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Peter Öhlschläger - Neue Ansätze für die Krebstherapie

Professor Peter Öhlschläger hat die Weichen schon früh gestellt. Bereits während seiner Diplomarbeit am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg hat der Immunologe erfolgreich versucht, seine beiden Interessenschwerpunkte Virologie und Krebs zu verbinden. Heute arbeitet er als Juniorprofessor an der Universität Konstanz und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Entwicklung von therapeutischen Krebsimpfstoffen.

Professor Peter Öhlschläger entwickelt therapeutische Krebsimpfstoffe. (Foto: Keller-Ullrich)
„Diese Kontinuität ist durchaus selten. Was man in der Doktorarbeit macht, verstaubt nicht selten und geht kaum in die klinische Anwendung,“ sagt Professor Öhlschläger. Besonders interessant ist für den Immunologen etwa das Zervixkarzinom, weil es stets mit einer Infektion mit bestimmten Humanen Papillomviren (HPV) einhergeht. Praktisch jede Frau infiziert sich im Laufe ihres Lebens, meist durch Geschlechtsverkehr, mit mindestens einem HPV-Typ. Dies geschieht in der Regel unbemerkt und die Infektion heilt folgenlos ab. Doch es kann auch zu persistierenden Infektionen kommen, die in Kombination mit weiteren Faktoren wie etwa Schwangerschaft oder hormonellen Kontrazeptiva zu einer bösartigen Veränderung der Zellen am Gebärmutterhals führen können.
Seit zwei Jahren ist ein Impfstoff auf dem Markt, der junge Frauen prophylaktisch gegen Papillomviren immunisieren soll (Gardasil®). Diese Impfung hat jedoch gravierende Nachteile. Zum einen kann damit nur vor einer Infektion geimpft werden, so dass bereits infizierte Frauen davon nicht profitieren, und die Vakzine schützt nur vor zwei von 18 HPV-Typen, welche kausal mit der Entstehung des Zervixkarzinoms in Verbindung stehen. Zum anderen ist der Impfstoff relativ teuer, was die flächendeckende Anwendung vor allem in Dritte-Welt-Ländern verhindert, wo Gebärmutterhalskrebs eine große Rolle spielt, wie Professor Öhlschläger erklärt. Weiter muss bedacht werden, so der Juniorprofessor, dass der Zeitrahmen von der Etablierung einer persistierenden Infektion mit einem entsprechenden HPV-Typ und der Entstehung des Karzinoms zwanzig Jahre und mehr betragen kann – für sehr viele Frauen wird daher noch über Jahrzehnte hinweg der dringende Bedarf bestehen, die Therapie des Gebärmutterhalskrebses zu verbessern.

Therapeutische Krebsimpfung

Denn bislang ist die konventionelle Therapie mit chirurgischem Eingriff und chemotherapeutischer Nachbehandlung unbefriedigend und es besteht Bedarf für neue Therapien, vor allem wenn sich bereits Metastasen gebildet haben. Professor Öhlschläger verfolgt daher einen anderen Ansatz: die therapeutische Krebsimpfung.
„Impfen reicht sicher nicht als alleinige Maßnahme gegen Krebs,“ sagt Professor Öhlschläger. Doch als ergänzende Therapie setzt er große Hoffnungen in die Methode, für die die erste klinische Studie demnächst anläuft.
Die Methode des Konstanzer Forschers ist aber nicht nur deshalb neu und vielversprechend, weil damit auch Frauen behandelt werden können, die bereits mit Papilloma-Viren infiziert sind, sondern auch deshalb, weil er auf eine neue Form des Impfstoffs setzt: eine DNA-Vakzine.
Gängige Impfstoffe bestehen aus Proteinen, die teuer sind und zur Lagerung gekühlt werden müssen. DNA-Vakzine dagegen sind stabil und billig und offerieren die Möglichkeit, einen Impfstoff einfach zu „designen“. Die Idee zur Anwendung von DNA als Impfstoff entstand vor etwa 15 Jahren und erste DNA-Vakzine für Tiere sind bereits auf dem Markt. Die Anwendung am Menschen stößt jedoch teilweise noch auf Skepsis, und Forscher, die auf diesem Gebiet arbeiten, gelten noch als Außenseiter. Der „Trick“ bei einer Impfung mit DNA besteht darin, dass das immunisierende Protein vom Körper selbst hergestellt wird. Die Information dazu enthält die DNA-Vakzine. Allerdings haben diese einen Nachteil: Die Immunantwort fällt schwächer aus als bei herkömmlichen proteinbasierten Impfstoffen.

Klinische Studie

Krebs und Virologie sind die beiden Interessenschwerpunkte des Juniorprofessors. (Foto: Keller-Ullrich)
Für den für die Entstehung von Zervixkarzinomen wichtigsten Virustyp HPV-16 hat Professor Öhlschläger ein Gen identifiziert, das in allen infizierten Zellen abgelesen wird. Dieses E7-Gen kann jedoch nicht einfach in den Muskel gespritzt werden, um die erwünschte Immunantwort hervorzurufen, denn es wirkt ja gerade als Onkogen. Daher hat der Immunologe ein artifizielles Gen entwickelt, das zwar dieselbe Immunantwort hervorruft, aber keinen Krebs erzeugt. Im Tierversuch ist die therapeutische Wirkung bereits erfolgreich nachgewiesen. Teilweise kam es bei Mäusen zu einer totalen Tumorregression. Als nächster Schritt soll nun eine klinische Studie in Heidelberg und an der Berliner Charité folgen. Der Konstanzer Forscher hofft, dass diese Ende des Jahres beginnen kann. Die Herstellung des Impfstoffs muss hoch rein und standardisiert erfolgen. Das ist im Forschungslabor an der Universität nicht möglich.
Auch das Genehmigungsverfahren für die Anwendung am Menschen ist langwierig. Weil es das erste Mal ist, dass eine DNA-Vakzine in Deutschland zugelassen werden soll, hat das zuständige Paul-Ehrlich-Institut keine Vergleichsdaten vorliegen. In anderen Ländern sind DNA-basierte Impfstoffe für klinische Studien jedoch bereits zugelassen.
Trotz erster, vielversprechender Erfolge rechnet der Immunologe stets auch mit Rückschlägen. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es nicht oder nicht auf Anhieb funktioniert,“ sagt er, lässt sich davon aber nicht entmutigen.

Optimismus nach Rückschlägen

Stattdessen hat er bereits die nächste Hürde im Visier, denn neben einer Impfung gegen das Zervixkarzinom arbeitet er auch an einer therapeutischen Vakzine gegen Prostatakrebs. „Man muss verschiedene Strategien parallel angehen, damit am Ende ein verwertbares Ergebnis herauskommt,“ erklärt der Forscher seine Arbeitsweise. Mit einer Impfung beim Prostatakarzinom steht er vor einem ganz anderen Problem. Denn in diesem Fall handelt es sich nicht um ein Fremdprotein aus einem Virus, sondern ausschließlich um körpereigene Proteine, die auch auf anderen Geweben vorkommen und gegen die der Körper keine Immunreaktion zeigt. „Damit stehen wir vor einer ganz großen Herausforderung. Allerdings, wenn es funktioniert, wäre eine solche Impfung auch auf viele andere Krebsarten extrapolierbar.“
Nach einer zweijährigen Durststrecke mit etlichen Rückschlägen ist der Konstanzer Immunologe nun optimistisch, denn es ist ihm gelungen, dank einiger Tricks die Immunantwort erheblich zu verbessern.

Zum einen verwendet er „adjuvante Gene“, welche wichtige Immunzellen an den Ort der Impfstoff-Applikation locken, so dass es zu einer deutlich gesteigerten Immunantwort kommt. Zum anderen gelingt es mit Hilfe eines elektrischen Felds, die Durchlässigkeit der Zellwand kurzfristig zu erhöhen. Denn ein Hauptproblem bei der Impfung mit DNA ist, ausreichende Mengen in die Zellen einzuschleusen. Hier liegt die relativ niedrige Immunogenität von DNA-basierten Impfstoffen im Vergleich zu teuren konventionellen Vakzinen begründet. Mit Hilfe eines neuartigen Elektroporations-Geräts, das von einem amerikanischen Unternehmen als Prototyp zur Verfügung gestellt wurde, wird während der Injektion des Impfstoffs ein lokales elektrisches Feld aufgebaut, das die Zellwand für kurze Zeit durchlässiger macht. Diese Methode ermöglicht die Induktion von deutlich verbesserten Immunantworten. „Jetzt fangen wir mit Tumorexperimenten an Mäusen an,“ erklärt Professor Öhlschläger seinen nächsten Schritt.

Neue Transportvehikel

Und weil der Immunologe die Herausforderung sucht, hat er die nächste Hürde noch ein wenig höher gelegt und arbeitet an der Entwicklung von RNA-basierten Therapeutika. Die Idee dazu entstand beim gemeinsamen Feierabendbier mit einem Kollegen aus dem Fachbereich Chemie. Auch dabei geht es um die Krebstherapie, aber nicht um die Immunisierung, sondern darum, gezielt Stoffe in Krebszellen einzuschleusen. Dazu nutzen sie so genannte Aptamere, also dreidimensionale Nukleinsäurestrukturen, die hochspezifisch ein bestimmtes Protein erkennen können. Aptamere funktionieren ähnlich wie Antikörper, sind aber wesentlich kleiner und kommen damit leichter vor Ort zu den betroffenen Zellen. Sie können künstlich hergestellt werden, und zwar wesentlich billiger als Antikörper. Aptamere lassen sich beispielsweise als Transportvehikel für Marker verwenden. So können etwa Gene angehängt werden, die zelltoxische Substanzen in Zellen einschleusen können. Erst Versuche sind erfolgreich verlaufen und die beiden Forscher sind optimistisch. Doch nicht alles, was im Reagenzglas klappt, funktioniert auch im Körper. „Man weiß nie, was als nächstes passiert. Das ist das Spannende an der Wissenschaft,“ sagt Prof. Öhlschläger.

mek – 18.05.08
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
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