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SpinDiag GmbH – Schnelltest macht es resistenten Erregern schwer

Antibiotikaresistente Erreger werden zunehmend zum Problem, vor allem in Krankenhäusern. Infizierte Patienten müssen so schnell wie möglich isoliert werden. Allerdings fehlen bisher geeignete Methoden, um Patienten am besten schon bei der Aufnahme testen und gegebenenfalls isolieren zu können. Die junge Biotechnologie-Firma SpinDiag GmbH hat nun einen kostengünstigen Schnelltest auf Resistenzen entwickelt, der ohne große Ausstattung auf jeder Krankenhausstation anwendbar ist. Die Produktentwicklung und klinische Zulassung läuft, eine Markteinführung ist für Ende 2019 geplant.

Die sechs ehemaligen Wissenschaftler der Hahn-Schickard-Gesellschaft Dominique Kosse, Dr. Daniel Mark, Dr. Oliver Strohmeier, Dr. Gregor Czilwik, Dr. Frank Schwemmer und Dr. Mark Keller (von links nach rechts) haben im vergangenen Jahr eine eigene Firma, die SpinDiag GmbH gegründet. © SpinDiag GmbH

Resistenzen gegen Antibiotika sind eigentlich eine normale und völlig natürliche Reaktion aller Bakterien auf für sie toxische Substanzen in ihrer Umwelt. Lange Zeit stellte diese Eigenschaft auch kein besonders ernst zu nehmendes Problem dar, weil es genügend alternative Wirkstoffe gab, die man im Zweifelsfall einsetzen konnte. Durch jahrelange unkritische Anwendung der Medikamente bei Mensch und Tier aber wurden resistente Mikroorganismen regelrecht gezüchtet. Dies hat zur Folge, dass es gegenwärtig schon eine ganze Reihe von Erregern gibt, gegen die kein Antibiotikum mehr wirkt. Solche Problemkeime, wie beispielsweise der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), kommen vor allem in Krankenhäusern zunehmend häufig vor. Hier kann eine Infektion mit resistenten Keimen je nach Vorerkrankung auch schnell lebensbedrohlich werden.

Um die Ausbreitung, gerade in Krankenhäusern, zu verhindern, wäre es daher wünschenswert, Patienten möglichst schon bei der Aufnahme auf resistente Erreger zu untersuchen und dann gegebenenfalls isoliert behandeln zu können. Tests hierfür existieren zwar, allerdings kann es zwei Tage dauern, bis Ergebnisse vorliegen. Auch sind sie in Verbindung mit den in dieser Zeit erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu teuer, um eine große Anzahl oder gar routinemäßig alle Patienten untersuchen zu können. So werden gegenwärtig nur Patienten auf Verdacht hin getestet.

Resistenzen schnell, einfach und kostengünstig erkennen

Auf dieses Problem wurden sechs Wissenschaftler der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. in Freiburg schon vor einiger Zeit aufmerksam und gründeten im April 2016 ihre Firma, die SpinDiag GmbH. Diese hat, nach eigenen Aussagen, antibiotikaresistenten Bakterien den Kampf angesagt und einen einfachen und kostengünstigen Schnelltest auf Bakterienresistenzen entwickelt: „Wir haben in den letzten Jahren bei Hahn-Schickard schon viele verschiedene Vor-Ort-Lösungen zur Untersuchung von Bakterien und Viren entwickelt, und im Gespräch mit Ärzten wurde an uns immer wieder der Wunsch herangetragen, einen einfachen Schnelltest fürs Krankenhaus zur Hand zu haben“, berichtet Dr. Daniel Mark, einer der sechs Mitgründer und Geschäftsführer des jungen Freiburger Biotechnologie-Unternehmens.

„Das war also genau unsere Tätigkeit“, betont Mark. „Und irgendwann konnten wir dann endlich eine Lösung für die Klinik bieten und wollten das am besten in einer eigenen Firma umsetzen. Die Tests sind entwickelt, aber noch kein Produkt; das machen wir jetzt zum ersten Mal. Schätzungsweise stecken sich alleine in Deutschland jährlich eine halbe Million Patienten an – zwar nur ein kleiner Teil mit resistenten Bakterien, dieser nimmt aber zu, und wird zunehmend zu einem schwerwiegenden Problem. Deshalb wollen wir mit unserem Test eine Möglichkeit bieten, schon direkt an der Krankenhauspforte zu erkennen, was man sich ins Haus holt. So können die Patienten gegebenenfalls isoliert behandelt und sofort geeignete Hygienemaßnahmen angeordnet werden.“

25 Einzeltests in einer halben Stunde

In einem Schuhkarton großen Gerät, das aussieht wie ein CD-Player, wird die Patientenprobe innerhalb einer halben Stunde auf Resistenzen geprüft. © SpinDiag GmbH

Gängige Praxis ist es im Moment, für einen Test auf resistente Keime eine Abstrichprobe zu nehmen, diese zu kultivieren und dann zu untersuchen. Bis zum Ergebnis dauert es oft mehrere Tage und die Laboruntersuchung ist relativ teuer. „Bei dem von uns entwickelten Schnelltest wird die Abstrichprobe dagegen direkt auf einen Einwegtestträger gegeben, der aussieht wie eine halbe CD, und innerhalb von 30 Minuten in einem CD-Spieler in Schuhkartongröße analysiert“, erläutert der Firmengründer das Prinzip des SpinDiag-Tests. „Dabei werden Reagenzien durch Drehbewegungen freigesetzt und eine komplette PCR1 inklusive Probenvorbereitungs-, Misch- und Aufteilungsschritten im Gerät ausgeführt.“

In dem Testträger, der in einem vom Kooperationspartner Qiagen Lake Constance GmbH entwickelten Analysegerät prozessiert wird, fließen die flüssigen Reagenzien in kleinsten Mengen in Mikrofluidkanälchen. Zentrifugale Mikrofluidik nennt man die Methodik, bei der Reaktionen mit Hilfe von Zentrifugalkräften ausgeführt werden. Im Fall der von SpinDiag entwickelten Plattform finden 25 resistenzspezifische Realtime-PCRs parallel statt. Auch die Fluoreszenzsignale werden im Gerät ausgelesen: Ein positives Signal signalisiert, dass Resistenzgene in der Probe enthalten waren.

Per Zentrifugale Mikrofluidik werden 25 Tests parallel durchgeführt. Die Ergebnisse können schon nach kurzer Zeit an die IT-Abteilung des Krankenhauses übermittelt und dann entschieden werden, ob der Patient isoliert behandelt werden muss. © SpinDiag GmbH

SpinDiag-Test entlarvt die häufigsten und gefährlichsten Erreger

„Bei unserer Methode kann man so viele Tests gleichzeitig machen, weil komplexe Schritte im Gerät automatisiert ablaufen“, erklärt Mark. „Der Test ist supereinfach auszuführen – das war uns wichtig. Man braucht weder Erfahrung noch eine spezielle Diagnostikausstattung, steckt den Testträger einfach ins Gerät und kann nach einer halben Stunde das Ergebnis ablesen. So könnte idealerweise auf jeder Krankenhausstation ein Gerät stehen und nur wenig Zeit bis zur Diagnose verloren gehen.“ Die Resistenzgene, auf die getestet wird, wurden gemeinsam mit den Nationalen Referenzzentren in Deutschland und Belgien ausgewählt. „Diese 25 Resistenzen, die unser Test abdeckt, bieten eine sehr hohe Sicherheit. Zwar nicht 100 Prozent, aber wir sind sicher, dass die häufigsten und gefährlichsten dabei sind“, so Mark.

Rund 20 Euro wird einmal ein solcher Multiplextest pro Patient kosten. „Das lohnt sich für eine Klinik auf jeden Fall“, betont der Wissenschaftler. „Wir haben dies mit einem Experten für klinisch-ökonomische Modelle durchgerechnet. Ein Ausbruch aufgrund eines Nichterkennens oder eine eigentlich unnötige Isolation auf Verdacht ist auf jeden Fall teurer als eine von vornherein sichere und nur in begründeten Fällen isolierte Behandlung. Unser Test ist schnell, breit und bezahlbar – das sehen wir als Einzigartigkeit an.“

Prototyp soll Anfang 2018 zur Verfügung stehen

Nach einer halben Stunde sind die Testergebnisse schon komplett. „Dann kann die Entscheidung getroffen werden, ob der Patient isoliert behandelt werden muss“, so der Physiker. „Im Fall eines positiven Ergebnisses wird aber natürlich in der Regel noch weiter untersucht. Was wir mit dem Schnelltest sicher bieten können, ist ein Ausschluss. Das heißt, die Ansteckungsgefahr mit resistenten Erregern durch einen Patienten wird ausgeschlossen. Hier geht es zuerst einmal um möglichst rasche Hygienemaßnahmen und nicht um eine Therapieentscheidung.“

Die Vorarbeiten für den Schnelltest sind nach Aussagen Marks sehr gut patentiert: „Hahn-Schickard ist zwar Gesellschafter bei der SpinDiag, und wir nutzen noch die eine oder andere Infrastruktur, sonst sind wir aber nun völlig unabhängig.“ Zurück in die reine Forschung wollen die Firmengründer nach Aussage Marks aber nicht mehr: „Dazu ist der Spaß an der eigenen Firma für uns viel zu groß. Es macht unheimlich viel Freude, auf eigenen Beinen zu stehen. Und es geht ja auch gut voran.“ So will man in den nächsten Wochen noch zwei weitere Mitarbeiter einstellen.

Bis zum Ende des Jahres werden die Wissenschaftler noch damit beschäftigt sein, die Produktentwicklung abzuschließen. Mit einem Prototyp soll dann ab Anfang nächsten Jahres die Zulassung vorbereitet werden. Die Markteinführung ist für Ende 2019 geplant, zunächst in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Danach will die Biotechnologie-Firma den Test EU-weit vermarkten und parallel dazu auch die Zulassung in den USA angehen.

1 Polymerase-Kettenreaktion (Anmerkung der Redaktion)

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