Strahlen sollen Tumorzellen töten
Ulmer Forscher wollen neue Wege finden, bei Krebserkrankungen des Knochenmarks (Multiples Myelom) Tumorzellen durch Bestrahlung gezielt zu vernichten. Die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung e.V. fördert das Forschungsvorhaben von Wissenschaftlern der Kliniken für Nuklearmedizin und für Innere Medizin III des Universitätsklinikums Ulm über drei Jahre mit rund 300.000 Euro. Insgesamt hat die Carreras Leukämie-Stiftung dieses neue Forschungsfeld in Ulm bereits mit über einer Million Euro unterstützt.
Das Multiple Myelom (MM) ist eine bösartige Erkrankung des Knochenmarks, deren Entstehung nur unzureichend bekannt und die bis heute unheilbar ist. MM betrifft vor allem ältere Patienten und zählt zur Gruppe der „niedrigmalignen Non-Hodgkin-Lymphome", bei der die Plasmazellen bösartig entartet sind. Plasmazellen reifen normalerweise aus B-Lymphozyten heran und produzieren Antikörper, die gegen Krankheitserreger gerichtet sind.
Antikörper, die nicht tun, was sie sollen
Die entarteten Plasmazellen (so genannte Myelomzellen) produzieren in großen Mengen Antikörper oder Antikörperbruchstücke, die allerdings funktionslos und für die Infektabwehr untauglich sind. Ihre unkontrollierte Vermehrung im Knochenmark stört die Ausreifung gesunder Blutzellen. Botenstoffe der Myelomzellen zerstören die Knochensubstanz, stören den Kalziumhaushalt und erhöhen die Gefahr für schmerzhafte Knochenbrüche.
Die von den Myelomzellen gebildeten Antikörperbruchstücke lagern sich oft in der Niere ab und bewirken eine Störung der Nierenfunktion. Folgen der Krankheit sind unter anderem die Auflösung der Knochen, eine Einschränkung der Nierenfunktion, eine Störung der Blutbildung und eine Anfälligkeit für Infekte.
Jeder zehnte Blutkrebs ist ein multiples Myelom
Links ein intakter Zellkern, rechts ein unter radioaktiver Strahlung zerfallender. (Fotos: UK Ulm)
Das Multiple Myelom macht in Europa rund zehn Prozent aller Blutkrebsfälle aus. Nach Angaben des Ulmer Facharztes für Hämatologie und Internistische Onkologie Peter Liebisch macht das Multiple Myelom (auch Plasmozytom) rund ein Prozent aller bösartigen Erkrankungen des Menschen aus. Verglichen mit anderen Tumorerkrankungen wie Brust-, Darm- oder Lungenkrebs ist das MM eine seltene Erkrankung. In Europa erkranken von 100.000 Menschen pro Jahr etwa vier Menschen daran.
Ziel der Ulmer Wissenschaftler ist es, bestimmte radioaktive Substanzen direkt zu den Tumorzellen zu bringen und diese damit zu zerstören. Zwei Herausforderungen müssen sich die Mediziner stellen: Zum einen die Tumorzellen zwischen gesunden Zellen aufzuspüren und zum anderen die radioaktiven Substanzen direkt an die Tumorzelle oder sogar in diese hinein zu bringen.
Antigen verrät bestimmte Tumorzellen
Das Forscherteam hat eine Gruppe von Tumorzellen identifiziert, die an ihrer Oberfläche durch ein Antigen erkennbar ist. Die radioaktive Substanz wird an einen Transporter (einen Antikörper) „geheftet“, der wie ein „Schlüssel“ in das „Schloss“ des Antigens auf der Tumorzelle passt. Wenn die Tumorzelle mit Hilfe des Schlüssel-Schloss-Prinzips erkannt ist, zerstört die radioaktive Substanz die Zelle.
Ein anderes System von Transporterstoffen, die so genannten Nukleoside, bestehen aus den gleichen Bausteinen wie das menschliche Erbgut und ermöglichen dadurch sogar, die radioaktive Substanz direkt in den Kern der Tumorzelle zu bringen und sie dort zu zerstören.
Ziel: Entwicklung neuer Therapien
Die José Carreras (Bild) Stiftung Deutschland unterstützt das Ulmer Vorhaben. (Foto: Carreras-Stiftung D.)
Die Grundlagenforschungen der Ulmer Wissenschaftler eröffnen neue Möglichkeiten, Therapien für die bisher unheilbare Krankheit zu entwickeln. Am Projekt beteiligt sind von der Klinik für Nuklearmedizin Agnieszka Morgenroth, Christoph Solbach und Sven Reske und von der Klinik für Innere Medizin Donald Bunjes und Peter Liebisch.
Der spanische Tenor gründete 1995 die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung e.V. - aus Dankbarkeit dafür, dass er selbst seine Leukämie-Erkrankung nach einer Stammzelltransplantation überwunden hat. Die Stiftung förderte bislang über 600 Projekte. Dazu gehören die Förderung von Wissenschaft und Forschung, die Finanzierung von Strukturmaßnahmen, wie zum Beispiel der Bau von Transplantationseinheiten, Tageskliniken oder Rehabilitationszentren, und die Unterstützung von Selbsthilfegruppen und Elterninitiativen.
Quellen: Uniklinikum Ulm, Kompetenznetz Maligne Lymphome (wp, 19.06.08, N)