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Photorezeptoren für den Werkzeugkasten der Optogenetik

Nachdem lichtgesteuerte Ionenkanäle in Nervenzellen erfolgreich die Optogenetik eingeleitet haben, ist der Werkzeugkasten dieser Methode um ein Vielfaches reicher geworden. Seit kurzem finden nun Photorezeporen ihre mannigfaltige Anwendung. Diese können, gekoppelt an Enzyme und Kinasen, bestimmte Zellfunktionen auslösen, indem sie mit Licht bestrahlt werden. Einer, der die Entwicklung der Photorezeptoren als optogenetisches Werkzeug maßgeblich vorangetrieben hat, ist Prof. Dr. Wilfried Weber, Synthetischer Biologe am BIOSS Center for Biological Signalling Studies der Universität Freiburg. Der Trend geht dahin, jeden Prozess, den man in der Zelle steuern kann, mit Licht steuerbar zu machen.

Licht ist elementar für das Leben auf der Erde und wird mithilfe von speziell angepassten Strukturen, den Photorezeptoren, von Maus, Baum und Bakterium wahrgenommen. Diese Eigenschaft beschränkt sich auf wenige spezialisierte Zellen. „Die meisten Zellen können keine Optogenetik“, sagt Prof. Dr. Wilfried Weber von der Universität Freiburg, „wir müssen es ihnen beibringen, indem wir die entsprechenden Komponenten zusammenbauen.“ Man muss also die lichtunempfindliche Zelle optisch responsiv machen, das heißt dazu bringen, auf Licht zu reagieren. „Und das kann man mit genetischen Methoden tun“, so Weber.

Pflanzen helfen beim Ausbau des Werkzeugkastens

Weber und seine Arbeitsgruppe fügen die Photorezeptoren aus Pflanzenzellen in Säugetierzellen ein und bauen zusammen mit dem gewünschten Effektormolekül ein optogenetisches System auf. „Man hat inzwischen eine ganze Reihe von Bausteinen“, erklärt der Biologe, „und die kann man so kombinieren, dass man die unterschiedlichsten Prozesse über Licht steuern kann.“

Mit dieser sehr jungen Entwicklung ist die Optogenetik in den letzten zwei Jahren deutlich breiter geworden. Photorezeptoren als Werkzeug zu verwenden, bedeutet, dass nicht mehr nur Ionenkanäle und Nervenzellen, sondern im Prinzip alle Zellen des Körpers manipulierbar sind. Dies hat laut Weber unter den Wissenschaftlern weltweit eine enorme Kreativität freigesetzt. „Ein perfektes Anwendungsfeld für die Synthetische Biologie“, erzählt er erfreut. Zahlreiche Forscher, die im Bereich der zellulären Regulationsmechanismen arbeiten, horchen plötzlich auf, als ihnen klar wird, dass sie ihre Prozesse lichtabhängig machen und damit steuern können. Damit lassen sich ganz neue Einsichten gewinnen.

Bausteine fügen sich zusammen

Ferngesteuerte Säugerzellen: Ansatzstellen für lichtgesteuerte Manipulation (grün umkreist: extrazelluläre Matrix, Signalkette, Kerntransport und Promotoraktivierung). © Prof. Dr. Wilfried Weber u. Hannes Beyer, Universität Freiburg
Mit dem Protein Phytochrom B (Phy B), einem Rotlichtrezeptor und dem Phytochrom Interacting Factor (PIF) ist die Pflanze in der Lage, Licht zu erfassen. Dies geschieht über einen reversiblen Mechanismus: Bestrahlt man beide Faktoren mit hellrotem Licht, binden sie aneinander, um in der Pflanzenzelle eine Signalkaskade in Gang zu setzen. Scheint Dunkelrot auf sie, lösen sie sich wieder voneinander. Die genetische Information für Phy B und PIF kann aus pflanzlichen Zellen gewonnen und in menschliche oder tierische Zellkulturen eingefügt werden. Optimalerweise produzieren diese dann den begehrten Rezeptor. Einsetzen lassen sich die Werkzeuge nun an allen Stellen, an denen Proteine beteiligt sind. Viele zelluläre Kinasen sind zum Beispiel im monomeren Zustand inaktiv und werden erst aktiv, wenn zwei Moleküle von ihnen zusammenkommen. Mithilfe der Lichtsensoren kann man sie künstlich aktivieren, indem ein Molekül an Phy B und das andere an PIF gekoppelt wird. Kommen die beiden Monomere bei Beleuchtung mit Rotlicht zusammen, werden sie aktiv und können ihre Signale weitergeben. Auf die gleiche Art kann man andere Enzyme, Proteintransport und sogar Genaktivität in Sekundenschnelle an- und wieder ausschalten. „Es gibt Beispiele, in denen die gesamte Signalkette von der extrazellulären Matrix über Rezeptoren, Phosphorylierungskaskaden, Kerntransport, Promotoraktivierung bis zur Stabilität des Endproduktes über Licht schaltbar gemacht wird, sodass man wirklich eine globale Kontrolle über diese zellulären Prozesse hat“, berichtet Weber. „Das Schöne am Licht ist, dass wir eine hohe zeitliche und örtliche Auflösung haben, das heißt, wir können genau die Zelle und den Zeitpunkt bestimmen, wann wir wo aktivieren wollen.“

Revolution in der Werkzeugentwicklung

Je nachdem, ob Rot-, Blau- oder UV-Licht aufleuchtet, werden die Promotoren anderer Gene aktiviert. © Prof. Dr. Wilfried Weber u. Hannes Beyer, Universität Freiburg

Weber, der seit zehn Jahren an der Genregulierung auf Promotorebene arbeitet, publizierte Anfang des Jahres ein mit Rotlicht induzierbares Expressionssystem, mit dem sich innerhalb von Sekunden Gene steuern lassen. Seither bekommt er viele Anfragen aus allen Bereichen der Forschung unter anderem von Synthetischen Biologen, Entwicklungsbiologen, Immunbiologen und Zellbiologen, die großes Interesse an den Plasmiden haben, auf denen das System mit Phy B und PIF enthalten ist. Dabei verwendet er Promotoren, die durch eine Aktivierungsdomäne angeschaltet werden. Mit einem Protein aus Bakterien, das an die Promotorregion bindet, wird ein PIF verbunden und auf der anderen Seite ein Phy B an eine Aktivierungsdomäne gekoppelt. „Wenn wir jetzt mit rotem Licht beleuchten, gehen die beiden zusammen“, erläutert Weber, „die Aktivierungsdomäne schaltet den Promotor an und das Gen wird abgelesen.“ Beleuchtet man mit Dunkelrot, gehen sie wieder auseinander, in Abwesenheit der Aktivierungsdomäne bleibt der Promotor aus. Möglich gemacht hätten diese Entwicklung laut Weber vor allem die Mitarbeiter der Pflanzenphysiologie der Universität Freiburg, Prof. Dr. Eberhard Schäfer und Prof. Dr. Andreas Hiltbrunner, die die Arbeitsweise des Phy B maßgeblich charakterisiert haben.

Anwendungspotential quer durch alle Disziplinen

Zellkulturen können mit leuchtendem Muster auf dem Handy-Display beleuchtet werden... © Hannes Beyer

Die Anwendungen werden nicht lange auf sich warten lassen. Weber und seine Kollegen haben ein Werkzeug, eine Art universellen Schalter geschaffen, der an individuelle Forschungsinteressen angepasst werden kann. Eine bestehende Kooperationen mit einer Arbeitsgruppe aus dem Universitätsspital Zürich in Bezug auf Induktion von Wachstumsfaktoren bei der Blutgefäßbildung sind sehr vielversprechend. Auch in der Tumorentstehung gibt es Signalwege, in denen Kinasen eine große Rolle spielen. Diese sind jetzt gut manipulierbar, indem sie "lichtschaltbar" gemacht werden.

... wodurch der Genpromotor aktiviert wird. © Hannes Beyer

Wilfried Weber arbeitet bereits daran, einen zweiten und dritten Promotor mit Blaulicht- und UV-Lichtabhängigen Proteinen schaltbar zu machen, sodass in einer Zelle drei verschiedene Gene unabhängig voneinander aktiviert werden können, je nachdem, welche Lichtfarbe auf sie trifft. Mit einer Photomaske belichtet, werden dort, wo Licht hinkommt, Gene aktiviert, die Gene im Dunkeln bleiben stumm.

Die neueste Entwicklung ist, eine Zellkultur mit dem Handybildschirm, auf den ein bestimmtes Lichtmuster projiziert ist, zu beleuchten, um den Promotor zu aktivieren. „Die Pixel auf dem Bildschirm sind genauso groß wie eine Zelle, nämlich etwa 20 Mikrometer“, so Weber, „das heißt, man kann in der Auflösung der Zellgröße aktivieren, was erstaunlich gut funktioniert.“ Willkommen in der Zukunft!

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