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Neues Diagnosewerkzeug für mehr Sicherheit im Umgang mit multiresistenten Keimen

Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen sowie Erkrankungen an Brust- oder Darmkrebs führen weltweit zu vielen Todesfällen. Umso wichtiger ist es, die mit den gefährlichen Erregern infizierten oder von Tumoren betroffenen Patienten schnell zu identifizieren, um rechtzeitig die nötigen Maßnahmen einzuleiten. Die Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. – kurz Hahn-Schickard – entwickelt deshalb zusammen mit Projektpartnern ein schnelles und einfach anzuwendendes Diagnosesystem, das schwere Infektionen sowie Krebs bereits in einem frühen Stadium erkennen kann.

Multiresistente Keime stellen für Gesundheitssysteme weltweit eine große Herausforderung dar. Zum einen ist die Zahl der Todesfälle aufgrund nicht mehr therapierbarer bakterieller Infektionen hoch, zum anderen sind das Management und die Behandlung der mit resistenten Keimen besiedelten Patienten mit einem enormen Aufwand verbunden. Ihre medikamentöse Behandlung gestaltet sich äußerst schwierig. Darüber hinaus ist es wichtig, diese Patienten in den Kliniken zu isolieren, um die Gefährdung anderer Patienten auszuschließen. In diesem Zusammenhang ist es von großer Bedeutung, die infizierten Personen schnell zu ermitteln, möglichst bevor sie mit anderen Patienten in Kontakt kommen. Darüber hinaus sterben noch immer viele Menschen an Brust- oder Darmkrebs, nicht zuletzt, weil die Diagnose für die Erkrankung erst spät gestellt wird. Aus diesem Grund wird derzeit im Rahmen des Projekts FasterPCR (Fast automated diagnostic system targeting severe resistant pathogens and cancer, EuroTransBio) ein automatisiertes Point-of-Care-System entwickelt, das den Nachweis multiresistenter Keime sowie von Krebs zeitnah erbringen soll. Mit den zwei Anwendungen unterstreicht das Projekt seinen Plattformansatz und demonstriert sein breites Einsatzspektrum.

Unter einem Point-of-Care-System versteht man ein mobiles diagnostisches Untersuchungsgerät, mit welchem das Diagnoseverfahren auch außerhalb eines Zentrallabors durchgeführt werden kann. Das Point-of-Care-System erlaubt die automatisierte Analyse direkt vor Ort in der Arztpraxis oder auf der Krankenstation einer Klinik. Dabei soll die Anwendung so einfach wie möglich gestaltet werden, damit auch wenig geschultes Personal ein schnelles und sicheres Ergebnis erzielen kann.

Ein portables System zur automatisierten Diagnose

Ingmar Schwarz von Hahn-Schickard ist im Rahmen des Projekts FasterPCR für die Entwicklung der LabDisk-Einwegkartusche verantwortlich. © Hahn-Schickard

„Hahn-Schickard arbeitet bereits seit vielen Jahren an Forschungs- und Entwicklungsprojekten zur Automatisierung diagnostischer Nachweise“, erklärt Ingmar Schwarz, der innerhalb des Projekts FasterPCR als Projektleiter für die Entwicklung der sogenannten LabDisk-Einwegkartusche verantwortlich ist. Das geplante Point-of-Care-System soll am Ende aus zwei Komponenten bestehen: einem Einweg-Testträger sowie einem Prozessierungsgerät. Die LabDisk wird als Einwegartikel konzipiert, der alle für den Nachweis benötigten Reagenzien beinhaltet. Die auf Spritzprägeverfahren spezialisierte E.L.T. Werkzeugbau GmbH ist in der Prozessentwicklung für die formgebende Herstellung der Einwegkartusche verantwortlich. Hahn-Schickard befüllt diese im Anschluss mit Reagenzien und vollendet die Herstellung. Nach dem Einbringen der Patientenprobe in die scheibenförmige, mikrofluidische LabDisk wird diese in ein spezielles Prozessierungsgerät eingelegt und die automatische Analyse gestartet. Die Untersuchungsergebnisse sollen dann ohne weiteres Zutun nach weniger als 45 Minuten vorliegen, sodass umgehend eine zielgerichtete Behandlung eingeleitet werden kann. „Eine derart umfangreiche, patientennahe Testung einer Probe auf die vorliegende Fragestellung ist aus unserer Sicht bereits einzigartig. Die Besonderheit liegt jedoch in der Geschwindigkeit, in der wir diese Analyse durchführen“, so Schwarz. Zudem wird die Patientenprobe in der LabDisk sicher verschlossen und kann nach Abschluss der Analyse problemlos als Ganzes entsorgt werden.

Da die Einwegkartusche in großer Stückzahl kostengünstig herstellbar sein soll, werden darin keine aktiven elektronischen oder optischen Elemente verbaut. Alle aktiven Komponenten, die zur Durchführung der Analyse notwendig sind, sind im Prozessierungsgerät integriert. Dazu gehören ein präzise steuerbarer Motor zur Rotation der LabDisk, eine schnelle Temperaturregelung sowie empfindliche optische Elemente zum fluoreszenzbasierten Reaktionsnachweis. „Die Geräte-Software steuert alle Komponenten automatisch an und liefert dem Nutzer die diagnostischen Ergebnisse“, sagt Schwarz weiter. Die Entwicklung dieses Point-of-Care-Gerätes findet am Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik (IPM) statt.

PCR beantwortet beide Fragestellungen

Innerhalb des Testsystems erfolgt die Analyse der Proben durch eine Amplifikation des genetischen Materials der Bakterien und hier im Speziellen der resistenzvermittelnden Abschnitte. „Wir nutzen eine modifizierte real-time PCR (Polymerase-Kettenreaktion), die es erlaubt, die Untersuchung aus wenig vorbehandelten Proben zu starten“, beschreibt Schwarz. Dies soll zum einen die Verfahrensschritte reduzieren als auch den Test an sich einfacher, schneller und kostengünstiger gestalten. Durch die PCR-basierte Nukleinsäureanalytik lassen sich beide Fragestellungen, ob ein Patient Träger multiresistenter Keime ist oder ob bei einem Patienten Brust- oder Darmkrebs vorliegen, beantworten. Hierfür übernimmt im Projekt FasterPCR die altona Diagnostics GmbH die Erstellung des Assays für die Detektion der Keime und deren Resistenz. Parallel dazu wird vom spanischen Start-up StemTek Therapeutics ein Assaysystem zur frühzeitigen Erkennung von Krebs entwickelt. Dabei soll eine in das System eingebrachte Probe auf 15 verschiedene Gensequenzen hin getestet und deren Vorliegen angezeigt werden.

Ärzte und Patienten profitieren

Die scheibenförmige LabDisk beinhaltet alle benötigten Reagenzien, die für den Nachweis multiresistenter Keime sowie Brust- und Darmkrebs nötig sind. © Hahn-Schickard

„Unser Projekt soll zeigen, dass das System patientennah eingesetzt werden kann und kaum Anforderungen an die Schulung der Nutzer stellt“, beschreibt Schwarz die Vorteile. Nach einer kurzen und einfachen Probenvorbereitung soll das Gerät die Arbeit übernehmen, während der Nutzer auf das Ergebnis wartet. Davon sollen in erster Linie die Patienten profitieren, die so ein schnelles Diagnoseergebnis erhalten. Die Geschwindigkeit der patientennahen Analyse optimiert aber auch die Arbeitsabläufe der Ärzte. „Wir geben ihnen die dringend benötigte Möglichkeit an die Hand, eine Fragestellung schnell abklären zu können“, sagt Schwarz. Dabei bietet das molekularbiologische Nachweisprinzip des Systems ein breites Anwendungsfeld. So kann ein Arzt direkt bei der Aufnahme eines Patienten erkennen, ob dieser eventuell mit antibiotikaresistenten Keimen besiedelt ist, und entsprechende Maßnahmen einleiten. Im Kontext des Krebs-Screenings ist neben der Früherkennung auch das Monitoring während und nach der Therapie ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die dauerhafte Heilung eines Patienten. Auch hier lässt sich das System einsetzen. Resultate einer Therapie lassen sich dadurch schnell und einfach erfassen und ermöglichen dem Arzt frühzeitig einzugreifen und Therapieansätze gegebenenfalls anzupassen.

In dreieinhalb Jahren zum Erfolg

Das Projekt FasterPCR hat eine Laufzeit von insgesamt dreieinhalb Jahren und ist aktuell im dritten Halbjahr. „Dementsprechend stecken wir und unsere Projektpartner mitten in der Forschungs- und Entwicklungsphase“, berichtet Schwarz. Derzeit wird am Fraunhofer IPM ein Prototyp des Prozessierungsgeräts fertiggestellt und dessen Konzept für die Serienfertigung ausgearbeitet. Später wird dann die italienische Firma DATAMED srl den Prototyp in ein serienfertiges Gerät überführen. Zunächst muss aber die LabDisk weiter optimiert werden, um einen störungsfreien Prozessablauf zu garantieren. Weiter arbeiten die beiden Assay-Hersteller daran, ihre Nachweisverfahren zur Detektion resistenter Keime und zur Krebs-Früherkennung zu entwickeln. Zum Projektende soll ein diagnostisches Gesamtsystem, bestehend aus Assays, Einwegkartusche und Prozessierungsgerät vorliegen, dessen Funktionalität demonstriert werden kann.

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