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Rhodopsine – Einblick in die Dolmetscherstube

Rhodopsine vermitteln zwischen der sichtbaren Welt und unserem Gehirn. Ob sie die Lichtinformation in elektrische Impulse übersetzen können, hängt maßgeblich von Bindungen zwischen einzelnen Molekülgruppen in ihrem Inneren ab. Einen tiefen Einblick bis in das Zentrum der Rezeptoren haben die Biophysiker um Privatdozent Dr. Reiner Vogel von der Universität Freiburg. Mit ihren Methoden der Infrarot-Spektroskopie sehen sie genau, welche molekularen Seitenketten innerhalb des Proteins interagieren müssen, damit das Gehirn die visuelle Umgebung „verstehen“ kann

Unsere Welt ist nur eine vermittelte. Spezialisierte Sinneszellen in der Netzhaut (Stäbchen oder Zapfen) übertragen die in Form von Lichtenergie gespeicherte Information über die Umgebung in elektrische Impulse. Erst in dieser Sprache des Gehirns wird uns die Welt zugänglich. Wie aber geht dieser Prozess des Dolmetschens vor sich? Das Licht verschiedener Wellenlängen gelangt ins Innere der Sinneszellen und trifft dort auf Rhodopsine – Eiweiße, die in scheibchenartige Membransäckchen eingelagert sind und in ihrem aktiven Zentrum je ein organisches Molekül mit dem Namen Retinal tragen. In seinem inaktivierten Zustand erinnert das Retinal an ein eingeknicktes Bein. Absorbiert es aber Licht, streckt es sein „Knie“ durch und verschiebt notgedrungen das, was um es herum liegt: verschiedene Seitenketten des umhüllenden Proteins. Dadurch verändert das gesamte Rhodopsin seine Form und kann nun mit einem Nachbarn interagieren, einem so genannten G-Protein. Dieses löst eine biochemische Kaskade aus, die Ionenkanäle an der Membran der Sinneszelle schließt und den Stromfluss verändert. Zellen im Sehnerv messen die daraus resultierende Spannungsänderung und leiten dies an höhere Zentren im Gehirn weiter.

Rhodopsin als wichtiges Modell

„Das Rhodopsin in unserem Auge ist wahnsinnig effizient“, sagt Privatdozent Dr. Reiner Vogel vom Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung der Universität Freiburg. „Es reichen zwei bis drei Lichtquanten aus, damit es aktiviert wird und die Information aus der Umgebung ans Gehirn gesendet werden kann.“ Vogel und seine zwei Mitarbeiter von der AG Biophysik untersuchen neben dem Rhodopsin auch andere Rezeptoren, die mit G-Proteinen wechselwirken, um Information zu übertragen (sogenannte G-Protein-gekoppelte Rezeptoren oder kurz GPCRs). Auch solche sind dabei, die nicht durch Licht sondern etwa durch Neurotransmitter oder Hormone aktiviert werden, wie zum Beispiel der Adrenalin-Rezeptor im Herzmuskel. Rhodopsine sind für die Biophysiker jedoch besonders interessant, weil sie zum einen sehr gut erforscht sind und zum anderen gute experimentelle Modelle für andere GPCRs darstellen. Einer der Gründe: die Sensibilität für Licht, die es erlaubt, Rhodopsine mit kurzen Laserpulsen zu aktivieren und damit genau definierte zeitliche Verläufe der Reaktivität zu beobachten.
GPCRs
Das Schema zeigt drei Typen von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCRs), die unterschiedlich aktiviert werden können. Links ist das Rhodopsin mit dem Retinal-Molekül im Inneren (Abbildung: PD Dr. Reiner Vogel)
In den letzten Jahren haben Vogel und sein Team untersucht, welche Bereiche des Rhodopsins nach einem Lichtpuls eigentlich in Bewegung geraten und dazu beitragen, dass sich das Protein in seinen aktiven Zustand umfaltet. Damit das gelingt, müssen sich die gewundenen Domänen des Rezeptors gegeneinander verschieben, die in der Membran verankert sind, die sogenannten α-Helices. Passiert das, so lösen sich bestehende Bindungen zwischen Seitenketten der α-Helices und es bilden sich andernorts neue Bindungen aus. Diesen Prozess können die Forscher messen, und zwar mithilfe der Infrarot-Spektroskopie. Das Verfahren nutzt infrarotes Licht, das im Vergleich zum sichtbaren Licht relativ langwellig ist. Die hohen Wellenlängen, die mithilfe eines Strahls in eine Probe eingeleitet werden, werden gerne von Molekülbindungen absorbiert, und das können die Biophysiker in einem Absorptionsspektrum des wieder aus der Probe austretenden Lichts sichtbar machen. Einzelne Peaks in einem solchen Spektrum entsprechen dann unterschiedlichen Bindungstypen, zum Beispiel Ionenbindungen zwischen geladenen Seitenketten von Aminosäuren.
Bindungen
Das Modell eines Rhodopsin-Rezeptors in einer Biomembran, hervorgehoben sind drei verschiedene wichtige Bindungen (Abbildung: PD Dr. Reiner Vogel)

Auf der Suche nach entscheidenden Bindungen

„Das Spektrum von inaktiviertem Rhodopsin weist verschiedene Peaks auf, die die unterschiedlichen Bindungen im Molekül widerspiegeln“, sagt Vogel. „Subtrahieren wir dieses Spektrum vom Spektrum für das durch einen Lichtpuls aktivierte Rhodopsin, dann erhalten wir nur für diejenigen Bindungen Peaks, durch die sich die inaktivierte und die aktivierte Form unterscheidet.“ Und diese Bindungen sind diejenigen, die sich lösen und neu bilden, wenn das Rhodopsin Licht detektiert. Vogel und seine Mitarbeiter haben inzwischen zwei solcher Bindungen gefunden, unter anderem eine, die genau im Zentrum des Rhodopsins sitzt und unbedingt aufgebrochen werden muss, damit der Rezeptor sich nach Lichtaufnahme korrekt umfaltet und mit dem G-Protein wechselwirken kann.

Mit ihren Methoden erforschen Vogel und Co Rhodopsine und andere GPCRs in ihrem nativen Umfeld von Biomembranen. Die physiologischen Bedingungen sind für die Funktionsweise der Rezeptoren sehr wichtig, aber die Untersuchung von Rhodopsinen in natürlicher Umgebung erfordert besonders optimierte Verfahren (siehe Kasten). Ihr Wissen über das Sehpigment können Vogel und seine Mitarbeiter zum Teil auch auf die anderen GPCRs übertragen, etwa auf die Neurotransmitter-Rezeptoren im Gehirn oder in den Muskeln. Und diese sind auch pharmakologisch interessant, denn sie funktionieren bei einigen Krankheiten nicht mehr richtig.
Oberflächenspektroskopie
Das Prinzip der optimierten Oberflächenspektroskopie im Schema: Die einlagige Schicht aus Rezeptoren in der Biomembran (oben), die verbindenden Proteine (Mitte) und die Goldpartikelschicht (unten). Der Kristall, durch den das Licht geleitet wird, wäre in dieser Darstellung unterhalb der Goldschicht. (Abbildung: PD Dr. Reiner Vogel)
Optimierte Oberflächenspektroskopie:
PD Dr. Reiner Vogel und seine Mitarbeiter untersuchen Rezeptorproteine in natürlichen Membranen und unter physiologischen Bedingungen. Hierzu muss die Temperatur, der pH-Wert und die Salzkonzentration des Proben-Mediums stimmen. Das Wasser im Medium schluckt jedoch sehr viel Infrarotlicht und erschwert die Messung mit einem Infrarotstrahl. Deshalb arbeiten die Freiburger Wissenschaftler mit einlagigen Biomembran-Rezeptor-Schichten. Diese sehr dünnen Schichten tragen sie auf Kristalle auf, durch die sie Infrarotlicht leiten. Das Licht tritt nicht in die Probe über und wird demzufolge nicht vom Wasser verschluckt. Quantenphysikalische Phänomene sorgen trotzdem dafür, dass es mit der Probe interagiert. Diese Interaktion verändert den aus dem Kristall wieder austretenden Strahl und kann gemessen werden. Das Signal ist bei einer so dünnen Biomembran-Rezeptor-Schicht jedoch sehr schwach, deshalb tragen die Biophysiker zwischen den Kristall und die Schicht noch eine besonders strukturierte Lage aus Goldpartikeln auf, an die sie die Rezeptoren mit Hilfe von speziellen Proteinen koppeln. Die Bindungen zwischen den Goldatomen haben spezielle Eigenschaften und verstärken das Signal.
mn – 11.12.08
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen zum Beitrag:
PD Dr. Reiner Vogel
Arbeitsgruppe Biophysik
Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung
Universität Freiburg
Hermann-Herder-Str. 9
79104 Freiburg, Germany

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