eHealth
Studie der Bertelsmann Stiftung: Digital-Health-Anwendungen für Bürger
Obwohl die Anzahl der Gesundheits-Apps immer weiter wächst, ist der Einfluss der Digital-Health-Anwendungen auf die Gesundheit der Bevölkerung kaum erfasst. In ihrer Studie „Digital-Health-Anwendungen für Bürger: Kontext, Typologie und Relevanz aus Public-Health-Perspektive" hat die Bertelsmann-Stiftung ein Klassifizierungsverfahren entwickelt, das eine weitere Erforschung und Bewertung der Digital-Health-Anwendungen erleichtern soll.
Etwa ein Drittel der Bundesbürger zeichnen ihre Gesundheitsdaten über ein Smartphone oder eine Smartwatch auf.
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eHealth-Anwendungen setzen sich immer weiter durch. So zeigt eine repräsentative Umfrage unter 1.236 Personen von Bitkom Research von Anfang Februar 2016, dass 31 Prozent der Bundesbürger ab 14 Jahren sogenannte Fitness-Tracker zur Aufzeichnung von Gesundheitswerten benutzen. Dazu gehören Fitness-Armbänder, Fitness-Apps auf dem Smartphone sowie Smartwatches. Es zeigt sich also der Trend, dass sich die Menschen aktiv für ihre Gesundheit interessieren, sich informieren und ihre Gesundheit verbessern wollen. Bisher sind die Einflüsse dieser eHealth-Anwendungen wenig erforscht. Die Bertelsmann Stiftung hatte daher die Studie „Digital-Health-Anwendungen für Bürger: Kontext, Typologie und Relevanz aus Public-Health-Perspektive" in Auftrag gegeben.
„Eine kooperative und/oder interaktive Anwendung von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerungsgesundheit“, so definieren die Verfasser der Studie Digital Health, die sie mit den Begriffen eHealth sowie Health 2.0 gleichsetzen. Dabei wird die Digitalisierung des Gesundheitswesens laut der Studie durch technologische Innovationen, die unabhängig vom Gesundheitswesen entwickelt wurden, getrieben. Einige Anwendungen haben sich bereits in Teilen im Gesundheitsmarkt etabliert. Dazu zählt unter anderem die Telemedizin mit ihrer medizinischen Anwendung der Informations- und Kommunikationstechnologien. Angetrieben wird die Entwicklung jedoch auch durch einen kulturellen Wandel. Der Mensch, ob gesund oder krank, hat sein sogenanntes Gesundheitshandeln verändert. Darunter versteht man laut Studie das Handeln „mit dem Ziel der Erhaltung, Förderung oder Verbesserung der eigenen Gesundheit im alltäglichen sozialen Kontext“. Ferner müssen die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. So können eHealth-Anwendungen Medizinprodukte sein und unterliegen damit auch den entsprechenden regulatorischen Bestimmungen.
Erst klassifizieren dann weiter erforschen
Auf Basis dieser Erkenntnis wurde im Rahmen der Studie ein Klassifikationsverfahren erstellt, das am Beispiel von 106 von Experten ausgewählten eHealth-Anwendungen überprüft wurde. Die Aussagekraft der Studie ist jedoch durch die geringe Anzahl der Stichproben limitiert, so die Experten. Der Markt der digitalen Gesundheitsanwendungen ist sehr undurchsichtig, sodass die Auswahl der Stichproben ein breites Spektrum der unterschiedlichen Anwendungen abbildet. Es wurden sowohl mobile Anwendungen sowie Web- und System-Anwendungen berücksichtigt. Die Forscher führten mit den fünf Hauptdimensionen Anwendungsfall, Zielgruppe, Anwendungskontext, Technologie und Geschäftsmodell eine deskriptive Analyse durch und kamen dabei zu interessanten Kernaussagen. So unterstützen die eHealth-Anwendungen am häufigsten den Bereich Information & Orientierung in Gesundheitsfragen. Hier werden dem Anwender zum Beispiel Informationen zu Krankheiten oder zur gesunden Ernährung zur Verfügung gestellt. Bei mobilen Anwendungen ist der Bereich Kontrolle & Monitoring zu finden, also zum Beispiel Anwendungen, die den Trainingszustand aufzeichnen.
Damit überrascht auch eine weitere Erkenntnis zur Zielgruppe der eHealth-Anwendungen nicht. Mit 71 Prozent stehen die Gesunden als Hauptzielgruppe im Fokus der Entwickler. Der gesunde Nutzer möchte mit diesen Anwendungen eine Gesundheitsförderung erreichen beziehungsweise einer Erkrankung vorbeugen (Anwendungskontext). Über 50 Prozent der Anwendungen können kostenlos genutzt werden.
Im Bereich Geschäftsmodell untersuchten Forscher auch den Bereich Zulassung und Finanzierung. Hier wird deutlich, dass die Mehrheit der Apps nicht zulassungspflichtig sind. 10 Prozent der Apps sind zulassungspflichtig. Davon haben 7 Prozent einer EU-Zulassung (CE-Kennzeichnung) und 2 Prozent eine Zulassung in der USA (FDA-Zulassung). Ein Prozent der zulassungspflichtigen Apps haben keine Zulassung. Bei der Auswertung waren auch Mehrfachnennungen möglich. Bisher werden nur sehr wenige Anwendungen durch einzelne Krankenkassen finanziert.
Orientierungsgrundlage für Entscheider
Auf Basis der deskriptiven Analyse bildeten die Wissenschaftler Anwendungstypen. Die Anwendungstypen sollen als Handlungs- und Orientierungsgrundlage für Entscheider im Gesundheitswesen dienen. Dabei wurden die Typen nach ihrer hauptsächlichen Nutzung benannt:
- Stärkung der Gesundheitskompetenz (z.B. Portale zur Information über Krankheiten, wie www.gesundheitsinformation.de)
- Analyse und Erkenntnis (z.B. Anwendungen zur Diagnose und Bewertung, wie der Mimi Hörtest)
- Indirekte Intervention: Förderung der Selbstwirksamkeit, Adhärenz & Sicherheit (z.B. kontinuierliche Erfassung von persönlichen Gesundheitsdaten, wie bei Baby Tracker Pro)
- Direkte Intervention: Veränderung von Fähigkeiten, Verhalten & Zuständen (z.B. Unterstützung bei der Therapie, wie mit Tinnitracks)
- Dokumentation von Gesundheits- und Krankheitsgeschichte (z.B. das Anlegen einer Gesundheitsakte, wie bei Apple Health)
- Organisation und Verwaltung (z.B. Verwaltungs-Anwendungen von Krankenkassen, wie bei www.tk.de)
- Einkauf und Versorgung (z.B. Unterstützung beim Kauf von Arzneimitteln, wie bei www.docmorris.de)
Können diese Anwendungen einen Beitrag zur Bevölkerungsgesundheit leisten? Die Verfasser der Studie beantworten dies mit „Ja“. Nimmt man die nationalen Gesundheitsziele als Basis, so können relevante Erfolge besonders darin erzielt werden, die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu stärken. Es könnten jedoch beispielsweise auch Tabak- und Alkoholkonsum reduziert werden. Denn die Anwendungen ermöglichen die Erfassung des Gesundheitsverhaltens und könnten so auch eine Einhaltung bewirken, wie zum Beispiel die Erfolgskontrolle beim Nichtrauchen.