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Unternehmensporträt

neuroloop GmbH: Manipulation neuronaler Information zur Blutdrucksenkung

Bei vielen Menschen ist der Blutdruck zu hoch. Bei einigen kann er medikamentös nicht in den gewünschten Bereich gesenkt werden. Der Neurowissenschaftler Dr. Dennis Plachta und Thomas Stieglitz von der Professur für Biomedizinische Mikrotechnik am IMTEK hatten 2014 in Kooperation mit den Neurochirurgen Dr. Mortimer Gierthmühlen und Prof. Dr. Josef Zentner vom Universitätsklinikum Freiburg einen Neurostimulator entwickelt, der den Blutdruck dauerhaft regulieren kann. Gemeinsam mit dem Unternehmer Dr. Michael Lauk gründeten die Forscher das Start-up-Unternehmen neuroloop, mit dem sie das Produkt auf den Markt bringen. neuroloop wird von der Aesculap AG finanziert.

Mit ihrer Start-up-Firma neuroloop möchten die Geschäftsführer Dr. Michael Lauk (links) und Dr. Dennis Plachta den Neurostimulator Baroloop (zur Blutdrucksenkung) auf den Markt bringen. © privat

Der menschliche Blutdruck ist nicht statisch, sondern sehr flexibel, er passt sich täglichen Aktivitäten und den Lebensumständen an. Im Alter und bei Stress geht er hoch und im Schlaf wieder runter. Etwa ein Viertel der Deutschen leiden unter arterieller Hypertonie, dem Bluthochdruck. Rund 20 Prozent dieser Patienten erreichen trotz eingesetzter Medikamente aus unterschiedlichen Gründen nicht den Zielblutdruck. Weltweit suchen Forscher daher nach alternativen Behandlungsmethoden gegen Bluthochdruck. Im Zuge der individualisierten Medizin werden bereits für Indikationen wie Parkinson, Epilepsie, chronische Schmerzen oder Inkontinenz Neurostimulatoren von der Größe einer Stoppuhr implantiert. Sie werden den Patienten operativ unter die Haut gesetzt und senden über Elektroden schwache elektrische Impulse an bestimmte Nervenfasern. Damit modulieren sie gezielt körpereigene Signale, bevor diese das Gewebe oder das Gehirn erreichen und können so therapeutisch wirksam sein.

Ausgründung von neuroloop mit Aesculap-Unterstützung

Im Rahmen eines Uni-Forschungsprojektes suchte der damals wissenschaftliche Assistent Dennis Plachta eine neurotechnologische Lösung zur Blutdruckregulierung. Für die daraus resultierende Entwicklung des Neurostimulators Baroloop erhielt Plachta 2015 den FAIM-Preis vom Forum Angewandte Informatik und Mikrosystemtechnik. „Durch eine elektrische Stimulation wird den Fasern, die zum Gehirn laufen, von außen ein Signal eingeprägt, das die Blutdruckinformation manipuliert“, erklärt der Wissenschaftler. Zusammen mit Thomas Stieglitz verantwortet er den wissenschaftlichen Teil der Ausgründung von neuroloop, während Planung und Durchführung des klinischen Teils die Neurochirurgen Mortimer Gierthmühlen und Josef Zentner übernehmen. Der Physiker und Mitbegründer mehrerer Medizintechnikfirmen Michael Lauk konnte dafür begeistert werden, im Unternehmen das Management zu leiten, die Finanzen zu kontrollieren und den Markt zu prüfen. „Die Kapitalsuche ist immer das Übel Nummer Eins“, weiß der Start-up-Unternehmer aus Erfahrung, „die Kosten, um Neurostimulatoren an den Markt zu bringen, lassen sich nicht über die Bank oder mit dem Geld von der Tante finanzieren.“ Mit dem Tuttlinger Medizintechnikunternehmen Aesculap AG, einer Tochter des Familienunternehmens BBraun, haben die Ausgründer einen Investor gefunden, der sie vom Risikokapital durch Venture Capital unabhängig macht. Das Team von neuroloop setzt sich aus 15 hochausgebildeten Ingenieuren und Wissenschaftlern zusammen und wird voraussichtlich in dieser Stärke bestehen bleiben.

Gruppenbild neuroloop-Mitarbeiter
Das neuroloop-Team besteht aus Wissenschaftlern und Ingenieuren, die gemeinsam an der Optimierung des Produktes arbeiten. © Malaika Lauk, neuroloop GmbH

Selektive Nervenstimulation per Manschettenelektrode

Die Idee von Baroloop ist pfiffig: Man aktiviert den Baroreflex, einen körpereigenen Reflex zur Blutdruckregulation, und fordert den Organismus damit auf, den Blutdruck zu senken. In den Gefäßwänden der Aorta und der Halsschlagader befinden sich Barorezeptoren, die auf Druck reagieren und Signale über den Vagusnerv an den Hirnstamm übermitteln. Melden die Sensoren einen Anstieg des Blutdrucks, reagiert das Gehirn reflexartig und steuert mit veränderter Herzkraft und erweiterten Gefäßwänden dagegen. Hierbei handelt es sich um eine negative Feedback-Schleife: Ist der Blutdruck erniedrigt, wird der Baroreflex unterdrückt, woraufhin Blutdruck und Herzfrequenz wieder steigen. „Die Entwicklung unserer neuroelektronischen Schnittstelle penetriert den Nerven nicht, ist aber so selektiv, dass primär solche Fasern aktiviert werden, die das Blutdruck-Signal an das Hirn senden, um eine falsche, überhöhte Blutdruckinformation zu übertragen“, resümiert Plachta. Der Schutzmantel der Vagusnerven sollte unverletzt bleiben, um das Milieu der empfindlichen Neuronen nicht zu stören. „Aufgrund der eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten entschieden wir, dass dies am besten mit einer Manschettenelektrode realisiert werden kann, die um den Nerv herumgelegt wird“, so Plachta. Das Neuroimplantat muss die richtigen Fasern im Querschnitt des zwei Millimeter dicken Vagusnervs bestimmen, die körpereigenen Blutdrucksignale aus ihnen herauslesen und nach Auswerten der Daten die verrechneten Bedarfswerte in elektrische Stimulationssignale umsetzen, die über den Baroreflex den Blutdruck senken.

Funktionsweise von Baroloop

Die Polyimid-Manschettenelektrode wird um den Vagusnerv herumgelegt und sorgt für eine Vagusnerv-Stimulation (VNS), die zur Senkung des Blutdrucks führt. Die Manschette ist mit dem titanverkapselten Implantat verbunden, das in den Brustbereich eingesetzt wird. © neuroloop GmbH

Die Herausforderung ist das Detektieren und selektive Stimulieren der richtigen Fasern bei gleichzeitiger Nicht-Manipulation aller anderen Fasern, die im Vagusnerv verlaufen. Der größte Nerv des Parasympathikus innerviert neben Herz, Gastrointestinaltrakt und Nieren auch die Muskeln der Stimmbänder. Nebenwirkungen wie Heiserkeit oder ausgelöster Brechreiz sind zwar nicht lebensbedrohlich, aber untragbar. Die Forscher müssen also die Verteilung der gewünschten Fasern erst herausfinden. Dafür hören sie quasi in den Nerv hinein, indem sie an ausgewählten Stellen des Nervs vorsichtig die Amplitude einer ladungsgesteuerten Stimulation erhöhen und den Effekt auf den Blutdruck sichtbar machen. „Bin ich in der Nähe der Fasern, sehe ich das auf dem ENG und im Blutdruck“, erklärt Plachta (ENG: Elektroneurografie). Möglich ist diese sehr selektive Neuromodulation nur durch eine spezielle Anordnung der elektrischen Kanäle innerhalb der Elektrode. Insgesamt 28 solcher Kanäle sitzen in der Manschette, davon 24 (3 Ringe à 8 Kontakte) zum Ableiten, also zum Lokalisieren der Fasern und zum Stimulieren. Die Manschette selbst ist eine sehr dünne flexible Folie aus Polyimid mit einer Schichtdicke von elf Mikrometern, in der die Metallbahnen der Elektroden verlaufen. Zudem hat sie ein Formgedächtnis: Das Material dehnt sich aus, wenn nach der Operation der Nerv anschwillt, und zieht sich später wieder zusammen. Verbunden ist die Manschette mit einer Titankapsel, welche die Elektronik und die Batterie trägt und nach etwa fünf Jahren ausgewechselt werden kann, während die Elektrode im Körper verbleibt.

Marktresonanz und Pharmaindustrie

Für die Implantation des Baroloops wird eine bewährte kleine Operation durchgeführt. Gierthmühlen setzt hierbei die Manschette am Hals dort ein, wo auch stimuliert werden soll. In den Brustbereich wird das Titangehäuse des Implantates platziert. Die beiden Teile werden mit einem getunnelten Kabel über einen Stecker verbunden. Ein großer Vorteil ist, dass im Körper nichts irreversibel verändert wird und das Implantat jederzeit ausgeschaltet oder wieder entfernt werden kann. Derzeit existiert Baroloop noch nicht in seiner endgültigen Version. Mit einer Zulassung des marktreifen Produkts für den europäischen Markt rechnen Lauk und Plachta für 2021. Vorher müssen noch klinische Studien die Wirksamkeit des Stimulators zeigen. Die zukünftige Resonanz am Markt schätzen die beiden neuroloop-Leiter gerade für Bluthochdruck sehr hoch ein. Der Leidensdruck der Patienten ist oft groß, weil bei manchen Patienten die blutdrucksenkenden Medikamente nicht wirken und andere mehrere Pillen pro Tag gegen verschiedene Krankheiten nehmen. Letztere würden eine Reduktion der Medikamente sehr begrüßen. „Man geht in Deutschland von mehreren Tausend Toten jährlich wegen Übermedikation aus“, meint Lauk. Denkbar wäre langfristig eine Kombination aus Neurostimulation und Medikamenten.

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