecke). © Universität Hohenheim

Der Frühling kommt und mit ihm die ungeliebten Spinnentiere. In Zukunft könnte sogar das ganze Jahr hindurch Zeckenalarm herrschen: Erstmalig wurde nachgewiesen, dass auch die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) die Viren der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen, die zu einer Hirnhautentzündung führen können. Anders als der Hauptüberträger, der gemeine Holzbock (Ixodes ricinus), ist diese Zeckenart auch schon bei niedrigen Temperaturen aktiv, in milden Wintern vielleicht auch ganzjährig.

Auf die Spur kam man der Auwaldzecke durch eine an FSME erkrankte Person aus Sachsen. Auf Nachfrage des Gesundheitsamtes konnte sie genau erklären, wo sie spazieren gegangen war. Die Wegränder wurden geflaggt, das heißt alle dort lebenden Zecken eingesammelt und auf FSME-Viren untersucht. Dabei entdeckten Dr. Gerhard Dobler und sein Team vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München mehrere mit dem FSME-Virus infizierte Auwaldzecken – zur großen Überraschung der Wissenschaftler. „Die Auwaldzecke galt bislang nicht als Überträgerin von FSME. Und da sie nicht so gerne an den Menschen geht, galt sie als ungefährlich“, sagt Prof. Dr. Ute Mackenstedt, Leiterin der Abteilung Parasitologie der Universität Hohenheim.

Ursprünglich kam die Auwaldzecke vor allem in Österreich, Norditalien und Ungarn vor. In die nördlich angrenzenden Länder wurde sie vermutlich schon in den 1970er Jahren durch Hunde eingeschleppt. Nun warten viele Fragen auf die Forscher: Wurde die Zeckenart erst kürzlich zur FSME- Überträgerin oder wurde das bislang einfach übersehen? Wann kommen Menschen als Wirte in Frage? Und vor allem: Wie hoch ist die FSME-Durchseuchungsrate bei Auwaldzecken?

Gezielte Suche nach FSME-infizierten Zecken

Beim gemeinen Holzbock sind nur 0,5 bis 1,5 Prozent der Zecken mit dem Virus infiziert. Die sogenannte Virusprävalenz ist also sehr gering und variiert zudem stark: „Zwar kommen Zecken in ganz Deutschland vor, aber infizierte Zecken kommen nicht gleichmäßig verteilt vor, sondern lokal begrenzt, also in Hotspots. Diese Stellen können extrem klein sein, zum Beispiel nur die Größe eines Fußballplatzes haben“, sagt Mackenstedt. Die Identifikation solcher Hotspots ist entsprechend nicht einfach. Früher sammelte man Zecken großräumig ein: „Dabei kann man aber 30.000 Zecken untersuchen und nicht eine infizierte finden“, so Mackenstedt.

Alle Stadien von Ixodes ricinus (gemeiner Holzbock): Larve (ca. 0,5 mm), Nymphe (ca. 1,5 mm), Männchen (2,5-3,5 mm), Weibchen (3,5-4,5 mm). © Universität Hohenheim

Heute geht man gezielter vor. Bewährt hat sich die Suche über erkrankte Personen. Wie bei der Auwaldzecke gelang dies auch im Falle einer Familie, bei der Vater und Sohn nach dem Verzehr von Ziegenrohmilch und -käse auf einem Biobauernhof im Landkreis Reutlingen an Hirnhautentzündung erkrankten. „Den Weg, den die Ziegen auf dem Weg von einer zur anderen Weide entlanggehen, haben wir geflaggt und eine FSME-positive Zecke gefunden“, sagt Mackenstedt. Viele Ziegen hatten Antikörper gegen FSME, zwei der Ziegen einen so hohen Titer, dass die Forscher auf eine frische Infektion schlossen. Die Forscher der Universität Hohenheim werden in der Nähe des Biohofs nun regelmäßig nach Zecken suchen. „Wir wollen die Viren verschiedener Hotspots miteinander vergleichen und herausfinden, ob sie sich unterscheiden“, so Mackenstedt.

Vor allem aus osteuropäischen Ländern, wo viel Rohmilch getrunken wird, ist der Übertragungsweg bekannt. Laut Robert-Koch-Institut gab es im Jahr 2008 sechs derartige FSME-Erkrankungen in Österreich. In Deutschland wurde – trotz Biowelle und Rohmilchfans – bislang noch nie ein Fall registriert. „Generell ist es schwierig, sich über Rohmilch und ihre Produkte zu infizieren“, sagt Mackenstedt. Sticht eine Zecke eine Ziege oder eine Kuh, kursiert das Virus bis zu 14 Tagen in der Blutbahn. Nur während dieser virämischen Phase scheidet das Tier die Viren auch über die Milch aus. Wird aus der Milch Käse hergestellt, überleben die Viren auch dort eine Weile – wie lange genau, ist noch unklar.

FSME-Impfung ist empfehlenswert

Saugende Zecke (Ixodes ricinus) an Hauskatze. © Juliette Irmer

Das Pasteurisieren der Milch, also das Erhitzen, verringert das Risiko einer Ansteckung sehr deutlich. Wer gegen FSME geimpft ist, kann Rohmilchprodukte nach heutigem Kenntnisstand bedenkenlos konsumieren. „Die Impfung ist grundsätzlich empfehlenswert. Anders als bei Borreliose existiert bei FSME keine Therapie“, sagt Mackenstedt. Und: „Wer aus der Haustür tritt, steht im Lebensraum der Zecke – auch im eigenen Garten.“ Das Vorzeigebeispiel ist hier das ebenfalls zeckengeplagte Österreich: Aufklärungskampagnen sorgten für eine hohe Impfrate, was zu sinkenden FSME-Fällen führte.

In Deutschland breiten sich FSME-infizierte Zecken weiter aus: Zwar ist der Süden Deutschlands immer noch stärker betroffen – 80 Prozent der FSME-Fälle werden hier registriert – aber mittlerweile werden auch zunehmend Fälle in Norddeutschland bekannt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Das Klima, aber auch andere Faktoren wie die Buchenmast spielen eine Rolle: „Nager spielen im Lebenszyklus der FSME-Viren und Zecken eine große Rolle. Wenn sie viel Futter finden, vermehren sie sich und die Zecken gleich mit“, sagt Mackenstedt.

Bei Mäusen setzt denn auch eine biologische Methode für den Garten an, die die Zahl der Zecken dort reduzieren soll: Zeckenrollen enthalten Watte, die Mäuse gerne als Nistmaterial in ihren Bau schleppen. Diese Watte ist mit Permethrin getränkt, das die Zecken abtötet. Die Wirksamkeit der Methode wird aktuell in Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim überprüft.

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