Silke Bitz – Seit 20 Jahren aktiv für die Abschaffung von Tierversuchen
„Tierversuche sind für die Forschung weder wichtig noch nützlich“, sagt Silke Bitz. Die Freiburger Biologin arbeitet für "Menschen für Tierrechte Tierversuchsgegner Baden-Württemberg e.V." und "Ärzte gegen Tierversuche e. V.". In ihrer Freizeit engagiert sie sich außerdem ehrenamtlich. Sie sieht sich täglich mit dem Leid unschuldiger Lebewesen konfrontiert und beklagt die Trägheit der Politik, endlich den Weg zu einer tierversuchsfreien Forschung zu ebnen, denn Studien über die Unzuverlässigkeit des Tierversuchs gibt es ihrer Ansicht nach viele. Ihr Schwerpunkt ist die wissenschaftlich fundierte Argumentation gegen Tierversuche und die politische Lobbyarbeit. Ihr Ziel ist und bleibt: die Abschaffung aller Tierversuche. Welche Alternativen sieht sie?
Silke Bitz
© privat
Laut aktueller Statistik der Bundesregierung mussten in deutschen Labors im Jahr 2008 etwa 2,7 Millionen Tiere leiden und sterben. Darunter waren vor allen Dingen Mäuse, aber auch Ratten, Fische, Kaninchen, Affen, Katzen, Hunde und andere Tierarten. Rund ein Drittel ließ sein Leben für die zweckfreie Grundlagenforschung. Etwa ein Fünftel starb für die Arzneimittelforschung, sechs Prozent für Giftigkeitsprüfungen, etwa bei der Herstellung von Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen oder Pflanzenschutzmitteln. In vielen Fällen sind Tierversuche vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Stoffe, die für den Menschen hergestellt werden, könnten gravierende Nebenwirkungen haben, und das soll in Verträglichkeitsstudien an lebenden Organismen ausgeschlossen werden.
„Die vorgeschriebenen Tierversuche wurden allerdings nie auf ihre wissenschaftliche Relevanz hin geprüft, sind also ungeprüft in Vorschriften verankert“, sagt Silke Bitz, die wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Tierversuchsgegnerorganisation "Ärzte gegen Tierversuche e. V." und dem Verein "Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e. V." ist und sich ehrenamtlich für die "Tierrechts-Initiative Freiburg" engagiert. „Tierversuche und gute Wissenschaft schließen sich aus. Daher halte ich es für wichtig, dem erbarmungslosen Ausbeutungssystem entgegenzuwirken. Tiere für eine zweifelhafte Forschung zu opfern ist unethisch und abzulehnen.“
Aus wissenschaftlicher Sicht fragwürdig?
Die Empathie für Tiere und die wissenschaftliche Argumentation gegen Tierversuche durchziehen Bitz' ganzes Leben. Sie studierte Diplombiologie an den Universitäten Freiburg und St. Andrews (Schottland). Ihre Diplomarbeit machte sie am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Nach Abschluss des Studiums arbeitete sie zunächst in der Akademie für Tierschutz, der wissenschaftlichen Einrichtung des Deutschen Tierschutzbundes, bis sie 2007 zu den beiden Tierrechts-Vereinen wechselte. Bitz lebt vegan, was bedeutet, dass sie keine tierischen Produkte zu sich nimmt. „Das ist der effektivste Beitrag nicht nur zum Tierschutz, sondern auch zum Klima- und Umweltschutz, zur eigenen Gesunderhaltung, gegen Wasserverschwendung und gegen den Hunger und die Armut in weiten Teilen der Erde“, sagt sie.
Mäuse sind die am meisten gefährdeten Versuchstiere.
© www.cancer.gov
Für die Tierrechte und insbesondere die Abschaffung der Tierversuche engagiert sich die 1973 in Freiburg geborene Bitz bereits seit rund 20 Jahren. „Durch meine Arbeit bin ich dann auch zu der wissenschaftlichen Überzeugung gekommen, dass Tierversuche ein schlechtes und darüber hinaus gefährliches System sind“, sagt sie. Auch in der Forschung gelten natürlich ethische Richtlinien. Viele Versuche werden heutzutage nicht direkt an lebenden Tieren durchgeführt, sondern zum Beispiel an Zellkulturen. Die Zellen für solche Versuchssysteme werden oft aus tierischem Gewebe entnommen. So können Forscher zum Beispiel die Haut oder die Retina im Reagenzglas „nachbauen“ und für ihre Tests verwenden.
Aber selbst das ist nach Meinung von Bitz ethisch nicht zu rechtfertigen: In vielen Fällen müssen die Tiere, denen Zellmaterial entnommen wird, trotzdem sterben (zum Beispiel Mäuse, in denen ein Tumor gezüchtet wurde, damit Tumorzellmaterial gewonnen werden kann). Laut Bitz macht es zum anderen auch aus wissenschaftlicher Sicht keinen Sinn. „Solche Testsysteme stammen vom falschen Organismus und können somit gravierende Fehlergebnisse hervorbringen“, sagt die Biologin. „Wird beispielsweise eine Sonnencreme an Hautzellen getestet, die von Mäusen stammen, kann man nicht vorhersehen, wie die menschliche Haut oder gar verschiedene Hauttypen reagieren werden. Viel zu groß sind die Unterschiede im Aufbau der einzelnen Hautschichten von Maus und Mensch und in der Empfindlichkeit der menschlichen Hauttypen.“
Krampfhaftes Festhalten am Tierversuch?
Künstliche Haut als Alternative? Humanhautzellkulturen in roter Nährflüssigkeit.
© Ärzte gegen Tierversuche e.V.
Das Plädoyer: „Testmethoden, die mit Zellen von Tieren arbeiten, können höchstens als Zwischenschritte auf dem Weg zu einer gänzlich tierversuchsfreien Forschung akzeptiert werden. Tierversuchsfreie Methoden sind immer sinnvoll und besser, da sie im Gegensatz zum Tierversuch ethisch vertretbar sind und wissenschaftlich zuverlässige Ergebnisse bringen.“ Für solche „tierversuchsfreien Methoden“ gibt es heute viele Beispiele: Technisch ausgefeilte Computermodelle können zum Beispiel Informationen über Struktur, Wirkung und Giftigkeit von Substanzen liefern. Computermodelle wie QSAR (Quantitative Structure Activity Relationship) basieren auf menschlichen Daten. Unter Einbeziehung der Molekularstruktur einer Substanz kann ihre wahrscheinliche Wirkung auf den Menschen vorausgesagt werden. Ein anderes Beispiel ist der Einsatz von Mikrochips, auf denen menschliche Zellen aus Leber, Niere oder anderen Organen sitzen. Diese Zellen können leicht entnommen und mit den zu testenden Substanzen in Kontakt gebracht werden.
Viele Forscher und Pharmaunternehmen wollen solche „Ersatzmethoden“ jedoch nicht einsetzen. „Das oftmals geradezu krampfhafte Festhalten am Tierversuch hat nicht wissenschaftliche Gründe, sondern basiert größtenteils auf Tradition“, sagt Bitz. Vor mehr als 150 Jahren führte der französische Physiologe Claude Bernard den Tierversuch als den Gold-Standard für die medizinische und wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung ein. Seine Vorstellungen bilden immer noch die Grundpfeiler des heutigen wissenschaftlichen Weltbildes. „Tiere sind in diesem Weltbild reine Messinstrumente“, sagt Bitz. „Ein weiteres Problem ist die mangelnde finanzielle Förderung der tierversuchsfreien Forschung sowie langwierige Anerkennungsverfahren, die den Einsatz von sogenannten alternativen Methoden verzögern oder gar verhindern.“
Um die Verantwortlichen zu überzeugen, versucht Bitz im Rahmen ihrer Arbeit, die Öffentlichkeit über den grausamen Umgang mit Tieren und die sich daraus ergebenden Gefahren für den Menschen und die Umwelt aufzuklären. Neben Informationsständen zu gezielten Tierschutzthemen führen sie und ihre Kollegen Demonstrationsveranstaltungen, Vorträge, Diskussionsrunden, Filmvorführungen und andere sinnvolle Formen der Öffentlichkeitsarbeit durch. Außerdem treten sie an die Politik mit konkreten Forderungen zur Verbesserung des Tierschutzes heran. Unter anderem wirken sie im Landesbeirat für Tierschutz des Landwirtschaftsministeriums Baden-Württemberg mit. Sie nehmen an den Sitzungen und Arbeitsgruppen teil und bringen tierschutzrelevante Anträge ein, die darauf abzielen, die rechtliche Situation der Tiere zu verbessern. Die Internet-Datenbank von Ärzte gegen Tierversuche dokumentiert außerdem Details zu Tausenden von in Deutschland durchgeführten Tierversuchen.
Erfolge und Rückschläge
Gibt es Erfolge? „Gut war im Jahr 1989 die Einrichtung von ZEBET, der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatzmethoden zum Tierversuch, wofür sich vor allem unser Verein Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg jahrelang eingesetzt hatte“, sagt Bitz. Die Veröffentlichung der sogenannten Versuchstierstatistik ist ebenso als Fortschritt zu bewerten, waren doch die immensen Zahlen der verbrauchten Tiere sowie der jeweilige Verwendungszweck der Öffentlichkeit lange unbekannt. Auch im Bereich „Tierversuche für Kosmetik“ konnte ein Erfolg erzielt werden. Seit 2009 gilt ein EU-weites Verbot von Tierversuchen für kosmetische Inhaltsstoffe sowie der Vermarktung von tiergetesteten Kosmetika. Allerdings sei dieses Verbot zum Teil lückenhaft. „Eine große Errungenschaft war auch das Förderprogramm für tierversuchsfreie Forschung in Baden-Württemberg, das auf die Initiative unseres Vereins zurückgeht“, sagt Bitz. „Allerdings wurde dieser Etat kürzlich gänzlich gestrichen.“
Dieser Beagle ist ein typischer „Versuchs“hund.
© Ärzte gegen Tierversuche e.V.
Solche Rückschläge sind nicht selten. Im Gegenteil: Die Zahl der Tierversuche steigt heute wieder an, vor allem im Zusammenhang mit der Gentechnik. „Wenn man täglich mit dem Leid unschuldiger Lebewesen konfrontiert wird und sieht, wie wenige Fortschritte oder gar welche Rückschritte es gibt, ist es schon schwer, immer wieder gegen das immense Unrecht anzukämpfen“, sagt Bitz. „Nichts zu tun wäre allerdings fatal und noch schwieriger, zumal die Notwendigkeit der Abschaffung der Tierversuche offensichtlich ist. Man denke nur an Arzneimittelkatastrophen wie das Rheumamittel Vioxx oder das Herzmittel Trasylol. In diesem Bereich muss man mit Herzblut und aus voller Überzeugung bei der Sache sein.“ Immerhin: Umfragen zeigen, dass die Bürger Tierquälerei ablehnen. Die Mehrzahl der Menschen will Tierschutz und lehnt Tierversuche ab, zudem erkennen immer mehr Wissenschaftler die Unsinnigkeit des Tierversuchs. „Wir erhalten viel Zuspruch und Anerkennung für die fundierte und wertvolle Arbeit, die wir leisten“, sagt Bitz.