Pilzinfektion der Lunge: Bessere Diagnostik mit antikörperbasierter Bildgebung
Die Krebsdiagnostik machte den Anfang. Nun soll die antikörperbasierte Bildgebung mit PET/MRT auch zur Diagnose von Schimmelpilzinfektionen der Lunge dienen. Das Verfahren entwickelt ein europäischer Forscherverbund, der von Tübingen aus koordiniert wird.
MRT-Aufnahmen eines Patienten mit zerebraler Aspergillose. Hier hat der Pilz also bereits das Gehirn befallen. Die beiden rundlichen Regionen in der oberen Bildhälfte (rechts hell, links dunkel) kennzeichnen den Pilzbefall.
© Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Thomas Nägele, Neuroradiologie, Universitätsklinikum Tübingen
Die Zukunft der medizinischen Bildgebung wird vom Werner Siemens Imaging Center des Universitätsklinikums Tübingen mitgestaltet. Prof. Dr. Bernd Pichler entwickelt hier seit 2008 auf dem Stiftungslehrstuhl der Werner Siemens-Stiftung innovative bildgebende Verfahren. Im Jahr 2015 war er einer von zehn Experten, die für die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina ein Positionspapier zur Zukunft der Bildgebung erstellt haben. Pichler ist zudem Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech (seit Herbst 2015) und diverser anderer Gremien, die für diesen wichtigen Zweig der Medizintechnik die Weichen stellen.
Jüngster Erfolg des Teams um Pichler ist ein neues Diagnose-Verfahren für eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten der Lunge: die invasive Aspergillose. Sie wird durch den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus verursacht. Gesunden Menschen mit intaktem Immunsystem kann der Pilz wenig anhaben. Fällt die Immunabwehr jedoch aus, zum Beispiel bei immungeschwächten Krebs- und AIDS-Patienten, kann sich der Pilz in der Lunge festsetzen und diese derart zuwuchern, dass es zum Tode kommen kann.
Der Pilz kann zwar mit fungiziden Therapeutika behandelt werden, dafür ist jedoch eine möglichst frühe und schnelle Diagnose entscheidend, und genau daran hapert es noch. „Bisher wird Patienten mit Aspergillose-Verdacht ein Lungenbiopsat entnommen und es werden Laborkulturen angelegt. Das Ergebnis liegt dann etwa eine Woche nach dem invasiven Eingriff vor“, sagt der Biologe Dr. Stefan Wiehr aus Pichlers Team. „Abgesehen vom Zeitverlust bis zum Therapiestart ist die Biopsie für immungeschwächte Patienten natürlich auch belastend“, ergänzt Anna-Maria Rolle. Sie ist Diplom-Ingenieurin für Biosystemtechnik und in Tübingen ebenfalls an der Entwicklung des neuen Diagnose-Verfahrens beteiligt. Das Ganze ist ein großes, von der EU gefördertes Verbundprojekt namens MATHIAS (New Molecular-Functional Imaging Technologies and Therapeutic Strategies for Theranostic of Invasive Aspergillosis). Mit dabei sind auch Prof. Dr. Matthias Gunzer und sein Team am Universitätsklinikum Essen, Wissenschaftler um Prof. Dr. Roger Schibli am Paul Scherrer Institut und der ETH in der Schweiz, die Firma ISCA Diagnostics, ein Spin-off der britischen Universität Exeter, sowie weitere Forscher aus Frankreich und Dänemark.
Heilungserfolg hängt von früher Diagnostik ab
Der Clou bei MATHIAS ist die Verwendung von radioaktiv markierten Antikörpern, die hochspezifisch eine Struktur auf der Oberfläche der Pilzhyphen erkennen und daran binden. Dem Patienten können die Antikörper einfach injiziert werden. Ist die Lunge infiziert, reichern sich die Antikörper dort an. Kommt der Patient dann ein paar Stunden später „in die Röhre“, wird hier ein kombiniertes MRT/PET-Verfahren zur Bildgebung eingesetzt. Pichlers Team arbeitet an vorderster Wissenschaftsfront an der Weiterentwicklung dieses Kombi-Verfahrens. Es ermöglicht ganz neue Dimensionen der Bildgebung. Denn hier werden die Vorzüge beider Methoden verknüpft: Während die Magnetresonanztomografie (MRT) eine besonders gute morphologische Auflösung erlaubt, bietet die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) eine hohe Nachweisempfindlichkeit bis in den pikomolaren Bereich. Die signalgebenden Tracer-Moleküle beinhalten in diesem Fall das Isotop Kupfer-64 – wobei auch andere Markierungen möglich sind und in Zukunft noch getestet werden sollen, wie Pichler betont.
Die Antikörper-gekoppelte Bildgebung ist in der Diagnostik noch recht neu und wird bisher vor allem in der Onkologie eingesetzt. Als Wiehr darüber einen Vortrag in Berlin hielt, wurde er danach von Gunzer angesprochen, der damals in Magdeburg, heute in Essen mit Aspergillus arbeitet. Es folgte ein wissenschaftlicher Austausch, aus dem die Projektidee entstand. Quer durch Europa wurden weitere Experten gesucht, um die Sache ins Rollen zu bringen. Das EU-Projekt startete schließlich im Oktober 2013. Gunzer entwickelte in Essen das erste Tiermodell für die Tests, ein französisches Unternehmen liefert den Chelator, der als Bindeglied zwischen dem eigentlichen Antikörper und dem Radionuklid fungiert. Die Experten vom Paul Scherrer Institut sorgen für die optimale Bindung. Produziert und für diesen besonderen Einsatz modifiziert wird der Antikörper von ISCA Diagnostics in England. Die Kollegen aus Dänemark optimieren die Herstellung innovativer radioaktiver Isotope. In Tübingen laufen die Fäden insofern zusammen, als Pichler das Projekt von hier aus koordiniert und mit seinem Team die Bildgebung am weiterentwickelten Tiermodell etabliert hat.
Forscher haben bereits klinische Studien und die Zulassung im Blick
Inzwischen tragen die gemeinsamen Anstrengungen Früchte: Der Forscherverbund veröffentlichte Anfang 2016 die erfolgreiche, spezifische Aspergillus-Detektion im Mausmodell. „Wir können zuverlässig zeigen, dass es sich tatsächlich um Aspergillus fumigatus und nicht etwa um eine bakterielle oder virale Infektion handelt“, so Wiehr. Nun wird das Verfahren für die Anwendung beim Menschen vorbereitet. „Wir hoffen, im nächsten Jahr erste Patientendaten zu bekommen und haben auch bereits ein Unternehmen an der Hand, das für uns die toxikologischen Untersuchungen durchführen wird. Die klinische Bildgebung soll dann in Essen und Tübingen erfolgen“, sagt Pichler. Dafür gibt es noch einiges zu tun, denn der Workflow der Bildgebung muss im Detail noch optimiert werden. Die Wissenschaftler müssen zum Beispiel noch herausfinden, in welcher Zeitspanne nach der Injektion das bestmögliche quantitative Ergebnis vorliegt.
Trotzdem denken die Tübinger Forscher bereits weiter. Wiehr umreißt die Vision: „Wir entwickeln die antikörperbasierte Bildgebung so weiter, dass sie nicht nur in der Diagnostik, sondern auch therapeutisch einsetzbar wird. Das könnte auch einen erheblichen Kostenvorteil mit sich bringen, denn eine Antimykotika-Therapie ist mit zirka 250.000 bis 400.000 Euro pro Patient sehr teuer. Wir wollen mithilfe einer EU-weiten Ausschreibung ein Unternehmen mit einer zertifizierten GMP-Facility finden, das in der Lage ist, nach unseren Vorgaben spezifische therapeutische Antikörper kostengünstig herzustellen.“
Um die Entwicklung von innovativen bildgebenden Verfahren auf eine noch viel breitere Basis zu stellen und die Kompetenzen vor Ort noch besser nutzen zu können, plant die Universität Tübingen gemeinsam mit der Universität Stuttgart, dem Universitätsklinikum Tübingen und benachbarten außeruniversitären Forschungseinrichtungen die Einrichtung eines nationalen Zentrums für Bildgebungstechniken. „Wir orientieren uns damit an großen amerikanischen Zentren und wollen hier eine weltweit kompetitive Einrichtung schaffen, die die gesamte Bildgebung von der Bildgebungs-Probenentwicklung bis hin zu klinischen Phase-I- und -II-Studien umfasst“, sagt Pichler.