Testsystem für Hautschäden durch Sonneneinstrahlung
Auf Basis eines neuen akkreditierten Testverfahrens hat das Fraunhofer IGB einen In-vitro-Phototoxizitätstest entwickelt. Damit können Substanzen aus Medikamenten und Kosmetika getestet werde. Speziell geht es darum, ob sie bei Einstrahlung von UV-Licht eine toxische Wirkung auf die Haut haben. Für den Test werden menschliche Hautzellen zu einem Gewebe herangezogen, das als Hautmodell dient.
Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart hat eine langjährige Expertise in der Herstellung künstlicher Haut. Die Teams des Fraunhofer IGB haben die Prozesse heute so gut im Griff, dass sie verschiedene Hautmodelle, bestehend aus Dermis und Epidermis, relativ kostengünstig und in gleichbleibender Qualität herstellen können. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA ist die Produktion sogar vollautomatisiert in einer fabrikähnlichen Anlage möglich. Ausgangspunkt sind menschliche Hautzellen, die aus Biopsien isoliert und in den IGB-Laboren zu dreidimensionalen Geweben herangezogen werden. Je nach Fragestellung kann die Hautherstellung modifiziert werden. Ergänzt um Hauttumorzellen hat das IGB zum Beispiel ein Hautkrebsmodell entwickelt. Die Forscher können auch blutgefäßbildende Zellen integrieren oder Melanozyten, die für die Pigmentierung der Haut zuständig sind. Außerdem sind sie in der Lage, eine Fettschicht in die Hautmodelle zu integrieren, um mögliche Ablagerungen und Anreicherungen von Stoffen zu untersuchen.
Bei der Suche nach weiteren Anwendungen der Hautmodelle kam Sibylle Thude auf die Idee, Phototoxizitäts-Modelle zu entwickeln. Thude ist Prüfleiterin am IGB und im Testlabor für Zell- und Tissue Engineering zuständig für Akkreditierungen. „Die Entwicklung von Phototoxizitätstests hat sich angeboten, weil derartige Verfahren noch nicht so verbreitet sind, zumindest keine mit Akkreditierung, und wir deshalb gute Marktchancen für unsere In-vitro-Modelle sahen“, sagt Thude. „Phototox“, wie das Testverfahren intern knapp genannt wird, ist eine reine IGB-Entwicklung, die die Biologin ohne externe Kooperationen gemeinsam mit einer Kollegin auf die Beine gestellt hat.
Künstliche Haut aus echten Zellen
Technologischer Kern des Ganzen ist ein Hautmodell, das aus Keratinozyten, also den verhornenden Zellen der Oberhaut, aufgebaut wird. Thude und ihr Team isolieren zunächst menschliche Primärzellen aus einer Gewebeprobe. Diese Keratinozyten werden im Labor vermehrt und so kultiviert, dass innerhalb von zwei bis drei Wochen ein Epidermismodell entsteht. Die Hornschicht ist für realistische Test-Szenarien sehr wichtig, denn sie bildet wie bei echter Haut eine zusätzliche Barriere. Zwar hätten die Forscher dem Modell weitere Hautzelltypen wie Fibroblasten hinzufügen können, um der natürlichen Haut noch näher zu kommen, aber das ist laut Thude unnötig und würde die Hautherstellung nur unnötig verteuern und deutlich mehr Zeit benötigen.
Die Bestrahlungseinheit BioSUN dient dem Fraunhofer-Team zur definierten
Applikation von UV-Strahlung.
© Fraunhofer IGB
Nach den Qualitätschecks steht das Hautmodell für Photoxizitätstests zur Verfügung. Dabei wird die Testsubstanz aufgetragen und das Modell anschließend mit einer UV-Dosis bestrahlt, die bei gesunder Haut normalerweise nicht schädlich ist. Die Substanz kann sowohl eine fett-, als auch eine wasserbasierte Formulierung sein. Sogar alkoholische Auszüge können in gewissen Grenzen getestet werden. Ob und in welchem Ausmaß die Zellen geschädigt sind, wird beim Phototoxizitätstest mikroskopisch und spektroskopisch untersucht. Lebende Zellen setzen ein Substrat in ein farbiges Produkt um, das dann gemessen werden kann. Mithilfe dieser Farbreaktion können die Forscher die Vitalität unter Mitführen entsprechender Kontrollen quantifizieren. Liegt die Reduktion der Vitalität im Vergleich zur Kontrolle bei mehr als 30 Prozent, wird die Substanz als phototoxisch eingestuft. Der Test funktioniert derart zuverlässig und reproduzierbar, dass er akkreditiert werden konnte und nun für kommerzielle Anwendungen zur Verfügung steht.
„Wir stellen einerseits die Modelle her und vermarkten sie. Wir treten aber auch als Dienstleister auf und bieten akkreditierte Tests an, die in unseren Laboren stattfinden. Nur dann ist der Test akkreditiert. Für Anwendungen in Forschung und Entwicklung ist es auch denkbar, dass die Tests beim Kunden durchgeführt werden, wenn sein Labor die notwendigen Voraussetzungen dafür bietet. Dann handelt es sich allerdings nicht um einen akkreditierten Test“, stellt Thude klar. Als Kunden für den akkreditierten Test kommen Hersteller von Kosmetika in Betracht – und Pharma-Unternehmen, die Wirkstoffe herstellen, die über die Haut appliziert werden. Auch Substanzen aus Kräutern und anderen pflanzlichen Ausgangsstoffen können mit dem Phototoxizitätstest geprüft werden. Bekannt ist zum Beispiel, dass Extrakte aus Johanniskraut und Bergamotte die Haut empfindlicher machen für die Einwirkung von UV-Strahlen.
Noch viele Anwendungschancen – von Arzneimitteln bis zu Selbstbräunern
Darüber hinaus ist auch ein Test denkbar, bei dem die orale Einnahme eines Arzneimittels simuliert wird. Denn die auf diese Weise entstehenden Stoffwechselprodukte können durchaus die UV-Sensitivität der Haut ändern. Ein derartiges Testmodell ist im Moment jedoch Zukunftsmusik, wie Thude betont. Allerdings sieht sie durchaus Chancen dafür – dann nämlich, wenn sich die Organ-on-a-Chip-Technologie so rasant weiterentwickelt wie bisher. „Wir arbeiten derzeit an einer Reihe komplexer Organ-on-a-Chip-Systeme. Wenn wir es schaffen, den dafür relevanten Stoffwechsel abzubilden, könnte ich mir Photoxizitätstests bei oral applizierten Substanzen durchaus vorstellen.“
Zurzeit arbeitet das Team an näherliegenden Aufgaben und will den Phototoxizitätstest zum Beispiel so anpassen, dass auch Melanozyten, also die Pigmentzellen der Haut, integriert werden können. Über die Quantifizierung des produzierten Melanins lassen sich bereits jetzt Selbstbräuner oder Hautaufheller testen. „Das pigmentierte Hautmodell befindet sich schon in der Anwendung. Um eine Akkreditierung für das zugrundeliegende Verfahren zu erhalten, ist allerdings noch eine Validierung notwendig“, so Thude. Auch wenn dieses Projekt noch forschungsorientiert ist, weist es einen weiteren Weg in die Anwendung. Mit der Komplexität eines Modells, mit der Anzahl der verwendeten Zellen und mit der Menge an Anwendungsmöglichkeiten steigt jedoch auch der Bedarf an Qualitätskontrollen. Kurzum: Je komplexer das Testverfahren, desto umfangreicher sind die Kontrollen. „Deshalb sind wir noch auf der Suche nach akkreditierten Partnerlaboren, die auf die gleiche Art und Weise testen können, wie wir dies tun, und deshalb für Laborvergleichsuntersuchungen im Rahmen der Qualitätskontrolle infrage kommen“, sagt Thude. Sie nimmt gerne Kontakt zu interessierten Gruppen auf.