Saskia Biskup – Auf dem Weg zur Präzisionsmedizin
Erfolg verspricht eine Therapie nur, wenn zuvor eine möglichst präzise Diagnose gestellt wird. Die genetische Analyse ermöglicht dies heute schon für viele Erkrankungen. Und dank Hochdurchsatztechnik erhalten Patienten das Ergebnis auch schon innerhalb kürzester Zeit. Dr. Dr. Saskia Biskup hat die Bedeutung einer solchen Präzisionsmedizin schon vor Jahren erkannt und die CeGaT GmbH gegründet, die Humangenetik mit Hochdurchsatzsequenzierung kombiniert. Mittlerweile sind drei Tochterfirmen hinzugekommen, und die Ärztin würde ihre Eigenverantwortlichkeit unter gar keinen Umständen mehr zugunsten einer reinen akademischen Karriere aufgeben.
Die Ärztin und Naturwissenschaftlerin Dr. Dr. Saskia Biskup hat in den letzten acht Jahren vier Firmen gegründet und betreibt parallel dazu noch ihre Praxis für Humangenetik in Tübingen.
© CeGaT GmbH
Auf die Idee, die eigene Firma zu gründen, kam Dr. med. Dr. rer. nat Saskia Biskup vor rund zehn Jahren während der Facharztausbildung am Institut für Humangenetik der Universität Tübingen. Damals kam gerade die Hochdurchsatzsequenzierung als neue Methode zur Analyse des Erbgutes auf – eine technische Revolution, wie die Fachärztin für Humangenetik und Naturwissenschaftlerin die Technik nennt: „Die alte Sequenziertechnik hat zwar gut funktioniert, ich wusste aber aus der täglichen Praxis, wie lange Patienten damit auf ihre Befunde warten müssen – da war die Hochdurchsatztechnologie ein Quantensprung für die genetische Diagnostik.“
Schnell kam Biskup auf den Gedanken, die Hochdurchsatzsequenzierung auch noch für eine ganze Reihe mehr humangenetischer Fragestellungen zu nutzen. „Das war aber an der Uni nur sehr schwer umzusetzen“, berichtet Biskup. „Ich habe meinem Mann davon erzählt, und wir haben uns gefragt, ob wir das nicht auch privat hinbekommen können. Er als Wirtschaftswissenschaftler erstellte dann einen Businessplan, und nach Begutachtung und Prüfung durch verschiedene Institutionen hatten wir tatsächlich nach kurzer Zeit schon einen Kredit.“
Der Patient steht im Mittelpunkt
So gründete die Ärztin im Mai 2009 gemeinsam mit ihrem Mann Dr. Dirk Biskup mit dem Center for Genomics und Transcriptomics CeGaT GmbH in Tübingen eine Firma zur Entschlüsselung von Erbinformationen und medizinischen Interpretation der Daten. Noch im gleichen Jahr beendete Biskup zudem die Facharztausbildung, beantragte einen Kassensitz und eröffnete parallel dazu ebenfalls in Tübingen eine humangenetische Facharztpraxis. Aber auch ihre rein wissenschaftliche Arbeit gab die Ärztin nicht gleich auf: Sie leitet seit 2010 eine eigene Arbeitsgruppe am Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung der Universität Tübingen und hat dort auch einen Lehrauftrag. „Dies läuft aber gegen Ende des Jahres aus“, sagt Biskup, die dort die genetischen Grundlagen der Parkinson-Krankheit erforscht. „Das Engagement ist hier sehr experimentell. Aber mein Interesse soll zukünftig nicht mehr der Grundlagenforschung gelten, sondern der patientenangewandten Forschung – also der translationalen Medizin.“
Biskup und ihr Mann teilen sich die Geschäfte: Sie ist das innovative und strategische Element, er der operative und organisatorische Part, wie sie es selbst nennt.
© CeGaT GmbH
Die Patienten sind Biskup wichtig. Deshalb legt sie auch besonderen Wert darauf, regelmäßig in ihrer Praxis präsent zu sein: „Ich sehe die Patienten selber – und nicht wenige pro Woche“, berichtet sie. „Denn unsere Innovationen kommen aus den Patientenkontakten. Daraus ergeben sich die verschiedensten klinischen Fragestellungen, der medizinische Bedarf. Und hier leitet sich auch die Strategie für uns ab – wo es mit der CeGaT hingeht – und bringt uns auf neue Ideen. Zudem verbringe ich auch viel Zeit damit, mich umzusehen, was es in der Diagnostik Neues gibt.“ Ihre Motivation, die Arbeitsbelastung gerne auf sich zu nehmen, die all die vielen Tätigkeiten mit sich bringen, sei es, dass man viel eigenständiger arbeiten und damit Dinge ganz anders bewegen könne als in der rein akademischen Forschung, sagt die Ärztin.
Tochterfirmen nutzen die CeGaT-Technologie
Die Technologie der CeGaT für die personalisierte Diagnostik besteht unter anderem in der Hochdurchsatzsequenzierung verschiedener Diagnostik-Panels, mit deren Hilfe sämtliche für eine Krankheit in Betracht kommenden Gene gleichzeitig analysiert und rasch auf bestimmte Krankheitsbilder hin geprüft werden können. „Für die Diagnostik genetischer Erkrankungen beim Menschen haben wir in den letzten Jahren einiges investiert und mittlerweile ein großes Know-how. Und irgendwann haben wir gesehen, dass man dies auch noch für ganz andere Forschungsgebiete nutzen kann.“ So besitzt die CeGaT mittlerweile auch noch drei Tochterfirmen, die die von Biskup und ihren Mitarbeitern entwickelten Technologien nutzen. Das 2014 gegründete Center for Metagenomics CeMeT führt Mikrobiom-Analysen durch, die 2015 gegründete Cenata GmbH untersucht mit dem Harmony® Prenatal Test fetale DNA im mütterlichen Blut und das 2015 gegründete Center for Animal Genetics CAG bietet Gentests für Hunde, Katzen und Pferde an. Am Tübinger Firmensitz des Unternehmens werden so mittlerweile zehntausende Untersuchungen jährlich durchgeführt: Firmeninterner Spitzenreiter ist die Cenata GmbH mit rund 50.000 Analysen, gefolgt von der CeGaT mit bis zu 15.000 Untersuchungen pro Jahr.
Innovation kann man nur eigenverantwortlich erarbeiten
Trotz Arbeitspensum, Verantwortung für mittlerweile 150 Mitarbeiter und Risiko würde die mehrfache Firmengründerin mittlerweile keinesfalls wieder anders arbeiten wollen: „Wenn man einmal erlebt hat, wie es ist, eigenverantwortlich zu arbeiten, würde man unter gar, gar keinen Umständen wieder zurück an die Universität oder Klinik gehen wollen“, erklärt Biskup. „In Kooperation jederzeit gerne. Aber mich einer Organisation unterordnen, die ich nicht selbst mitgestalten kann, das würde ich nie mehr tun. Gerade an der Uni finden ja manchmal Dinge statt, über die man nur den Kopf schütteln kann. Wenn man innovativ ist und Dinge bewegen möchte, dann kann man das nur selbst schaffen – indem man eigenständig ist. Natürlich gibt es auch immer wieder Rückschläge. Aber wenn man scheitert, dann steht man eben wieder auf.“ Für ihr Engagement ist die Ärztin und Wissenschaftlerin in den letzten Jahren schon mehrfach mit Preisen ausgezeichnet worden. So gehört sie beispielsweise seit 2011 zu den „100 Frauen von morgen“.
Präzisionsmedizin ist die Zukunft der CeGaT
Die Verbindung der Laboranalysen mit ausgewiesener medizinischer Expertise macht die Besonderheit des jungen Unternehmens aus.
© CeGaT
Interessenskonflikte, was Patente und Publikationen angeht, gibt es bei der CeGaT und ihren Tochterfirmen keine. „Ich bin sehr antipatent“, sagt Biskup. „Wir wollen auch gezielt möglichst viel öffentlich machen. Der einzelne Patient kann nur profitieren, wenn die Dinge zugänglich sind.“ Und sie fügt hinzu: „Aber für uns sind Patente auch nicht so wichtig. Wir arbeiten viel wissenschaftlich und veröffentlichen rund 20 Artikel pro Jahr. Das ist uns wichtiger als zu überlegen, wie wir uns am besten mit Patenten schützen können. Wir wollen auch nicht verkaufen, sondern sind so sehr an unserem Unternehmen interessiert – dieses weiterzuentwickeln.“
Trotz Akkreditierungen und Erfolgen steht die CeGaT aber durchaus auch im internationalen Konkurrenzkampf. Jedoch käme in ihrem Fall zu optimierten Produkten, die schnell und günstig in guter Qualität bereitgestellt würden, noch die ausgewiesene medizinische Expertise des Unternehmens, so die Ärztin. Der medizinische Aspekt soll auch in Zukunft Schwerpunkt der Firma bleiben. „Die genetische Diagnostik ist idealerweise immer der Anfang, bevor eine Therapie überhaupt begonnen wird. Denn nur die präzise Diagnose ermöglicht dann auch eine Präzisionstherapie – Stichwort: Präzisionsmedizin, der wir uns zukünftig hoffentlich immer mehr nähern werden. Und dann will ich auch nicht ausschließen, dass wir uns irgendwann vom Diagnostikzentrum zu einem Therapiezentrum entwickeln werden“, berichtet die Unternehmerin von ihren Zukunftsplänen.