Gastbeitrag
Vielseitig und vielschichtig - Leben und forschen in Nanjing
Joachim Koepff verbrachte die Zeit von Juni bis November 2012 in Nanjing und absolvierte dort ein Forschungspraktikum im "College for Biotechnology and Pharmaceutical Engineering". Ermöglicht wurde der Aufenthalt über eine Förderung durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Hier berichtet er von seinen Erlebnissen und Eindrücken.
Ausflug mit Freunden
© Joachim Koepff
„Hey, du warst doch ein halbes Jahr in China, wie ist es da so?“ Fragen wie diese werden mir häufig gestellt, seitdem ich Mitte Dezember wieder nach Deutschland zurückgekommen bin. Jedoch fällt es mir schwer, in wenigen Sätzen darauf zu antworten. China ist zu vielseitig, zu vielschichtig.
In den sechs Monaten, die ich vorwiegend in Nanjing (200 km nord-westlich von Shanghai) verbracht habe, erlebte ich China als ein sehr spannendes Land voller Gegensätze, das sich mit atemberaubender Geschwindigkeit entwickelt. Die Veränderungen erscheinen manchmal etwas unkoordiniert, ja sogar chaotisch. Es ist aber ein erfreulicher Trend festzustellen, der weg von "hauptsache schnell", hin zu einer eher nachhaltigen Entwicklung geht.
Chinesischer Arbeitsalltag
Gearbeitet habe ich im Labor von Professor Jiang Min, im College for Biotechnology and Pharmaceutical Engineering der Nanjing University of Technology (NJUT). Die Arbeit im Labor war abwechslungsreich und durch mehrere Doktoranden und Master-Studierende sehr gut betreut. Ich habe im Bereich ‚Metabolic Engineering‘ geforscht und in E.coli mehrere Gene zur Succinat-Produktion überexprimiert. In anschließenden anaeroben Schüttelkolben- und Bioreaktor-Fermentationen konnte eine Produktionssteigerung nachgewiesen werden.
Die Stimmung im jungen Laborteam war sehr gut, gemeinsame Freizeitaktivitäten (Basketball, Tischtennis, kochen, baden gehen) lockerten den recht langen, wenn auch aus deutscher Sicht etwas ineffektiv genutzten Arbeitstag auf.
Prof. Jiang Min, immer viel beschäftigt, war sehr freundlich und hilfsbereit. Er hat mich in jeder Hinsicht unterstützt. Er sorgt dafür, dass das Labor sehr gut ausgestattet ist, vor allem im Fermentation und Analysebereich. Die erfolgreichen Publikationen in internationalen Journalen sind Zeuge hierfür.
Erlebenswertes Drumherum
Auf dem Campus der NJUT, die im Vorort von Nanjing liegt, studierten nur sehr wenige weitere Ausländer, was meine Zeit dort zu einem sehr intensiv-chinesischen Erlebnis gemacht hat. Der tiefe Einblick in Lebensweise, Kultur und Sprache, der mir so ermöglicht wurde, hat mich China als ein sehr gastfreundliches Land, mit offenen, rücksichtsvollen Menschen erfahren lassen. Es ist mir leicht gefallen, gute Freundschaften zu schließen, die ich auch weiterhin pflegen möchte.
Und da war natürlich noch das chinesische Essen… Ob man in einem der zehn Mensen auf dem Campus, oder in einem der vielen kleinen Straßenresturants in der Umgebung die frisch hergestellten, gebratenen Nudeln genießt, es schmeckt einfach immer. Sorry, aber damit kann meine Universität in Deutschland bei Weitem nicht mithalten!
Laborteam in Nanjing
© Joachim Koepff
In der Vergangenheit wählten unterschiedliche Dynastien Nanjing insgesamt sechs Mal als Hauptstadt aus, was dazu geführt hat, dass hier heute viel Geschichte auf engem Raum konzertiert ist. Palastruinen, Ming-Gräber, Pagoden, Tempel und Türme sind die Zeugnisse dieser Zeiten. Auch die Nähe zu den sehr unterschiedlichen Städten Shanghai, Hangzhou und Suzhou bot sehr viel Abwechslung für Wochenendreisen.
Wer aufgeschlossen gegenüber anderen Kulturen und Sprachen ist und sich gerne auch mal auf was Neues einlässt, ist in diesem Programm gut aufgehoben. Es bietet die Chance einen ganz neuen Blick auf die (asiatische) Welt aber auch auf die Wertvorstellungen der eigenen Gesellschaft zu bekommen.
Ich bin froh die Möglichkeit bekommen zu haben, so intensiv in die asiatische Kultur eintauchen zu können, und kann das Programm nur herzlich weiterempfehlen!