zum Inhalt springen
Powered by

Studie zeigt Zusammenhang zwischen Gen-Aktivität im Darm und Übergewicht

Menschen mit einer Adipositaserkrankung leiden nicht nur an den gesundheitlichen Folgen ihres starken Übergewichts. Häufig fühlen sie sich auch gesellschaftlich stigmatisiert, denn ihre Erkrankung gilt oft als selbstverschuldeter Zustand. Eine neue Studie der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit dem eSwiss Medical and Surgical Center in St. Gallen zeigt nun, dass starkes Übergewicht in engem Zusammenhang mit der Aktivität von Genen im Darmgewebe steht. Diese ist für die Bildung von Hormonen zur Regulierung des Energiestoffwechsels verantwortlich.

Der Magen-Darm-Trakt ist ein wesentlicher Faktor für die Steuerung des Essverhaltens sowie für die Regulierung metabolischer Prozesse. Heute weiß man, dass die Bildung und Ausschüttung von Hormonen in diesem Bereich des Körpers eine große Rolle für das Zusammenspiel des Stoffwechsels einnimmt. In einer Studie des Fachbereichs Ernährungsmedizin der Universität Hohenheim unter Leitung von Prof. Stephan C. Bischoff setzten sich deshalb jetzt Forscher in Kooperation mit dem St. Gallener eSwiss Medical and Surgical Center mit der Aktivität von Genen auseinander, die im Darm für die Bildung solcher Hormone verantwortlich sind. Dazu wurden Gewebeproben stark übergewichtiger Patienten mit denen von normalgewichtigen Personen verglichen.

„Für unsere Untersuchung haben wir eine Genexpressionsanalyse mittels rtPCR (Reverse Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion) durchgeführt sowie immunhistochemische Untersuchungen einzelner Genprodukte in den Gewebeproben vorgenommen“, erklärt Prof. Dr. Bernd Schultes, Leiter des eSwiss Medical and Surgical Center, die Herangehensweise. Sein Institut beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Behandlung von Adipositas und führt deshalb zur Gewichtsreduktion und zur Verbesserung der metabolischen Situation regelmäßig Magenbypass-Operationen durch. Im Zuge dieser Eingriffe wurden die Gewebeproben der übergewichtigen Probanden entnommen. Die Proben der Vergleichsgruppe wurden von der Chirurgischen Universitätsklinik rechts der Isar in München zur Verfügung gestellt.

Gezielte Messung der Genexpression führt zum Erfolg

Prof. Dr. med. Bernd Schultes ist als Leiter des eSwiss Medical and Surgical Center maßgeblich an der Darmhormon-Studie beteiligt. © eSwiss Medical and Surgical Center

Der Fokus der Studie lag auf der Untersuchung von Genen, deren Genprodukte wesentliche Bestandteile des serotoninergen Nervensystems des Darms darstellen. Weiter waren Gene von Interesse, die für die Kodierung von Hormonen von Bedeutung sind, welche die Steuerung des Essverhaltens verantworten. Dazu hat die Arbeitsgruppe aus Hohenheim zunächst wichtige Vorarbeiten in Form einer tierexperimentellen Studie geleistet. Daran anknüpfend wurde erstmals das serotoninerge Nervensystem in einer großen Zahl von humanen Darmproben untersucht. Hierzu wurde eine Messung der Expression einzelner Gene durchgeführt, die in direktem Maß für die Bildung von Hormonen oder anderen Signalmolekülen in dem untersuchten Gewebe zuständig sind. Dabei zeigten die übergewichtigen Patienten im Vergleich zu den nicht übergewichtigen eine erhöhte Expression von verschiedenen Genen im Darmgewebe. Zudem zeigten Netzwerk-Analysen, dass es Unterschiede in der Assoziationsstärke zwischen den einzelnen genetischen Expressionsprofilen übergewichtiger und nicht übergewichtiger Probanden gab. „Unsere Studie zeigt somit auf, dass möglicherweise das ganze neuroendokrine Netzwerk des Darms bei adipositaskranken Menschen verändert ist“, beschreibt Schultes die ersten Ergebnisse der Studie.

Analyse der Unterschiede verdeutlicht Veränderungen im Darm

Die Untersuchung zeigt die erhöhte Expression verschiedener Gene im Darmgewebe (in pink). © eSwiss Medical and Surgical Center

Dabei werden zunächst vor allem die Unterschiede zwischen den beiden Patientengruppen deutlich. Hier können einerseits Ernährungsfaktoren eine Rolle spielen, andererseits aber auch Veränderungen in der bakteriellen Zusammensetzung der Darmflora. „Deshalb möchten wir als nächstes feststellen, wodurch diese Unterschiede verursacht werden und was sich daraus für Konsequenzen ableiten. Damit bietet unsere Studie spannende neue Ansatzpunkte für weiterführende Untersuchungen“, so der Leiter des eSwiss Medical and Surgical Center. Konkrete Therapieempfehlungen oder -ansätze lassen sich aus den Studienergebnissen aber noch nicht ableiten. In einem nächsten Schritt soll vielmehr festgestellt werden, worin die ursächlichen Faktoren dieser Veränderungen bestehen. Dabei sollen nach Möglichkeit Erkenntnisse gewonnen werden, welche die gezielte Beeinflussung des neuroendokrinen Darmsystems ermöglichen. „Es ist also noch ein längerer Weg, bis wir betroffenen Personen durch unsere Studie mit neuen Therapieansätzen helfen können. Wir sind aber sicher, dass unsere Untersuchungen diesen Weg ein Stück weiter ebnen konnten“, sagt Schultes zuversichtlich.

Weitere Studien sollen Manipulation der Genaktivität ermöglichen

Die Resultate der Studie wurden nun in der internationalen Fachzeitschrift Obesity veröffentlicht. Von der Durchführung der Untersuchungen bis zum Erscheinen der Ergebnisse sind circa zweieinhalb Jahre vergangen. In einer weiteren Studie wird es nun darum gehen zu analysieren, wie unterschiedliche Genexpression-Veränderungen mit dem Stoffwechsel betroffener Personen in Zusammenhang stehen. Daran anknüpfend soll untersucht werden, ob sich verschiedene Ernährungsfaktoren in unterschiedlichen Expressionsmustern im Darmgewebe widerspiegeln. Dafür werden zunächst weitere tierexperimentelle Untersuchungen durchgeführt. Diese sollen zeigen, ob die Expression verschiedener betroffener Gene durch gezielte Intervention manipuliert werden kann und welche Konsequenzen sich daraus für den Stoffwechsel ergeben.

„Durch unsere Studie treten die biologischen Hintergründe der Krankheit Adipositas immer klarer hervor. Dieser Punkt ist wichtig, weil die Erkrankung oft immer noch als selbstverschuldet gilt. Unsere Ergebnisse helfen betroffenen Menschen, die Last von ihren schwer empfundenen Schuldgefühle zu mildern“, so Schultes abschließend.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/studie-zeigt-zusammenhang-zwischen-gen-aktivitaet-im-darm-und-uebergewicht