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Neue Wirkstoffe zur Krebsbekämpfung – Hopfeninhaltsstoffe auf dem Prüfstand

Sekundäre Pflanzenstoffe aus Hopfen könnten durch ihre positive Wirkung auf das Immunsystem zur Krebsbekämpfung und -prävention eingesetzt werden. Die Bioverfügbarkeit der Stoffe im menschlichen Körper ist jedoch schlecht. Deshalb suchen Hohenheimer und Tübinger Forscher nach einer Möglichkeit, um die Aufnahmerate zu verbessern.

Prof. Dr. Jan Frank leitet die Fachgruppe Biofunktionalität und Sicherheit der Lebensmittel an der Universität Hohenheim. © privat

Prof. Dr. Jan Frank erkundet an der Universität Hohenheim das gesundheitsfördernde Potenzial sekundärer Pflanzenstoffe. Für die Pflanze sind diese Substanzen, die sie als Nebenprodukte im eigenen Stoffwechsel erzeugt, zwar nicht überlebenswichtig, bieten ihr jedoch Vorteile im Überlebenskampf. Manche sekundären Pflanzenstoffe schützen vor Fressfeinden, andere vor Parasiten oder Mikroorganismen, sie dienen dem UV-Schutz oder locken Bestäuber an. Auch der Mensch macht sich sekundäre Pflanzenstoffe zunutze, sie werden wie Atropin und Digitalis medizinisch eingesetzt oder wie Nikotin als Droge missbraucht. Dabei fällt der Gehalt solcher Substanzen in der Pflanze höchst unterschiedlich aus. Frank hat sich mit Prenylflavonoiden aus Hopfen Verbindungen ausgesucht, die natürlicherweise nur zu einem geringen Anteil von unter einem Prozent in den Hopfenzapfen weiblicher Pflanzen vorkommen. Entsprechend aufwendig ist es für die Forscher, genügend Material für ihre Untersuchungen zu erhalten. So haben Frank und seine Projektpartner vom Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Christian Busch und Dr. Dr. Sascha Venturelli, über 50.000 Euro investiert, um spezifische Prenylflavonoide in ausreichender Menge und äußerst hoher Reinheit aus Hopfen extrahieren zu lassen.

Die Ausgabe dürfte sich lohnen, wenn sich bestätigt, was die bisherigen Laboruntersuchungen mit standardisierten humanen Zelllinien, aber auch mit primärem Patientenmaterial, hoffen lassen. Prenylflavonoide scheinen das Immunsystem zu stimulieren und Tumorzellen im Wachstum zu behindern. Aufgrund dieser Eigenschaften könnten ausgesuchte Prenylflavonoide eines Tages in der Therapie und eventuell auch zur Prävention von Krebserkrankungen eingesetzt werden. Die Substanzen gehörten zu zahlreichen sekundären Pflanzenstoffen in einem Screening, mit dem Franks Kooperationspartner am Universitätsklinikum Tübingen nach potenziellen neuen Wirkstoffen gegen Krebs gesucht haben. Die Ergebnisse lassen sich jedoch nicht so einfach auf den Menschen übertragen, wie Frank sagt: „Die bisherigen Experimente wurden unter optimierten Zellkulturbedingungen durchgeführt. Im menschlichen Körper sind die Zellen jedoch in Kontakt mit vielen anderen Zellarten und Teil einer komplexen Stoffwechsel-Maschinerie.“ Außerdem zeigen die Substanzen bei oraler Verabreichung ihr Handicap, denn nur ein Bruchteil davon wird im Darm aufgenommen. „Grundsätzlich werden alle sekundären Pflanzenstoffe schlecht aufgenommen. Sie sind körperfremde Substanzen, die weder als direkte Substrate für Energieträger noch als Coenzyme für Stoffwechselvorgänge nutzbar sind. Da der Körper sie eigentlich nicht braucht, werden Prenylflavonoide zur Leber transportiert, hier verstoffwechselt und ausgeschieden“, erklärt Frank.

Mizellen – die Verpackung macht die Aufnahmemenge

Die Bioverfügbarkeit von sekundären Pflanzenstoffen kann mithilfe solcher Produktmizellen verbessert werden. Hier umschließen Polysorbate die Prenylflavonoide aus Hopfen. © AQUANOVA AG, Darmstadt

Eine ähnliche Situation kennt er bereits aus seiner Forschung mit Curcumin, einem sekundären Pflanzenstoff aus der Gelbwurz, der als Bestandteil der Gewürzmischung „Curry“ bekannt ist und dem ebenfalls gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben wird. „Wir haben festgestellt, dass Curcumin zu 99,9 Prozent in der Leber verstoffwechselt wird. Inwiefern im Blut zirkulierende Metaboliten eine Wirkung ausüben, wird zurzeit erforscht und auch bei Prenylflavonoiden wollen wir dieser Frage nachgehen“, so Frank. Diese Arbeiten sind für ihn zurzeit jedoch nebenrangig. Frank sucht vor allem nach einer Möglichkeit, um die Aufnahmerate von sekundären Pflanzenstoffen und damit ihre potenziell gesundheitsfördernde Wirkung zu verbessern.

Dabei setzt er im Rahmen einer entsprechenden Kooperation die Mizellen-Technologie der AQUANOVA AG aus Darmstadt ein. Das Unternehmen stellt sogenannte Produktmizellen aus komplexen, für Lebensmittel zugelassenen Trägerstoffen her, die nach innen eine fettlösliche und nach außen eine wasserlösliche Komponente aufweisen. Die Mizellen werden so formuliert und hergestellt, dass sie im sauren Magenmilieu mit seinem niedrigen pH-Wert stabil bleiben und intakt im Dünndarm ankommen. „Für diese Produktmizelle gibt es ein natürliches Vorbild. Mizellen entstehen nämlich im Dünndarm aus Gallensalzen und fettlöslichen Substanzen, zum Beispiel fettlöslichen Vitaminen, und ermöglichen so deren Aufnahme in den Körper. Die Gallensalze bilden eine Hülle aus Emulgatoren um diese fettlöslichen Nährstoffe, so wie in der Produktmizelle Polysorbate sekundäre Pflanzenstoffe wie Prenylflavonoide oder Curcumin umschließen“, sagt Frank.

Im Fall von Curcumin ist es ihm bereits gelungen, die Aufnahmerate mithilfe von Mizellen um das 185-fache zu steigern, was er in einer klinischen Studie mit gesunden Probanden zeigen konnte. Mit den Prenylflavonoiden hofft Frank nun auf ähnlich gute Ergebnisse. „Wir konnten in einer Bioverfügbarkeitsstudie mit Mizellen bereits erste Effekte messen, die Substanz ist im Blut angekommen“, so der Forscher. Frank, Venturelli und Busch wollen nun eine Bioaktivitätsstudie anschließen, bei der gesunde Probanden über vier bis acht Wochen hinweg Kapseln mit Prenylflavonoid-Mizellen zu sich nehmen und ihr Blut dann auf funktionelle Parameter wie Blutfette und Marker für das Immunsystem getestet wird.

Was genau im Dünndarmepithel mit den Mizellen passiert, muss noch erforscht werden. „Wir suchen zurzeit nach einem experimentellen Ansatz, der uns zeigen soll, ob die Mizelle intakt bleibt und eventuell als Ganzes internalisiert wird. Es gibt zwar Hinweise, dass Emulgatoren nicht über das Darmepithel aufgenommen werden, aber wie es mit Mizellen aussieht, wissen wir eben noch nicht. Wir sind auf der Suche nach einem Forschungspartner mit passender elektronenmikroskopischer Kompetenz, mit dem wir das klären können“, sagt Frank. Auch die Frage nach Unterschieden in der Darmbarriere treibt ihn um: „Bei Krebserkrankungen sind viele Stoffwechselvorgänge verändert und auch die Darmmukosa selbst könnte verändert sein, sodass es zu einer schlechteren oder auch besseren Aufnahme von sekundären Pflanzenstoffen kommen könnte.“

Krebs vorbeugen – funktionelle Lebensmittel sind eine Option

Einige Hopfenarten, ­hier die Zapfen einer weiblichen Hopfenpflanze, ­sind natürlicherweise besonders reich an Prenylflavonoiden. © Manfi.B. (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0], Wikimedia Commons

In seinen Studien setzt Frank den nativen, aus Hopfen extrahierten sekundären Pflanzenstoff ein und nicht etwa synthetisch hergestellte Pendants. Das hat zum einen Kostengründe und zum anderen ganz praktischen Nutzen. „Wenn unsere Prenylflavonoide tatsächlich zur Prävention als gesundheitsfördernder Stoff in funktionellen Lebensmitteln eingesetzt werden sollen, bietet es sich auch aus Akzeptanzgründen an, Hopfenextrakte zu verwenden, die reich an Prenylflavonoiden sind“, erläutert Frank. Als naheliegendes Beispiel für solche funktionellen Lebensmittel nennt Frank alkoholfreie Biere. Für ihre Herstellung könnten Hopfensorten genutzt werden, die von vorherein besonders viel Prenylflavonoide enthalten, zudem könnte die Substanz auch in Getränken angereichert werden. Eine derartige Anwendung wäre natürlich äußerst interessant für die Brauereiwirtschaft, die bereits Getränke mit potenziell gesundheitsfördernden sekundären Pflanzenstoffen auf den Markt gebracht hat und ständig auf der Suche nach Innovationen ist. Deshalb wurde das universitätsübergreifende Forschungsprojekt des Konsortiums Venturelli, Busch und Frank von der Wissenschaftsförderung der Deutschen Brauwirtschaft e.V. (Wifö) mit rund 145.000 Euro unterstützt. Außerdem wurde es durch die Medizinische Fakultät der Universität Tübingen – unter anderem aus Mitteln der Exzellenzinitiative – gefördert.

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